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von der Tenne zeigt, auf welcher die Spreu mit dem
Weizen bis zur Zeit der Sonderung vereinigt ist,
und wie das Gleichnis vom Acker erkennen läßt,
auf welchem Unkraut und Weizen wächst (Catech.
Rom. I, c. 10, 8). Als irdische Gemeinschaft konnte
die Kirche nicht der irdischen Mittel und rechtlichen
Formen entbehren. Auf die Person Petri hatte
Christus die Kirche gegründet: es bedurfte einer
persönlichen Autorität, welche wie ein Fundament
das Ganze trägt und zusammenhält. Und je mehr
die Zahl der Gläubigen wuchs, desto notwendiger
wurde die rechtliche Ordnung, die Organisation
des Kultus, der Disziplin, der Vermögensverwal-
tung, der Amter, die Aufstellung eines sanktio-
nierten Glaubensbekenntnisses. Nur daß Buch-
stabe und Gesetz den Geist nicht ertöten durften;.
die hierarchische und rechtliche Ordnung sind nur
Mittel zum Zweck, das Reich der Gnade und
Tugend in der Welt und in den Seelen herzu-
stellen.
In den apostolischen Briefen tritt die
eschatologische Bedeutung des „Reiches Gottes“
in den Vordergrund. Allein die Verfasser kennen
auch ein geistlich-sittliches Reich auf Erden zur
Vorbereitung auf den Himmel, welches bereits
einen Vorgeschmack der Seligkeit bietet. Je mehr
der eschatologische Charakter des „Reiches Gottes“
betont wird, an dem die Unreinen und Sünder
Kirche.
keinen Anteil haben sollten, desto mehr hat sich
das Wort „Kirche“ für das diesseitige Reich ein--
gebürgert (Jak. 5, 14. 3 Joh. 9. 10; in der
Apostelgeschichte und bei Paulus oft). Die pau-
linischen Bilder, welche die Kirche als einen leben-
digen, auf Christus als Eckstein erbauten Tempel,
als einen Leib, dessen Haupt Christus, als ehe-
liche Verbindung zwischen Christus und--seiner
Gemeinde darstellen, zeigen die Kirche als einen
wohlgefügten Organismus, in welchem ein mensch-
liches und ein göttliches Element erkennbar ist.
Die Apostelgeschichte gebraucht das Wort „Kirche“
für die Einzelkirchen wie für die Gesamtkirche
(5, 11), die Gesamtheit der Gläubigen (8, 1. 3),
die Kirche zu Jerusalem als die Mutterkirche
(11, 22; 12, 1; 15, 22; 16, 5), die Kirchen
zu Antiochien, Syrien, Kilikien als die Tochter-
kirchen. In der Abhaltung des Apostelkonzils zu
Jerusalem, in der Bestellung der Sieben zum
Armendienste, in der Berufung des Saulus und
Barnabas zeigt sich unverkennbar eine rechtliche
Organisation. Stellen wie Apg. 13, 1—3; 15,
25—28; 20, 28, wo von der Bestellung kirch-
licher Organe und von der Einsetzung von
Bischöfen die Rede ist, welche „die Kirche Gottes
regieren“ sollen, widerlegen die Behauptung,
daß die Kirche von Anfang an nur charisma-
tische Organisation gehabt habe. Es bedurfte
nicht erst eines „Abfalles“, einer „Trübung und
Verkehrung“ des ursprünglichen Christentums oder
einer „Umbildung des Kirchenbegriffs“, um die
„katholische“ Kirche entstehen zu lassen. Der
„hierarchische“ Kirchenbegriff begegnet uns schon
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bei Klemens von Rom und Ignatius von Anti-
ochien. Die beherrschende Idee des ersten Klemens-
briefes ist die Notwendigkeit des Gehorsams gegen
die kirchlichen Vorgesetzten. Kraft seines Amtes
als Bischof von Rom hält sich Klemens für be-
rechtigt und verpflichtet, die Angelegenheiten der
Christengemeinde zu Korinth in Ordnung zu brin-
gen. Ignatius betont die Notwendigkeit der Ver-
bindung mit dem Bischof, der die Stelle Gottes
vertrete. „Alle sollen die Diakonen ehren wie
Jesum Christum, ebenso den Bischof, welcher das
Abbild des Vaters ist, die Priester aber wie den
Senat Gottes und wie das Kollegium der Apostel.
Ohne diese ist von einer Kirche keine Rede“ (Trall.
3, 1). Die Bischöfe sind sichtbar zusammenge-
halten durch den römischen Bischof, unsichtbar
durch den Heiligen Geist und die Gnade Christi.
Die römische Kirche nennt Ignatius die npo-
u##### se alng. Klemens und Ignatius
sind zugleich die wichtigsten Zeugen für den Pri-
mat des römischen Bischofs und für den mon-
archischen Episkopat um die Wende des 1. und
2. Jahrhunderts. Bei Tertullian tritt uns die
Anstaltskirche mit einer militärisch-straffen Diszi-
plin entgegen (K. Adam, Der Kirchenbegriff Ter-
tullians (1907) 48); die Hierarchie ist „das feste
Knochengerüst, welches den Leib der Kirche hält
und trägt“. Cyprian von Karthago lehrt: Es
gibt nureine auf Petrus gegründete Kirche: super
unum aedificat ecclesiam, et quamvis apo-
stolis omnibus post resurrectionem Mam
parem potestatem tribuat. tamen ut uni-
tatem manifestaret, unitatis eiusdem ori-
ginem ab uno incipientem sua auctoritate
disposuit (De cath. eccl. unitate cap. 4, Ausg.
Hartel I 212). Außer dieser Kirche gibt es kein
Heil. „Derjenige kann Gott nicht zum Vater
haben, welcher die Kirche nicht zur Mutter haben
will“ (cap. 6, Hartel I 214). Nach Ep. 33, 1
(Hartel II 566) gehört es zum Wesen der Kirche,
daß sie super episcopos constituatur et om-
nis actus ecclesiae per eosdem praepositos.
Ssubernetur.. ecclesia in episcopo et clero
et in omnibus stantibus sit constituta (B.
Poschmann, Die Sichtbarkeit der Kirche nach der
Lehre des hl. Cyprian /1907.). Bei Augustinus
erscheint die sichtbare Kirche als „Reich Gottes“,
als civitas Dei im Gegensatz zur civitas ter-
rena, dem aus Sünde und Ehrgeiz entstandenen,
auf das Irdische gerichteten Weltstaat; sie ist der
vom Heiligen Geist beseelte Leib Christi (cor-
pus Christi, multitudo fidelium, universitas
christianorum, aber auch communio sancto-
rum, numerus electorum). Durch seine Schrift
De civitate Dei hat Augustinus den Grund gelegt
für die mittelalterliche Idee der ecclesia uni-
Versalis, der respublica christiana, in welcher
Geistliches und Weltliches wie Seele und Leib in
demselben Körper zusammengeschlossen sind, ein-
ander dienend und ergänzend. Die Seele der
ecclesia universalis ist das Sazerdotium. Dar-