Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1167 
Kriegsfahrzeugen der kaiserlichen Marine befinden 
(Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875, 871;kaiserliche 
Verordnungen vom 7. Nov. 1875, 20. Jan. 1879 
und 20. Febr. 1906). — 3) Im Felde sind beie 
den der Mil. St.G.O. unterstehenden Personen 
für die gerichtliche Beurkundung eines Rechts- 
geschäfts, für die gerichtliche Beglaubigung eines 
Handzeichnens, für die öffentliche Beglaubigung 
einer Unterschrift, für die Aufnahme einer Urkunde 
über die Anerkennung der Vaterschaft und über 
sonstige Tatsachen, sowie für die Entgegennahme 
von Versicherungen an Eides Statt auch die 
Kriegsgerichtsräte und Oberkriegs- 
gerichtsräte zuständig. Im Felde liegt beim 
Heer nach dem Tode einer der Mil. St. G.O. unter- 
stehenden Person die vorläufige Sicherung des 
Nachlasses dem zunächst vorgesetzten Offizier oder 
Beamten ob (Reichsgesetz vom 28. Mai 1901). 
III. Der streitigen Gerichtsbarkeit der 
bürgerlichen Gerichte unterstehen die Militär= 
personen in allen bürgerlichen Rechtsangelegen- 
heiten, in Strassachen dagegen nur ausnahms- 
weise. Prozessualische Sonderbestimmungen für 
Militärpersonen sind folgende: 1) Militärpersonen, 
welche nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen 
oder selbständig einen Wohnsitz nicht begründen 
können, haben den Gerichtsstand wegen ver- 
mögensrechtlicher Ansprüche bei dem Gericht des 
Garnisonortes (3.P.O. 8 20). Für Militär- 
personen, deren Truppenteil sich im Auslande 
aufhält und im Inlande einen Garnisonort weder 
hat noch gehabt hat, was z. B. bei dem ostasia- 
tischen Expeditionskorps zutrifft, kann für An- 
gelegenheiten der streitigen Gerichtsbarkeit ein im 
Inland belegener Ort als Garnisonort durch 
kaiserliche Verordnung bestimmt werden (Reichs- 
gesetz vom 28. Mai 1901, 8 8). — 2) Zustel- 
lungen für einen Unteroffizier oder Gemeinen 
des aktiven Heeres oder der aktiven Marine er- 
folgen an den Chef der zunächst vorgesetzten Kom- 
mandobehörde (Chef der Kompagnie, Eskadron, 
Batterie). Zustellungen an Personen, welche zu 
einem im Ausland befindlichen oder zu einem 
mobilen Truppenteil oder zur Besatzung eines in 
Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges gehören, können 
mittels Ersuchens der vorgesetzten Kommandobe- 
hörde erfolgen (3.P.O. 8§ 172, 201; St. P.O. 
§* 37). — 3) Ladungen einer dem aktiven Heere 
oder der aktiven Marine angehörenden Person des 
Soldatenstandes als Zeuge oder Sachverstän- 
diger erfolgen durch Ersuchen der Militärbehörde. 
Die Festsetzung und die Vollstreckung der wegen 
Nichterscheinens oder wegen Verweigerung des 
Zeugnisses oder der Eidesleistung verwirkten Strafe 
erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht, die 
Vorführung durch Ersuchen der Militärbehörde 
(3. P. O. gg 378, 380, 402, 409; St. P.O. 
§8§ 48, 50, 69, 72, 77). — 4) Beschlagnah- 
men und Durchsuchungen in militärischen 
Dienstgebäuden, zu welchen auch Kriegsfahrzeuge 
gehören, erfolgen durch Ersuchen der Militärbe- 
  
Militärwesen des Deutschen Reichs. 
  
1168 
hörde und auf Verlangen der Zivilbehörde (Rich- 
ter, Staatsanwaltschaft) unter deren Mitwirkung. 
Des Ersuchens der Militärbehörde bedarf es jedoch 
nicht, wenn die Beschlagnahme oder Durchsuchung 
in Räumen vorzunehmen ist, welche in militäri- 
schen Dienstgebäuden ausschließlich von Zivil- 
personen bewohnt werden (St. P.O. 8§ 98, 105). 
— 5) Befindet sich eine Partei zu Kriegszeiten 
im Militärdienst, so kann das Prozeßgericht von 
Amts wegen die Aussetzung des Verfahrens 
bis zur Beseitigung des Hindernisses anordnen 
(3.P.O. 8 247). — 6) Gegen eine dem aktiven 
Heere oder der aktiven Marine angehörende Mi- 
litärperson darf die Zwangsvollstreckung 
erst beginnen, nachdem von derselben die vorgesetzte 
Militärbehörde Anzeige erhalten hat. Soll die 
Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere 
oder der aktiven Marine angehörenden Person des 
Soldatenstandes in militärischen Dienstgebäuden 
oder auf Kriegsfahrzeugen erfolgen, so hat auf 
Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht 
die zuständige Militärbehörde um die Zwangs- 
vollstreckung zu ersuchen. Gewisse Dienstbezüge und 
Besitzstücke der Militärpersonen sind der Pfändung 
nicht unterworfen. Die Vollziehung der Haft zur 
Erzwingung der Ableistung des Offenbarungs- 
eides und zum Vollzug des persönlichen Sicher- 
heitsarrestes ist gegen Militärpersonen, welche 
einem mobilen Truppenteil oder der Besatzung 
eines in Dienst gestellten Kriegsfahrzeuges ange- 
hören, unzulässig (3. P.O. 8§ 752, 790, 850, 
904, 905, 912, 933; Reichsgesetz vom 22. Mai 
1893, Art. 18). 
IV. Staatsrecht. 1) Für die zum aktiven 
Heere und zur aktiven Marine gehörigen Militär- 
personen mit Ausnahme der Militärbeamten ruht 
die Berechtigung zum Wählen sowohl in 
Betreff der Reichsvertretung als in Betreff der 
einzelnen Landesvertretungen (Wahlgesetz für den 
Reichstag vom 31. Mai 1869, 5 2; Reichsmilitär- 
gesetz 8 49, Abs. 1). — 2) Die Teilnahme an 
politischen Vereinen und Versamm- 
lungen ist den zum aktiven Heer und zur aktiven 
Marine gehörigen Militärpersonen untersagt 
(Reichsmilitärgesetz § 49, Abs. 2). Auf Offiziere 
des Beurlaubtenstandes erstreckt sich diese Vorschrift 
nicht; sie ist aber gleichwohl in der Kulturkampf- 
zeit auch auf diese angewendet worden (vgl. Reichs- 
tagsverhandlungen vom 19. Jan.1875). —3) Die 
Preßfreiheit hat für die im aktiven Dienst 
stehenden Offiziere und Beamten des Heeres und 
die zur Disposition gestellten Offiziere durch die 
Kabinettsorder vom 23. Jan. 1897, deren Be- 
stimmungen über die Wahrung des Dienstgeheim- 
nisses weit hinausgehen, eine Einschränkung er- 
fahren. Danach sind namentlich Berichte und 
Arbeiten über Kriegsereignisse, welche bereits vom 
Generalstab bearbeitet sind, vor ihrer Veröffent- 
lichung dem Chef des Generalstabs der Armee 
vorzulegen, welcher „im Interesse der Unparteilich= 
keit“ die Veröffentlichung untersagen oder Richtig-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.