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wachsenden Volkswohlstandes ansieht, verwirft er
die Aufhebung der Unehrlichkeit der unehelich Ge-
bornen, weil hierdurch der stärkste Beweggrund
für die Eingehung der Ehe wegfalle; die Be-
strebungen, die Entvölkerung eines Landes durch
Verbot oder Erschwerung der Auswanderung
eigner Untertanen und Begünstigung der Ein-
wanderung von Fremden zu verhindern, finden
bei Möser abfällige Beurteilung. Unter Aner-
kennung der relativen Berechtigung des Luxus als
Art der Konsumtion eifert er gegen den wirtschaft-
lich und moralisch verderblichen Luxus, der zum
Ruine ganzer Familien führe. Bei der großen
Wichtigkeit des Grundbesitzes für das Wohl des
Staates kann freies Grundeigentum nicht be-
stehen. Erbpachtsystem mit beschränktem Eigen-
tum des Erbpächters am Hofe, Festsetzung der
einzelnen bäuerlichen Lasten und Dienste, Ein-
führung des Minorats bei Vererbung des Gutes,
Reglung des Immobiliarkredites mit Wiederein-
führung des Rentenkaufes sowie der alten Grund-
und Hypothekenbücher, gesetzliche Bestimmungen
gegen die Verschuldung des Bauerngutes über ein
gewisses Maß hinaus, Sorge für geregelte Tilgung
der Schulden sind die Mittel, welche Möser zur
Erhaltung eines seßhaften Bauernstandes in Vor-
schlag bringt.
Der selbstsüchtigen Interessenpolitik der ein-
zelnen deutschen Staaten auf dem Gebiete des
Handels während des 18. Jahrh. gegenüber
betont er den Segen einer kräftigen, einheitlichen,
von merkantilistischen Grundsätzen geleiteten Han-
delspolitik Deutschlands mit Beschränkung der
Einfuhr fremder Waren durch Zölle und Ausfuhr-
prämien zur Hebung inländischer Gewerbezweige;
dabei zieht er eine scharfe Grenze zwischen Kauf-
mann und Krämer; letzterer soll nach den Hand-
werkern rangieren und von höheren Ehrenstellen
ausgeschlossen sein; dem Hausierhandel dagegen
steht Möser nicht so feindlich gegenüber. Anläß-
lich der großen Teuerungsjahre 1772 und 1774
spricht er sich für völlige Handelsfreiheit aus, ver-
wirft insbesondere die Haltung großer staatlicher
Kornmagazine und das Verbot der Getreideaus-
fuhr. Als Hilfsmittel des Handels empfiehlt Möser
die Errichtung einer Zettelbank, welche auf Pfänder
(Linnen und Garn) Darlehen geben soll; dagegen
verhält er sich sehr zurückhaltend gegenüber den
Bestrebungen, durch Bau guter Straßen und
Kanäle den Handel zu fördern. Ein Freund der
Zünfte, verficht Möser die Ehre des Handwerks
gegenüber dem System der Fabriken und macht
eine Reihe von Vorschlägen zur Hebung desselben.
So stellt er in fragmentarischer Gestalt, zerstreut
in seinen Aufsätzen, zwar nicht ein völliges System
der Nationalökonomie auf, aber er erörtert alles,
was in der bürgerlichen und sittlichen Welt vor-
geht, so daß trotz der Zersplitterung ein „wahr-
haftes Ganzes“ erscheint.
In der religiösen Bewegung seines Jahr-
hunderts war er als Vertreter der größtenteils
Müller.
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protestantischen Ritterschaft in einem fast ganz
katholischen Hochstift die Seele der protestantischen
Partei, welche später zur herrschenden wurde; aber
er vermeidet jeden dogmatischen Streit und be-
trachtet in seinen Werken die Religion nur als
sittliche Grundlage des Staates, als „Politik
Gottes unter den Menschen“; Zölibat der Geist-
lichen und weltliche Macht des Papstes in Rom
sind ihm die einzig zuverlässigen Behüter des
Kirchengutes und der Machtstellung der Kirche
gegenüber weltlichem Despotismus; das bestimmte
Glaubensbekenntnis erscheint ihm „als förmliche
Wahrheit, non quia verum, sed quia iudi-
catum“. In der Schulfrage vertritt Möser
die Erziehung für das praktische Leben; ein Haupt-
fehler derselben scheint ihm, daß die Jugend früher
zur Wissenschaftlichkeit als zur Kunst angeführt
werde; gegen die Ausschreitungen der sog. frei-
sinnigen Pädagogik Basedows und anderer hat
er mit vernichtenden Gründen deutschen Gemütes
und deutschen Mutterwitzes gestritten; mit Eifer
bekämpfte er die unfruchtbare Wissenschaft, das
Wissen, welches später im Leben nicht verwertet
werden kann.
Literatur. J. M.8 sämtliche Werke, hrsg.
von Abeken (10 Bde, 1842 ff, 21858); Nicolai,
Leben J. M.s (1797, neue Ausgabe im X. Bd der
Werke); Kreyssig, J. M. (1857); Roscher, Gesch.
der Nationalökonomik in Deutschland (1874) 500 ff
Blanckmeister, J. M., der deutsche Patriot als Apo-
loget des Christentums (1885); Rupprecht, J. M.s
soziale u. volkswirtschaftl. Anschauungen (Preis-
schrift, 1892); O. Hatzig, J. M. als Staatsmann
u. Publizist (1909). IMenzinger.)
Müller, Adam Heinrich, war nächst
Burke, Joseph de Maistre (Sp. 956 ff) und
Karl Ludwig v. Haller (Bd II, Sp. 994 ff) einer
der bedeutsamsten Schriftsteller der sog. Konter-
revolution. Er war geboren am 30. Juni 1779
zu Berlin, studierte dort anfangs Theologie, trat
damals schon in ein enges Freundschaftsbündnis
mit Gentz, widmete sich 1798/1800 dem Studium
der Rechte zu Göttingen, wurde auf kurze Zeit
Referendar an der kurmärkischen Kammer zu Ber-
lin, begab sich nach Schweden, Dänemark und
Polen und nach Wien, wo er am 30. April 1805
zum Katholizismus übertrat; 1806/09 hielt er zu
Dresden Vorlesungen über deutsche Literatur, dra-
matische Poesie und Staatswissenschaften und gab
mit H. v. Kleist den „Phöbus“ heraus. 1809
ging er nach Berlin und 1811 zurück nach Wien,
wo er im Hause des Erzherzogs Maximilian von
Osterreich-Este lebte und gleich Friedrich Schlegel
und Zacharias Werner mit dem Redemptoristen
Klemens Maria Hoffbauer einen sehr innigen
Verkehr unterhielt. 1813 wurde er zum kaiserl.
Landeskommissar und Tiroler Schützenmajor er-
nannt, war als Referent bei der neuen Organi-
sation dieses Landes tätig, folgte 1815 im Haupt-
quartier des Kaisers dem Heer nach Paris, wurde
1817 österreichischer Generalkonsul für Sachsen
in Leipzig, wo er die Zeitschriften „Deutsche