1201
Auf die Befestigung der einmal getroffenen
Staatseinrichtungen aber, auf die Befestigung der
monarchischen Verfassung also in dem hier zur
Erörterung, stehenden Falle wirken Gewohnheit
und Herkommen ein und lassen aus dem, was aus
Bedürfnissen und besondern Verhältnissen oder
Vorgängen entsprang, eine Rechtsinstitution wer-
den, die mit jeder Generation an Festigkeit gewinnt.
Wie sich Normen des Verkehrs der einzelnen
untereinander gewohnheitsmäßig dadurch bilden,
daß eine bestimmte Reglung gewisser Fälle von
Gütererwerb oder Güternutzung oder Arbeitsver-
hältnis dem Rechtsbewußtsein der Beteiligten besser
entsprach als andere ebenso mögliche Reglungen,
die so zustande gekommene aber den Willen auch
der Widerstrebenden bindet, ebenso gewinnt, was
im Staatswesen in Ubung ist, sofern es nur über-
haupt innerhalb des Rahmens des rechtlich Zu-
lässigen fällt, positiv-rechtlichen Charakter
daraus allein, daß es besteht, auch wenn das Be-
dürfnis vergessen ist, woraus es ursprünglich
hervorging, und die in einer früheren Zeit herr-
schenden Anschauungen über das, was im Staats-
leben das Gerechte, weil allen am meisten From-
mende ist, nicht mehr in gleicher Stärke lebendig
sind. Die gewohnheitsrechtlichen Normen auf dem
privatrechtlichen Gebiete gewinnen ihre bindende
Kraft aus der Überzeugung, daß gleichmäßige
Beurteilung gleicher Fälle eine Forderung der Ge-
rechtigkeit ist und darum da, wo eine verschieden-
artige Beurteilung an sich möglich wäre, diejenige
die richtige ist, welche die herkömmliche ist. Die
staatsrechtlichen Normen aber entnehmen die ihre
den nicht minder einleuchtenden Wahrheiten, daß
ein Gemeinwesen nur bestehen kann, wenn sich ein
jeder der bestehenden Ordnung fügt, sofern dieselbe
mit dem Rechte überhaupt verträglich ist, und daß
Stetigkeit in den staatsrechtlichen Institutionen zu
den Grundbedingungen der gemeinen Wohlfahrt
gehört, gewaltsame Erschütterungen (Revolutionen)
dagegen in allen Fällen die gemeine Wohlfahrt
und das staatliche Leben überhaupt mit den größten
Gefahren bedrohen.
In einem monarchischen Staate beruht sonach
das Recht des Staatsoberhauptes in Ausübung
der Herrschergewalt auf einem doppelten Funda-
mente: dem naturrechtlichen, wodurch demjenigen,
welcher tatsächlich diese Funktion zur Erfüllung
des Staatszweckes ausübt, der Anspruch auf den
Gehorsam der übrigen gesichert wird, und dem
positiv-rechtlichen, welches nach Maßgabe der be-
stehenden Verfassung einer bestimmten Persönlich-
keit die höchste Stelle und damit die regelmäßige
Ausübung dieser Funktion zugewiesen hat. Auf
Grund des Naturrechts muß den Befehlen des
jeweiligen Staatsoberhauptes gehorcht werden,
weil die Mißachtung derselben zur Auflösung des
staatlichen Lebens führen würde; die verpflichtende
Kraft stammt unmittelbar aus dem Staats-
zwecke. Das positive monarchische Staats-
recht verlangt Gehorsam, weil es der König ist,
Monarchie.
1202
der befiehlt. Hierin liegt eine Steigerung; denn
den Befehlen des Königs muß nicht nur da Folge
geleistet werden, wo ihr Inhalt in deutlich er-
kennbarem, notwendigem Zusammenhange mit der
Aufrechterhaltung des Staates selbst steht, son-
dern jederzeit und überall, sofern sich ihr Inhalt
innerhalb der Schranken des sittlich und rechtlich
Zulässigen bewegt.
Die vorstehende Erörterung wird den einen
überflüssig, den andern ungenügend erscheinen.
Die Juristen pflegen es als ausreichend zu er-
achten, wenn sie den Bestand der Monarchie auf
das geschriebene Recht der Gesetzbücher und Ver-
fassungsurkunden oder aüch auf geschichtliche Prä-
zedenzfälle gründen. Manche Anhänger des legi-
timen Königtums werden vielleicht der Ansicht
sein, daß Vernunftgründe wie die vorgetragenen
weder den vollen Glanz der königlichen Würde
noch das für dieselbe unentbehrliche Gefühl an-
hänglicher Unterwerfung seitens der Untertanen
zu erklären vermögen. Den einen ist zu erwidern,
daß Gesetz und Brief niemals ein an sich Un-
vernünftiges zu wirklichem, die Gewissen binden-
dem Recht machen könnten, daß daher, gegen-
teiligen Anzweiflungen zum Trotz, die rechtliche
Grundlage der Monarchie auch vor der Vernunft
zu erhärten ist. Nach der andern Seite muß un-
umwunden zugestanden werden, daß tatsächlich
die Stärke der Monarchie noch von andern Mo-
menten abhängig ist, welche am besten im Zu-
sammenhange mit ihren Vorzügen oder ihrer poli-
tischen Bedeuung gewürdigt werden.
4. Vorzüge. Den Staatslehrern des klassi-
schen Altertums fehlte das Verständnis für die
monarchische Institution; sie dachten bei der Be-
urteilung der monarchischen Staatsform aus-
schließlich an die Persönlichkeit des Monarchen.
Aristoteles (s. d. Art.) will das Königtum nur da
als eine angemessene Verfassung gelten lassen, wo
ein einzelner alle übrigen so weit überragt wie ein
Gott die Menschen, ein Fall, an dessen mögliche
Verwirklichung er nicht denkt, auch nicht unter Be-
zugnahme auf seinen großen Schüler Alexander.
Dies erklärt sich aus dem Umstande, daß die theo-
retische Erörterung der öffentlichen Verhältnisse
ihren Ausgang von den kleinen griechischen Stadt-
staaten nahm, wo das Königtum einer längst über-
wundenen Periode patriarchalischer und heroischer
Urzeit angehörte und die enge Begrenzung der
Schaubühne nicht nur die Möglichkeit, sondern
auch den direkten Antrieb mit sich brachte, alle,
welche handelnd daselbst auftraten, auf ihre Fähig-
keiten und Leistungen zu prüfen. Anders dagegen,
wo ein über weite Länderstrecken sich ausdehnen-
des Volk die Grundlage des Staates bildet. Je
größer der Staat ist, je ferner somit der Fürst
den einzelnen Mitgliedern steht, desto weniger
können seine schlechten Eigenschaften den einzelnen
schaden, desto weniger ist seine Person der allge-
meinen Kritik ausgesetzt, desto leichter läßt sie sich
mit Würde und Hoheit umgeben. Auf die Hilfs-