Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1143 Militärwesen des 
für das Heer oder die Marine zu unterwerfen; sie 
beginnt mit dem 1. Jan. des Kalenderjahres, in 
welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr 
vollendet, und dauert so lange, bis über die Dienst- 
verpflichtung des Wehrpflichtigen entschieden ist. 
Die Militärpflichtigen haben sich in der Zeit 
vom 15. Jan. bis 1. Febr. bei der Ortsbehörde 
desjenigen Ortes, an welchem sie ihren dauernden 
Aufenthalt oder Wohnsitz haben, in Ermang- 
lung eines solchen Ortes an ihrem Geburtsort 
oder am Ort des letzten Wohnsitzes der Eltern zur 
Rekrutierungsstammrolle anzumelden und diese 
Anmeldung alljährlich zu wiederholen, bis über 
ihre Dienstpflicht entschieden ist. Im Falle zeit- 
weiliger Abwesenheit der Militärpflichtigen hat 
die Anmeldung durch deren Angehörige zu er- 
folgen. Die Militärpflichtigen haben sich sodann 
in dem Aushebungsbezirk, in welchem sie sich zur 
Stammrolle zu melden haben, behufs Herbei- 
führung einer Entscheidung über ihre Dienstver- 
pflichtung auf Beorderung durch den Gemeinde- 
vorsteher vor der Ersatzbehörde zu gestellen, zunächst 
zur Musterung, dann zur Aushebung. Die Nicht- 
erfüllung der Meldepflicht und der Gestellungs- 
pflicht ist strafbar. Militärpflichtige, welche die 
Gestellungstermine in böswilliger Absicht oder 
wiederholt versäumen, können auch als „un- 
sichere Dienstpflichtige“" sofort in die Armee 
eingereiht werden und erleiden dann den Nachteil, 
daß ihre Dienstzeit erst vom nächstfolgenden Re- 
kruteneinstellungstermin ab gerechnet wird. Über 
die Einziehung des Wehrpflichtigen zum Dienst 
entscheiden endgültig die aus militärischen und 
bürgerlichen Mitgliedern zusammengesetzten Er- 
satzbehörden, welche in drei Instanzen und 
die Ministerialinstanz zerfallen. Die Entschei- 
dungen der Ersatzbehörden werden bedingt durch 
  
die Würdigkeit, die Tauglichkeit, die bürgerlichen 
Verhältnisse und die Rangierung der Militär-- 
pflichtigen. Die Ersatzkommissionen (erste Instanz) 
haben das Musterungsgeschäft vorzunehmen. Bei 
der Musterung werden die Militärpflichtigen ein- 
zeln einer körperlichen Untersuchung unterworfen 
und die Verhältnisse geprüft, welche eine vorläufige 
Zurückstellung des Militärpflichtigen für einen be- 
stimmten Zeitraum rechtfertigen. Zugleich werden 
die Militärpflichtigen zur Bestimmung der Reihen- 
folge, in welcher sie auszuheben sind, nach der 
Musterung und Losung rangiert. Die bei der 
Losung gezogene Nummer bleibt dem Militär- 
pflichtigen während der Dauer der Militärpflicht; 
Deutschen Reichs. 1144 
gebots, Uberweisung zur Ersatzreservebzw. Marine- 
Ersatzreserve oder Aushebung für einen Truppen- 
oder Marineteil. Nach Deckung des Rekruten- 
bedarfs für das stehende Heer und die stehende 
Marine erfolgt die Uberweisung der überzähligen 
tauglichen, der wegen geringer körperlicher Fehler 
nur bedingt tauglichen sowie der zeitig dienst- 
untauglichen Militärpflichtigen an die Ersatzreserve 
und Marine-Ersatzreserve. — Die Theologie- 
studierenden. In Preußen hat die Militär- 
verwaltung auf Grund eines Staatsministerial- 
beschlusses von 1835 die Studierenden der katho- 
lischen Theologie vom Dienst im Frieden durch 
Zurückstellung befreit; 1855 wurde diese Befreiung 
auf die protestantischen Theologen ausgedehnt. 
Begründet wurden diese Bestimmungen mit dem 
Mangel an Kandidaten für das geistliche Amt. 
Weiter gehende, auch die Rabbinatskandidaten 
umfassende Befreiungen enthielten das bayrische 
Gesetz über die Wehrverfassung vom 30. Jan. 
1868, Art. 12 und das württembergische Gesetz 
über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 
12. März 1868, Art. 3. Bei Beratung des 
Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 führte die 
kulturkämpferische Strömung zu der von dem Ab- 
geordneten Wehrenpfennig beantragten, keinerlei 
Ausnahmen zulassenden Vorschrift (§ 22, Abf. 1): 
„Die Zurückstellung oder Befreiung ganzer Be- 
rufsklassen ist unzulässig.“ Im Reichstag wurde 
der eine allgemeine Befreiung der Theologie- 
studierenden vom Friedensdienst bezweckende An- 
trag der Zentrumsfraktion 1874, 1886 und 1890 
abgelehnt, dagegen schließlich ein Antrag v. Kleist- 
Retzow angenommen, welcher auch die Zustim- 
mung des Bundesrats erhielt (Reichsgesetz vom 
8. Febr. 1890): „Militärpflichtige römisch- 
katholischer Konfession, welche sich dem Stu- 
dium der Theologie widmen, werden in Friedens- 
zeiten während der Dauer dieses Studiums bis 
zum 1. April des siebten Militärjahrs zurück- 
gestellt. Haben dieselben bis zu dem vorbezeich- 
neten Zeitpunkt die Subdiakonatsweihe empfangen, 
so werden diese Militärpflichtigen der Ersatzreserve 
überwiesen und bleiben von Ubungen befreit.“ 
Am 16. März 1896 richtete der Reichstag auf 
Grund eines von dem Zentrumsabgeordneten 
Prinzen v. Arenberg gestellten Antrags an die 
verbündeten Regierungen das Ersuchen, den deut- 
schen Missionären der in den Schutzgebieten täti- 
gen Missionsgesellschaften für die Dauer ihrer 
Ausbildung in einer deutschen Missionsanstalt 
über das Ergebnis der Losung erhält der Militär= und ihrer Tätigkeit in den deutschen Schutzgebieten 
pflichtige als Ausweis einen Losungsschein. Die eine gleiche Befreiung allgemein zu gewähren. Der 
Oberersatzkommission (zweite Instanz) trifft die Bundesrat gab jedoch diesem Beschluß keine Folge, 
Entscheidungen, gegen welcheden Militärpflichtigen es können daher Zurückstellungen der Missions- 
und ihren zur Reklamation berechtigten Angehöri- 1 kandidaten nur auf Grund der allgemeinen Vor- 
gen eine Berufung an die höheren Instanzen zu= schriften im einzelnen Fall nachgesucht und be- 
steht. Diese Entscheidungen lauten auf Ausschlie= willigt werden (vgl. Wehrordnung vom 22. Juli 
zung vom Dienst im Heer oder in der Marine, 1901, 8§ 22 ff). 
Ausmusterung vom Dienste im Heere oder in der III. Die Dienstpflicht ist die Pflicht zum Dienst 
Marine, Überweisung zum Landsturm ersten Auf= im Heer oder in der Marine. Die Pflicht zum 
 
	        
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