Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1151 Militärwesen des 
nachdem ein die Befreiung der Geistlichen vom 
Militärdienst fordernder Antrag verworfen wor- 
den war, von dem Abgeordneten Frhrn v. Schor- 
lemer-Alst gestellt. Die geltende Vorschrift 
lautet nunmehr (Wehrgesetz vom 11. Febr. 1888, 
Art. 2, 8§ 13): „Der Ersatzreserve überwiesene 
Personen, welche auf Grund der Ordination oder 
der Priesterweihe dem geistlichen Stand angehören, 
sollen zubungen nicht herangezogen werden."“ 
IV. Landsturmpflicht. Der Landsturm be- 
steht aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 
17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr, welche 
weder dem Heer noch der Marine angehören. 
Während ursprünglich ein Aufgebot des Land- 
sturmes nur für den Fall vorgesehen war, wenn 
ein feindlicher Einfall Teile des Reichsgebiets 
bedroht oder überzieht, ist durch das Wehrgesetz 
von 1888 dem Landsturm ganz allgemein die 
Pflicht auferlegt worden, „im Kriegsfall an der 
Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen“. Um 
das Heer sofort und so vollzählig als möglich an 
den Feind zu bringen, soll der Landsturm den 
Etappen= und Besatzungsdienst sowie die Be- 
wachung nicht unmittelbar bedrohter Küsten und 
Grenzstrecken übernehmen; er kann aber, wie das 
Gesetz ausdrücklich bestimmt, in Fällen außer- 
ordentlichen Bedarfs sogar zur Ergänzung des 
Heeres und der Marine herangezogen werden. 
Der Landsturm wird in zwei Aufgebote eingeteilt. 
Zum ersten Aufgebot gehören die Landsturm- 
pflichtigen bis zum 31. März des Kalenderjahres, 
in welchem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, aus- 
genommen diejenigen, welche vor diesem Zeitpunkt 
ihre Dienstpflicht in der Landwehr zweiten Auf- 
gebots abgeleistet haben; das erste Aufgebot, das 
also nur unausgebildete Mannschaften umfaßt, ist 
zur Ergänzung des Heeres bestimmt. Das zweite 
Aufgebot besteht zum größten Teil aus ausgebil- 
deten Mannschaften und soll deshalb im Verwen- 
dungsfall regelmäßig in besondern Abteilungen 
formiert werden. Eine Friedensorganisation des 
Landsturms gibt es nicht; solange der Landsturm 
nicht aufgerufen ist, dürfen Landsturmpflichtige 
einer militärischen Kontrolle oder Übung nicht 
unterworfen werden. Die Kriegsorganisation des 
Landsturms bestimmt der Kaiser (Militärgesetz 
vom 2. Mai 1874, § 6). Der Aufruf des Land- 
sturms erfolgt durch kaiserliche Verordnung, bei 
unmittelbarer Kriegsgefahr im Bedarfsfalle durch 
die kommandierenden Generale, die Gouverneure 
und Kommandanten von Festungen. Der Aufruf 
erfolgt nach Jahresklassen, mit der jüngsten be- 
ginnend, „soweit die militärischen Interessen dies 
gestatten“. Wehrfähige Deutsche, welche zum 
Dienst im Heer oder der Marine nicht verpflichtet 
sind, können als Freiwillige in die Listen des 
Landsturms eingetragen werden. Auf die auf- 
gerufenen Landsturmpflichtigen finden die für die 
Landwehr bzw. Seewehr geltenden Vorschriften 
Anwendung. Aufgerufene Landsturmpflichtige, 
welche sich im Auslande befinden, haben in das 
  
Deutschen Reichs. 1152 
Inland zurückzukehren, wenn sie hiervon nicht 
ausdrücklich befreit werden. Der Landsturm ist in 
einer für jede militärische Verwendung geeigneten 
Art zu bewaffnen, auszurüsten und zu bekleiden. 
Die Auflösung des Landsturms wird vom Kaiser, 
in Bayern vom König von Bayern angeordnet. 
(Vgll. Wehrgesetze vom 13. Nov. 1867 und 
11. Febr. 1888.) 
G. Berufsmäßiger Militärdienst. Eine 
berufsmäßige freiwillige Ubernahme der Militär- 
dienstpflicht erfolgt durch die Offiziere, die Kapi- 
tulanten und die Militärbeamten. Der rechtliche 
Inhalt der Militärdienstpflicht bleibt auch im 
Falle freiwilliger Ubernahme derselbe; die Er- 
füllung der freiwillig übernommenen Dienstpflicht 
wird daher durch dieselben Disziplinar= und Straf- 
bestimmungen geschützt wie die Erfüllung der ge- 
setzlichen Dienstpflicht. Nur die Dauer der frei- 
willig übernommenen Dienstpflicht geht weiter als 
die der gesetzlichen Dienstpflicht; die gesetzliche 
Dienstpflicht tritt aber wieder in Wirksamkeit, so- 
bald die freiwillig übernommene Dienstpflicht vor 
Beendigung der gesetzlichen Dienstpflicht aufge- 
hoben wird, z. B. Offiziere des aktiven Dienst- 
standes treten, wenn sie vor Ablauf der gesetzlichen 
Dienstzeit entlassen werden, als Offiziere des Be- 
urlaubtenstandes zur Reserve oder Landwehr über. 
I. Die Offiziere. 1) Im Frieden bildet der 
Dienst als Portepeefähnrich die Vorstufe für den 
Offiziersberuf. Sowohl die Beförderung zum 
Fähnrich wie die zum Offizier setzt den Nachweis 
einer gewissen wissenschaftlichen und dienstlichen 
Befähigung voraus. Außerdem darf ein Fähnrich 
nur zum Offizier vorgeschlagen werden, „nachdem 
das Offizierkorps des betreffenden Truppenteils 
in seinem eignen, dem Vorschlag beizufügenden 
Protokoll erklärt hat, daß es den Vorzuschlagen- 
den für wür dig erachtet, in seine Mitte zu treten“. 
Auszeichnung vor dem Feinde befreit von dem 
Examen zum Portepeefähnrich und fortgesetztes 
ausgezeichnetes Benehmen im Krieg auch von dem 
zum Offizier. (Verordnung über die Ergänzung 
der Offiziere des Friedensstandes vom 11. März 
1880.) Ahnliche Bestimmungen gelten für die 
Ergänzung des Offizierkorps der Marine (Ver- 
ordnung vom 29. Juni 1893), des Maschinen- 
ingenieurkorps der Marine (Verordnung vom 
7. Mai 1872) und des Sanitätsoffizierkorps 
(Verordnung vom 8. März 1897). — 2) Das 
Dienstalter der Offiziere ist von großer recht- 
licher Bedeutung, sofern der ältere Offizier der 
Vorgesetzte des jüngeren ist und als solcher das 
Recht hat, dem jüngeren Befehle zu geben. Das 
Dienstalter bestimmt sich nach dem Datum des 
Patentes; die Rangordnung mehrerer an dem- 
selben Tage Beförderten wird ausdrücklich fest- 
gesetzt. Die Beförderung der Offiziere soll für die 
Regel auch nach dem Dienstalter erfolgen, wobei 
übrigens das Dienstalter bei Hauptleuten und 
Subalternoffizieren innerhalb des Regiments, bei 
regimentierten Stabsoffizieren innerhalb aller
	        
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