Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Auf die Befestigung der einmal getroffenen 
Staatseinrichtungen aber, auf die Befestigung der 
monarchischen Verfassung also in dem hier zur 
Erörterung, stehenden Falle wirken Gewohnheit 
und Herkommen ein und lassen aus dem, was aus 
Bedürfnissen und besondern Verhältnissen oder 
Vorgängen entsprang, eine Rechtsinstitution wer- 
den, die mit jeder Generation an Festigkeit gewinnt. 
Wie sich Normen des Verkehrs der einzelnen 
untereinander gewohnheitsmäßig dadurch bilden, 
daß eine bestimmte Reglung gewisser Fälle von 
Gütererwerb oder Güternutzung oder Arbeitsver- 
hältnis dem Rechtsbewußtsein der Beteiligten besser 
entsprach als andere ebenso mögliche Reglungen, 
die so zustande gekommene aber den Willen auch 
der Widerstrebenden bindet, ebenso gewinnt, was 
im Staatswesen in Ubung ist, sofern es nur über- 
haupt innerhalb des Rahmens des rechtlich Zu- 
lässigen fällt, positiv-rechtlichen Charakter 
daraus allein, daß es besteht, auch wenn das Be- 
dürfnis vergessen ist, woraus es ursprünglich 
hervorging, und die in einer früheren Zeit herr- 
schenden Anschauungen über das, was im Staats- 
leben das Gerechte, weil allen am meisten From- 
mende ist, nicht mehr in gleicher Stärke lebendig 
sind. Die gewohnheitsrechtlichen Normen auf dem 
privatrechtlichen Gebiete gewinnen ihre bindende 
Kraft aus der Überzeugung, daß gleichmäßige 
Beurteilung gleicher Fälle eine Forderung der Ge- 
rechtigkeit ist und darum da, wo eine verschieden- 
artige Beurteilung an sich möglich wäre, diejenige 
die richtige ist, welche die herkömmliche ist. Die 
staatsrechtlichen Normen aber entnehmen die ihre 
den nicht minder einleuchtenden Wahrheiten, daß 
ein Gemeinwesen nur bestehen kann, wenn sich ein 
jeder der bestehenden Ordnung fügt, sofern dieselbe 
mit dem Rechte überhaupt verträglich ist, und daß 
Stetigkeit in den staatsrechtlichen Institutionen zu 
den Grundbedingungen der gemeinen Wohlfahrt 
gehört, gewaltsame Erschütterungen (Revolutionen) 
dagegen in allen Fällen die gemeine Wohlfahrt 
und das staatliche Leben überhaupt mit den größten 
Gefahren bedrohen. 
In einem monarchischen Staate beruht sonach 
das Recht des Staatsoberhauptes in Ausübung 
der Herrschergewalt auf einem doppelten Funda- 
mente: dem naturrechtlichen, wodurch demjenigen, 
welcher tatsächlich diese Funktion zur Erfüllung 
des Staatszweckes ausübt, der Anspruch auf den 
Gehorsam der übrigen gesichert wird, und dem 
positiv-rechtlichen, welches nach Maßgabe der be- 
stehenden Verfassung einer bestimmten Persönlich- 
keit die höchste Stelle und damit die regelmäßige 
Ausübung dieser Funktion zugewiesen hat. Auf 
Grund des Naturrechts muß den Befehlen des 
jeweiligen Staatsoberhauptes gehorcht werden, 
weil die Mißachtung derselben zur Auflösung des 
staatlichen Lebens führen würde; die verpflichtende 
Kraft stammt unmittelbar aus dem Staats- 
zwecke. Das positive monarchische Staats- 
recht verlangt Gehorsam, weil es der König ist, 
Monarchie. 
  
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der befiehlt. Hierin liegt eine Steigerung; denn 
den Befehlen des Königs muß nicht nur da Folge 
geleistet werden, wo ihr Inhalt in deutlich er- 
kennbarem, notwendigem Zusammenhange mit der 
Aufrechterhaltung des Staates selbst steht, son- 
dern jederzeit und überall, sofern sich ihr Inhalt 
innerhalb der Schranken des sittlich und rechtlich 
Zulässigen bewegt. 
Die vorstehende Erörterung wird den einen 
überflüssig, den andern ungenügend erscheinen. 
Die Juristen pflegen es als ausreichend zu er- 
achten, wenn sie den Bestand der Monarchie auf 
das geschriebene Recht der Gesetzbücher und Ver- 
fassungsurkunden oder aüch auf geschichtliche Prä- 
zedenzfälle gründen. Manche Anhänger des legi- 
timen Königtums werden vielleicht der Ansicht 
sein, daß Vernunftgründe wie die vorgetragenen 
weder den vollen Glanz der königlichen Würde 
noch das für dieselbe unentbehrliche Gefühl an- 
hänglicher Unterwerfung seitens der Untertanen 
zu erklären vermögen. Den einen ist zu erwidern, 
daß Gesetz und Brief niemals ein an sich Un- 
vernünftiges zu wirklichem, die Gewissen binden- 
dem Recht machen könnten, daß daher, gegen- 
teiligen Anzweiflungen zum Trotz, die rechtliche 
Grundlage der Monarchie auch vor der Vernunft 
zu erhärten ist. Nach der andern Seite muß un- 
umwunden zugestanden werden, daß tatsächlich 
die Stärke der Monarchie noch von andern Mo- 
menten abhängig ist, welche am besten im Zu- 
sammenhange mit ihren Vorzügen oder ihrer poli- 
tischen Bedeuung gewürdigt werden. 
4. Vorzüge. Den Staatslehrern des klassi- 
schen Altertums fehlte das Verständnis für die 
monarchische Institution; sie dachten bei der Be- 
urteilung der monarchischen Staatsform aus- 
schließlich an die Persönlichkeit des Monarchen. 
Aristoteles (s. d. Art.) will das Königtum nur da 
als eine angemessene Verfassung gelten lassen, wo 
ein einzelner alle übrigen so weit überragt wie ein 
Gott die Menschen, ein Fall, an dessen mögliche 
Verwirklichung er nicht denkt, auch nicht unter Be- 
zugnahme auf seinen großen Schüler Alexander. 
Dies erklärt sich aus dem Umstande, daß die theo- 
retische Erörterung der öffentlichen Verhältnisse 
ihren Ausgang von den kleinen griechischen Stadt- 
staaten nahm, wo das Königtum einer längst über- 
wundenen Periode patriarchalischer und heroischer 
Urzeit angehörte und die enge Begrenzung der 
Schaubühne nicht nur die Möglichkeit, sondern 
auch den direkten Antrieb mit sich brachte, alle, 
welche handelnd daselbst auftraten, auf ihre Fähig- 
keiten und Leistungen zu prüfen. Anders dagegen, 
wo ein über weite Länderstrecken sich ausdehnen- 
des Volk die Grundlage des Staates bildet. Je 
größer der Staat ist, je ferner somit der Fürst 
den einzelnen Mitgliedern steht, desto weniger 
können seine schlechten Eigenschaften den einzelnen 
schaden, desto weniger ist seine Person der allge- 
meinen Kritik ausgesetzt, desto leichter läßt sie sich 
mit Würde und Hoheit umgeben. Auf die Hilfs-
	        
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