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Kriegsfahrzeugen der kaiserlichen Marine befinden
(Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875, 871;kaiserliche
Verordnungen vom 7. Nov. 1875, 20. Jan. 1879
und 20. Febr. 1906). — 3) Im Felde sind beie
den der Mil. St.G.O. unterstehenden Personen
für die gerichtliche Beurkundung eines Rechts-
geschäfts, für die gerichtliche Beglaubigung eines
Handzeichnens, für die öffentliche Beglaubigung
einer Unterschrift, für die Aufnahme einer Urkunde
über die Anerkennung der Vaterschaft und über
sonstige Tatsachen, sowie für die Entgegennahme
von Versicherungen an Eides Statt auch die
Kriegsgerichtsräte und Oberkriegs-
gerichtsräte zuständig. Im Felde liegt beim
Heer nach dem Tode einer der Mil. St. G.O. unter-
stehenden Person die vorläufige Sicherung des
Nachlasses dem zunächst vorgesetzten Offizier oder
Beamten ob (Reichsgesetz vom 28. Mai 1901).
III. Der streitigen Gerichtsbarkeit der
bürgerlichen Gerichte unterstehen die Militär=
personen in allen bürgerlichen Rechtsangelegen-
heiten, in Strassachen dagegen nur ausnahms-
weise. Prozessualische Sonderbestimmungen für
Militärpersonen sind folgende: 1) Militärpersonen,
welche nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen
oder selbständig einen Wohnsitz nicht begründen
können, haben den Gerichtsstand wegen ver-
mögensrechtlicher Ansprüche bei dem Gericht des
Garnisonortes (3.P.O. 8 20). Für Militär-
personen, deren Truppenteil sich im Auslande
aufhält und im Inlande einen Garnisonort weder
hat noch gehabt hat, was z. B. bei dem ostasia-
tischen Expeditionskorps zutrifft, kann für An-
gelegenheiten der streitigen Gerichtsbarkeit ein im
Inland belegener Ort als Garnisonort durch
kaiserliche Verordnung bestimmt werden (Reichs-
gesetz vom 28. Mai 1901, 8 8). — 2) Zustel-
lungen für einen Unteroffizier oder Gemeinen
des aktiven Heeres oder der aktiven Marine er-
folgen an den Chef der zunächst vorgesetzten Kom-
mandobehörde (Chef der Kompagnie, Eskadron,
Batterie). Zustellungen an Personen, welche zu
einem im Ausland befindlichen oder zu einem
mobilen Truppenteil oder zur Besatzung eines in
Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören, können
mittels Ersuchens der vorgesetzten Kommandobe-
hörde erfolgen (3.P.O. 8§ 172, 201; St. P.O.
§* 37). — 3) Ladungen einer dem aktiven Heere
oder der aktiven Marine angehörenden Person des
Soldatenstandes als Zeuge oder Sachverstän-
diger erfolgen durch Ersuchen der Militärbehörde.
Die Festsetzung und die Vollstreckung der wegen
Nichterscheinens oder wegen Verweigerung des
Zeugnisses oder der Eidesleistung verwirkten Strafe
erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht, die
Vorführung durch Ersuchen der Militärbehörde
(3. P. O. gg 378, 380, 402, 409; St. P.O.
§8§ 48, 50, 69, 72, 77). — 4) Beschlagnah-
men und Durchsuchungen in militärischen
Dienstgebäuden, zu welchen auch Kriegsfahrzeuge
gehören, erfolgen durch Ersuchen der Militärbe-
Militärwesen des Deutschen Reichs.
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hörde und auf Verlangen der Zivilbehörde (Rich-
ter, Staatsanwaltschaft) unter deren Mitwirkung.
Des Ersuchens der Militärbehörde bedarf es jedoch
nicht, wenn die Beschlagnahme oder Durchsuchung
in Räumen vorzunehmen ist, welche in militäri-
schen Dienstgebäuden ausschließlich von Zivil-
personen bewohnt werden (St. P.O. 8§ 98, 105).
— 5) Befindet sich eine Partei zu Kriegszeiten
im Militärdienst, so kann das Prozeßgericht von
Amts wegen die Aussetzung des Verfahrens
bis zur Beseitigung des Hindernisses anordnen
(3.P.O. 8 247). — 6) Gegen eine dem aktiven
Heere oder der aktiven Marine angehörende Mi-
litärperson darf die Zwangsvollstreckung
erst beginnen, nachdem von derselben die vorgesetzte
Militärbehörde Anzeige erhalten hat. Soll die
Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere
oder der aktiven Marine angehörenden Person des
Soldatenstandes in militärischen Dienstgebäuden
oder auf Kriegsfahrzeugen erfolgen, so hat auf
Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht
die zuständige Militärbehörde um die Zwangs-
vollstreckung zu ersuchen. Gewisse Dienstbezüge und
Besitzstücke der Militärpersonen sind der Pfändung
nicht unterworfen. Die Vollziehung der Haft zur
Erzwingung der Ableistung des Offenbarungs-
eides und zum Vollzug des persönlichen Sicher-
heitsarrestes ist gegen Militärpersonen, welche
einem mobilen Truppenteil oder der Besatzung
eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges ange-
hören, unzulässig (3. P.O. 8§ 752, 790, 850,
904, 905, 912, 933; Reichsgesetz vom 22. Mai
1893, Art. 18).
IV. Staatsrecht. 1) Für die zum aktiven
Heere und zur aktiven Marine gehörigen Militär-
personen mit Ausnahme der Militärbeamten ruht
die Berechtigung zum Wählen sowohl in
Betreff der Reichsvertretung als in Betreff der
einzelnen Landesvertretungen (Wahlgesetz für den
Reichstag vom 31. Mai 1869, 5 2; Reichsmilitär-
gesetz 8 49, Abs. 1). — 2) Die Teilnahme an
politischen Vereinen und Versamm-
lungen ist den zum aktiven Heer und zur aktiven
Marine gehörigen Militärpersonen untersagt
(Reichsmilitärgesetz § 49, Abs. 2). Auf Offiziere
des Beurlaubtenstandes erstreckt sich diese Vorschrift
nicht; sie ist aber gleichwohl in der Kulturkampf-
zeit auch auf diese angewendet worden (vgl. Reichs-
tagsverhandlungen vom 19. Jan.1875). —3) Die
Preßfreiheit hat für die im aktiven Dienst
stehenden Offiziere und Beamten des Heeres und
die zur Disposition gestellten Offiziere durch die
Kabinettsorder vom 23. Jan. 1897, deren Be-
stimmungen über die Wahrung des Dienstgeheim-
nisses weit hinausgehen, eine Einschränkung er-
fahren. Danach sind namentlich Berichte und
Arbeiten über Kriegsereignisse, welche bereits vom
Generalstab bearbeitet sind, vor ihrer Veröffent-
lichung dem Chef des Generalstabs der Armee
vorzulegen, welcher „im Interesse der Unparteilich=
keit“ die Veröffentlichung untersagen oder Richtig-