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sich in den Kirchengeschichten von Jager, Rohr-
bacher, Darras u. a. Weinand.]
Moral s. Ordnung sittliche.
Morganatische Ehe s. Ebenbürtigkeit.
Morus, Thomas s. Staatsromane.
Möser, Justus, geb. den 14. Dez. 1720
zu Osnabrück als Sohn des Kanzleidirektors und
Konsistorialpräsidenten Johann Zacharias Möser,
besuchte in den Jahren 1740/42 die Universitäten
Jena und Göttingen, wurde hierauf Advokat und
verehelichte sich 1746 mit der Tochter des Ge-
heimen Sekretärs des damaligen protestantischen
Bischofs von Osnabrück, Herzogs Ernst August
von York. Im Jahre 1747 erhielt er die Stelle
eines advocatus patriae (Fiskalrat), und bald
darauf wurde er Syndikus der Ritterschaft, deren
Sekretär er schon seit 1742 gewesen war. Als
nach dem Tode des Bischofs und Kurfürsten Kle-
mens August von Bayern 1761 in Gemäßheit
des Westfälischen Friedens das Hochstift Osna-
brück einem protestantischen Prinzen aus dem
Hause Braunschweig-Lüneburg zufiel und der
englische König Georg III. nach verwickelten Ver-
handlungen seinen erst 7 Monate alten Sohn
Friedrich hierzu erwählt hatte, für welchen ver-
tragsgemäß nicht das Domkapitel, sondern der
König regierte, während die Stimme Osnabrücks
auf dem Reichstage 20 Jahre ruhen sollte, wurde
Möser, das Haupt der protestantischen Partei,
dem Prinzen als Geheimer Referendar beigegeben;
wenn auch nicht nach Titel und Rang, so war er
damit doch in der Tat der erste Ratgeber des
Regenten und übte unmittelbaren Einfluß auf die
wichtigsten Regierungsgeschäfte. Freilich mußte
er hierbei oft das entgegengesetzte Interesse beider
Parteien, der Regierung und der Stände, zugleich
vertreten; für diese fertigte er die Beschwerden,
für jene die darauf zu erteilenden Resolutionen.
Beim Regierungsantritt des Fürstbischofs (1788)
erhielt er den Titel „Geheimer Justizrat“. Im
Jahre 1794 überraschte ihn nach kurzer Unpäßlich-
keit ein schmerzloser Tod. In Osnabrück wurde
ihm 1832 ein Denkmal errichtet.
Möser war ein äußerst vielseitiger und frucht-
barer, origineller Volksschriftsteller; seine um-
fassende Tätigkeit als Staatsmann und Advokat
sowie sein auf das Praktische gerichteter Sinn
haben ihn zum Fragmentisten gemacht; seine
historischen Studien, namentlich in der Geschichte
seiner Vaterstadt, schufen ihn zum deutschen Volks-
schriftsteller, zum Vorkämpfer deutschen Wesens,
wobei er freilich nur zu oft das in engen lokalen
Grenzen Gültige verallgemeinerte. Sein Haupt-
werk besteht aus einer Reihe von Aussätzen, welche
seit 1766 in den „Osnabrückischen Intelligenz-
blättern“ erschienen, später unter dem Titel „Pa-
triotische Phantasien“ gedruckt wurden (4 Tle,
Berlin 1774/78, Auswahl bei Reclam). Auch
sein zweites großes Werk, die „Osnabrückische
Geschichte“ (I/IIOsnabrück 1768 u. ö., III 1824)
ist Fragment geblieben. In diesen Schriften zeigt
Moral — Möser.
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sich volles Interesse auch für die Alltäglichkeit des
Lebens, tiefes Verständnis für das Volkstümliche,
echter historischer Sinn, der jedoch oftmals zum
förmlichen Widerspruchsgeist gegen das 18. Jahrh.
wird. Ein hervorstechender Zug ist die Vorliebe,
das pro und contra einer Sache nach Advokaten-
weise zu erörtern, ohne sich fest für eine Meinung
zu entscheiden; viele scheinbare Paradoxa seiner
Schriften erklären sich durch diese Eigentümlich-
keit, welche, nicht selten mit Ironie verbunden, es
ziemlich erschwert, Mösers eigne Ansicht aus
seinen Werken zu entwickeln. Dazu kommt, daß er
in seiner eigenartigen Stellung im osnabrückischen
Gemeinwesen, welches politisch zu den verwickelt-
sten zu zählen war, manchmal zu behutsam und
rücksichtsvoll sich äußerte, um nach keiner Seite
anzustoßen. Er sagt selbst: „Mir war mit der
Ehre, die Wahrheit frei gesagt zu haben, wenig
gedient, wenn ich nicht damit gewonnen hatte;
und da mir die Liebe und das Vertrauen meiner
Mitbürger ebenso wichtig waren als das Recht
und die Wahrheit, so habe ich, um jenes nicht zu
verlieren und dieser nichts zu vergeben, manche
Wendung nehmen müssen, die mir, wenn ich für
ein großes Publikum geschrieben hätte, vielleicht
zu klein geschienen haben würde.“
Hohe Bedeutung haben Mösers Aufsätze für die
Geschichte der Nationalökonomie. Roscher nennt
ihn den größten deutschen Nationalökonomen des
18. Jahrh., der sich von abstraktem Kosmopoli-
tismus und Mammonismus frei zu halten gewußt.
Ein Feind alles Generalisierens und Zentrali-
sierens, weiß er selbst der Leibeigenschaft Lichtseiten
abzugewinnen. Stets tritt er für das natürliche
Recht der historisch gewordenen Gesellschaft der
Staatsallmacht gegenüber ein, kämpft für Auf-
rechthaltung der Standesunterschiede, der Heilig-
keit und des Einflusses der Familie; auch hier ist
er jedem Nivellieren feind. Der Entstehung des
Staates legt auch Möser Sozialverträge zugrunde:
einen zwischen den ursprünglichen Grundbesitzern,
einen zwischen diesen und den später hinzugekom-
menen; den Staat betrachtet er als Aktiengesell-
schaft, den einzelnen Bauernhof als Aktie; die
Grundbesitzer seien die wahren Bestandteile der
Nation. Er haßt allgemeine Gesetzeskodifikationen,
jede Stadt sollte ihre eigne politische Verfassung
haben; ebenso tritt er für Standesgerichte aus
Laien ein. Als Freund korporativen Wesens be-
tont er die Wichtigkeit gesellschaftlicher Selbsthilfe
durch genossenschaftliche Vereinigungen. Die
Schattenseiten hoch entwickelter Arbeitsteilung,
lebenslängliche Unselbständigkeit und Abhängig-
keit, hat Möser wohl erkannt, ebenso deren Ein-
fluß auf die Arbeit in der Familie; hoher Arbeits-
lohn ist ihm ein Zeichen des wirtschaftlichen
Wohlstandes eines Landes; Aussicht auf guten
Erwerb hält er für den besten Antrieb zu Fleiß
und Tätigkeit. Ein Gegner der Bevölkerungs-
politik des 18. Jahrh., welche die Mehrung der
Landeseinwohner als das sicherste Anzeichen