Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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wachsenden Volkswohlstandes ansieht, verwirft er 
die Aufhebung der Unehrlichkeit der unehelich Ge- 
bornen, weil hierdurch der stärkste Beweggrund 
für die Eingehung der Ehe wegfalle; die Be- 
strebungen, die Entvölkerung eines Landes durch 
Verbot oder Erschwerung der Auswanderung 
eigner Untertanen und Begünstigung der Ein- 
wanderung von Fremden zu verhindern, finden 
bei Möser abfällige Beurteilung. Unter Aner- 
kennung der relativen Berechtigung des Luxus als 
Art der Konsumtion eifert er gegen den wirtschaft- 
lich und moralisch verderblichen Luxus, der zum 
Ruine ganzer Familien führe. Bei der großen 
Wichtigkeit des Grundbesitzes für das Wohl des 
Staates kann freies Grundeigentum nicht be- 
stehen. Erbpachtsystem mit beschränktem Eigen- 
tum des Erbpächters am Hofe, Festsetzung der 
einzelnen bäuerlichen Lasten und Dienste, Ein- 
führung des Minorats bei Vererbung des Gutes, 
Reglung des Immobiliarkredites mit Wiederein- 
führung des Rentenkaufes sowie der alten Grund- 
und Hypothekenbücher, gesetzliche Bestimmungen 
gegen die Verschuldung des Bauerngutes über ein 
gewisses Maß hinaus, Sorge für geregelte Tilgung 
der Schulden sind die Mittel, welche Möser zur 
Erhaltung eines seßhaften Bauernstandes in Vor- 
schlag bringt. 
Der selbstsüchtigen Interessenpolitik der ein- 
zelnen deutschen Staaten auf dem Gebiete des 
Handels während des 18. Jahrh. gegenüber 
betont er den Segen einer kräftigen, einheitlichen, 
von merkantilistischen Grundsätzen geleiteten Han- 
delspolitik Deutschlands mit Beschränkung der 
Einfuhr fremder Waren durch Zölle und Ausfuhr- 
prämien zur Hebung inländischer Gewerbezweige; 
dabei zieht er eine scharfe Grenze zwischen Kauf- 
mann und Krämer; letzterer soll nach den Hand- 
werkern rangieren und von höheren Ehrenstellen 
ausgeschlossen sein; dem Hausierhandel dagegen 
steht Möser nicht so feindlich gegenüber. Anläß- 
lich der großen Teuerungsjahre 1772 und 1774 
spricht er sich für völlige Handelsfreiheit aus, ver- 
wirft insbesondere die Haltung großer staatlicher 
Kornmagazine und das Verbot der Getreideaus- 
fuhr. Als Hilfsmittel des Handels empfiehlt Möser 
die Errichtung einer Zettelbank, welche auf Pfänder 
(Linnen und Garn) Darlehen geben soll; dagegen 
verhält er sich sehr zurückhaltend gegenüber den 
Bestrebungen, durch Bau guter Straßen und 
Kanäle den Handel zu fördern. Ein Freund der 
Zünfte, verficht Möser die Ehre des Handwerks 
gegenüber dem System der Fabriken und macht 
eine Reihe von Vorschlägen zur Hebung desselben. 
So stellt er in fragmentarischer Gestalt, zerstreut 
in seinen Aufsätzen, zwar nicht ein völliges System 
der Nationalökonomie auf, aber er erörtert alles, 
was in der bürgerlichen und sittlichen Welt vor- 
geht, so daß trotz der Zersplitterung ein „wahr- 
haftes Ganzes“ erscheint. 
In der religiösen Bewegung seines Jahr- 
hunderts war er als Vertreter der größtenteils 
Müller. 
  
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protestantischen Ritterschaft in einem fast ganz 
katholischen Hochstift die Seele der protestantischen 
Partei, welche später zur herrschenden wurde; aber 
er vermeidet jeden dogmatischen Streit und be- 
trachtet in seinen Werken die Religion nur als 
sittliche Grundlage des Staates, als „Politik 
Gottes unter den Menschen“; Zölibat der Geist- 
lichen und weltliche Macht des Papstes in Rom 
sind ihm die einzig zuverlässigen Behüter des 
Kirchengutes und der Machtstellung der Kirche 
gegenüber weltlichem Despotismus; das bestimmte 
Glaubensbekenntnis erscheint ihm „als förmliche 
Wahrheit, non quia verum, sed quia iudi- 
catum“. In der Schulfrage vertritt Möser 
die Erziehung für das praktische Leben; ein Haupt- 
fehler derselben scheint ihm, daß die Jugend früher 
zur Wissenschaftlichkeit als zur Kunst angeführt 
werde; gegen die Ausschreitungen der sog. frei- 
sinnigen Pädagogik Basedows und anderer hat 
er mit vernichtenden Gründen deutschen Gemütes 
und deutschen Mutterwitzes gestritten; mit Eifer 
bekämpfte er die unfruchtbare Wissenschaft, das 
Wissen, welches später im Leben nicht verwertet 
werden kann. 
Literatur. J. M.8 sämtliche Werke, hrsg. 
von Abeken (10 Bde, 1842 ff, 21858); Nicolai, 
Leben J. M.s (1797, neue Ausgabe im X. Bd der 
Werke); Kreyssig, J. M. (1857); Roscher, Gesch. 
der Nationalökonomik in Deutschland (1874) 500 ff 
Blanckmeister, J. M., der deutsche Patriot als Apo- 
loget des Christentums (1885); Rupprecht, J. M.s 
soziale u. volkswirtschaftl. Anschauungen (Preis- 
schrift, 1892); O. Hatzig, J. M. als Staatsmann 
u. Publizist (1909). IMenzinger.) 
Müller, Adam Heinrich, war nächst 
Burke, Joseph de Maistre (Sp. 956 ff) und 
Karl Ludwig v. Haller (Bd II, Sp. 994 ff) einer 
der bedeutsamsten Schriftsteller der sog. Konter- 
revolution. Er war geboren am 30. Juni 1779 
zu Berlin, studierte dort anfangs Theologie, trat 
damals schon in ein enges Freundschaftsbündnis 
mit Gentz, widmete sich 1798/1800 dem Studium 
der Rechte zu Göttingen, wurde auf kurze Zeit 
Referendar an der kurmärkischen Kammer zu Ber- 
lin, begab sich nach Schweden, Dänemark und 
Polen und nach Wien, wo er am 30. April 1805 
zum Katholizismus übertrat; 1806/09 hielt er zu 
Dresden Vorlesungen über deutsche Literatur, dra- 
matische Poesie und Staatswissenschaften und gab 
mit H. v. Kleist den „Phöbus“ heraus. 1809 
ging er nach Berlin und 1811 zurück nach Wien, 
wo er im Hause des Erzherzogs Maximilian von 
Osterreich-Este lebte und gleich Friedrich Schlegel 
und Zacharias Werner mit dem Redemptoristen 
Klemens Maria Hoffbauer einen sehr innigen 
Verkehr unterhielt. 1813 wurde er zum kaiserl. 
Landeskommissar und Tiroler Schützenmajor er- 
nannt, war als Referent bei der neuen Organi- 
sation dieses Landes tätig, folgte 1815 im Haupt- 
quartier des Kaisers dem Heer nach Paris, wurde 
1817 österreichischer Generalkonsul für Sachsen 
in Leipzig, wo er die Zeitschriften „Deutsche
	        
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