Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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sich auf alle Menschen, denn alle sollen für 
Christus und den Himmel gewonnen werden 
(Matth. 28, 19). Darauf beruht die Pflicht der 
Mission, welche von der Kirche stets in umfang- 
reichem Maße betrieben worden ist. Daraus folgt 
die Indefektibilität (Unvergänglichkeit) der 
Kirche, denn sie ist universell nach Zeit und Raum 
und muß für alle Menschen und Zeiten als die 
von Christus gestiftete sichtbare Kirche ihrem Wesen 
nach, als Verkünderin der geoffenbarten Lehre und 
Verwalterin der anvertrauten Gnadenmittel bis 
zur Wiederkunft Christi fortbestehen. Es ist kein 
anderer Name den Menschen unter dem Himmel 
gegeben, durch welchen sie selig werden können, 
außer dem Namen Jesu (Apg. 4, 12). Das Wort 
der Versöhnung ist aber den Aposteln übertragen. 
We sie nicht hört, der hört Christus nicht; wer 
die Kirche nicht hört, ist wie ein Heide und öffent- 
licher Sünder. Die Kirche bleibt bei dem, was 
Christus geoffenbart hat. Sie erhält keine neue 
Offenbarung, aber sie erfreut sich des Beistandes 
des Heiligen Geistes. Dadurch ist sie gegen den 
Verlust der Wahrheit geschützt und zur Erklärung 
derselben befähigt; aber kein Kulturfortschritt kann 
eine wesentliche Anderung bewirken oder einen 
Ersatz bieten (Decr. Lamentabili prop. 57/60 
und 63). Die Kirche ist unfehlbar. Daß 
Christus den Aposteln den Geist der Wahrheit 
verheißen und gesandt hat, ist in der Heiligen 
Schrift unzweideutig ausgesprochen (Joh. 14, 16. 
26; 15, 26. Luk. 24, 49. Apg. Kap. 2). Daß aber 
Christus durch seinen Geist bei ihnen bleiben werde 
bis an das Ende der Welt, hat er in der feier- 
lichen Abschiedsstunde verheißen (Matth. 28, 20). 
Die Apostel waren sich dieses Beistandes bewußt 
und forderten Gehorsam für ihre Predigt und ihre 
Anordnungen (Apg. 5, 4; 15, 28. 1 Kor. 7, 40. 
2 Kor. 2, 17; 12, 9; 13, 3. Gal. 1, 6 ff). Der 
Geist konnte aber mit ihrem Ableben nicht von 
der christlichen Kirche weichen. Es muß eine un- 
fehlbare, unvergängliche Autorität geben. Sie 
kann weder, wie die mittelalterlichen Sekten, die 
Reformatoren, Jansen u. a. behaupteten, von 
ihrem ursprünglichen Wesen und ihrer Bestimmung 
abgefallen sein oder abfallen, noch, wie die Monta- 
nisten, Anabaptisten, Quäker, Irwingianer u. a. 
wollten, einer andern, höheren Autorität, einer 
Kirche des Heiligen Geistes Platz machen. Weder 
Gewalt noch List, weder Irrtum noch Sünde 
können die auf den Felsen Petrus gebaute Kirche 
besiegen. „Die Pforten der Hölle werden sie nicht 
überwältigen.“ Die Kirche ist auf dem Funda- 
ment der Apostel und Propheten aufgebaut, eine 
Säule und Grundfeste der Wahrheit. Ubi eccle- 
sia, ibi et Spiritus Dei, et ubi Spiritus Dei, 
illic ecclesia et omnis gratia. Spiritus autem 
veritas (Irenäus, Adv. haer. 3, 24, 1). Da der 
Geist der Wahrheit auch der Geist der Liebe ist, 
so ist er nur in der Gemeinschaft der apostolischen 
Kirchen, der katholischen Kirche. Ihr, die im Papst 
zu Rom als dem Nachfolger Petri ihren Einheits- 
Kirche. 
  
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punkt hat, kommt die Unfehlbarkeit zu, die sich 
entweder in den allgemeinen Konzilien mit dem 
Papst oder in den Kathedralentscheidungen des 
Papstes auf Grund von Schrift und Tradition 
ausspricht (Vatic. sess. IV, c. 4). Sie erstreckt 
sich auf alles, was zum Glauben und zu den Sitten 
gehört (Trid. sess. IV; VI, c. 16; XIII, 
Prooem. Vatic. a. a. O.). Wie weit die con- 
lusiones theologicae und die facta dogmatica 
zu diesem Gebiete gehören, ist dem Urteile der 
Kirche unterstellt. Die Kanonisation wird all- 
gemein hierzu gerechnet. Bei der Approbation der 
Orden und den Disziplinarvorschriften ist die Fol- 
gerung wenigstens nicht unwidersprochen. 
Ist die Kirche die einzige Vermittlerin des 
Werkes Christi, so ist im gewöhnlichen Gang des 
Heils, die Erlangung der Seligkeit an die Zuge- 
hörigkeit zu derselben gebunden. Die Kirche ist 
alleinseligmachend. Die Apostel und Bäter 
warnen vor der Trennung von der Gemeinschaft 
mit Christus in der Kirche. „Einen häretischen 
Menschen meide nach einer Zurechtweisung, wis- 
send, daß ein solcher verkehrt ist und von sich selbst 
verurteilt“ (Tit. 3, 10. 11). Es gibt nur einen 
Schafstall, eine Türe, einen Hirten. „Diese (die 
Kirche) ist der Eingang zum Leben; alle andern 
sind Diebe und Räuber“ (Irenäus a. a. O. 3, 4, 1). 
Die Arche Noe gilt als Typus für die Kirche 
(vgl. 1 Petr. 3, 20 f). Extra ecclesiam nulla 
salus, hat der hl. Cyprian zum Schibboleth der 
katholischen Kirche im Ketzertaufstreit erhoben und 
der hl. Augustinus nachdrücklich gegen die Dona- 
tisten verteidigt. Ebenso lehrt das pseudo-athana- 
sianische Glaubensbekenntnis: „Wer immer selig 
werden will, der muß vor allem den katholischen 
Glauben festhalten. Wer diesen nicht ganz und 
unversehrt bewahrt, der wird ohne Zweifel in 
Ewigkeit verloren gehen.“ Dasselbe bestimmt das 
Glaubensbekenntnis der Lateransynode 1215, das 
von Innozenz III. den Waldensern vorgeschrie- 
bene Glaubensbekenntnis Eugen IV., das Triden= 
tinum (sess. V, prooem.; XIII, prooem.; XIV, 
De extr. unct. c. 3; XXV, De delectu cib.), 
Pius IV. im tridentinischen Glaubensbekenntnis, 
Pius IX. (Syllab. 15—18). Von Anfang an 
wurde aber zwischen den hartnäckig Widerstreben- 
den und den schuldlos Irrenden unterschieden. 
Jene müssen dem Urteil des Herrn verfallen, weil 
sie die Kirche nicht hören wollen, diese dürfen 
aber bei redlichem Streben auf die Barmherzig- 
keit Gottes hoffen, welcher will, daß alle Menschen 
selig werden (1 Tim. 2, 4). Die dogmatische 
Intoleranz ist ein notwendiger Ausfluß der 
Lehre von der Unfehlbarkeit der Kirche. Selbst 
die Sekten haben dieselbe für sich in Anspruch 
genommen. Die symbolischen Schriften der Pro- 
testanten verurteilen in gleicher Weise alle Anders- 
gläubigen und besonders die Katholiken. Die 
praktische Toleranz ist damit verträglich, 
wenn das Grundgebot des Evangeliums, die 
Liebe zu Gott und den Nächsten, nicht vergessen
	        
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