Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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und ihm die Wegnahme und Vernichtung von 
Waren, die Kriegszwecken dienen, nicht verwehrt 
sein kann. Die prinzipielle Verkehrs- und Handels- 
freiheit erleidet namentlich nach zwei Richtungen 
eine starke Einschränkung, die nicht nur rein fak- 
tisch besteht, sondern auch rechtlich normiert ist. 
Es ist dies einmal die Blockade, welche den Ver- 
kehr mit bestimmten Orten überhaupt untersagt 
(s. d. Art.), sodann das Verbot der Lieferung und 
Zufuhr von Kriegskonterbande (s. unten V). Ab- 
gesehen von diesen beiden Fällen bleibt der Handel 
rechtlich frei, neutrale Ware dem Zugriff der 
Kriegführenden entzogen, und dies gemäß der 
Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 selbst 
wenn sie sich auf feindlichem Schiffe befindet, wie 
umgekehrt die neutrale Flagge feindliches Gut 
deckt. Die neutrale oder feindliche Eigenschaft eines 
Schiffes richtet sich nach der Flagge, zu deren 
Führung es berechtigt ist (Londoner Seekriegs- 
rechtserklärung Art. 57. Eingehende Bestimmungen 
regeln den Flaggenwechsel unmittelbar vor und 
nach Beginn der Feindseligkeiten, Art. 55 u. 56), 
die der Ware an Bord eines feindlichen Schiffes 
nach dem Eigentümer (Art. 58). Die Streitfrage, 
ob die Staatsangehörigkeit oder gemäß der eng- 
lisch-amerikanischen Auffassung der Wohnsitz des 
Eigentümers maßgebend ist, konnte bisher noch 
nicht einheitlich geregelt werden (vgl. des näheren 
d. Art. Prise). 
V. Unter Konterbande (contra bannum, 
gegen das Verbot der Päpste, bei Strafe des 
Bannes und der Konfiskation den Sarazenen 
Waffen zuzuführen) versteht man im allgemeinen 
sowohl die gegen ein bestehendes Verbot erfolgende 
Ein= oder Ausfuhr von Waren als auch diese 
Waren selbst. Im Kriegsrecht bedeutet dagegen 
Konterbande oder Kriegskonterbande (contre- 
bande de guerre) diejenigen Gegenstände und 
Waren, welche den Kriegsparteien zur Kriegfüh- 
rung dienen oder förderlich sein können und des- 
halb von Neutralen nicht zugeführt werden dürfen. 
1. Die Anschauungen über den Umfang des 
Begriffs der Kriegskonterbande haben stark ge- 
wechselt und gingen bisher weit auseinander. Sah 
man früher (z. B. Utrechter Frieden, preuß. 
Allgem. Landrecht) nur Waffen und Munition, 
Pferde und Pferdesättel als Konterbande an, so 
hatte man später den Begriff der Konterbande be- 
deutend erweitert, indem man einmal als sog. ab- 
solute Konterbande alles das erklärte, was un- 
mittelbar und ausschließlich zum Kriege diente 
(also auch z. B. Kleidungsstücke, Trainmaterial), 
außerdem aber auch die Zufuhr jener Gegenstände 
verbot, die sowohl zu friedlichen als auch kriegeri- 
schen Zwecken brauchbar waren (res aneipitis 
usus, relative Konterbande, so Bauholz, 
Dampfmaschinen, Wagen, Zugtiere, Lebensmittel, 
Geld usw.), und schließlich sogar die Gegenstände 
als Konterbande ansah, die durch die gerade vor- 
liegenden Verhältnisse einem der Kriegführenden 
von Nutzen waren (zufällige Konterbande). 
Neutralität usfw. 
  
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Infolge des Mangels einer einheitlichen Reglung 
dieser für die Handelsinteressen der Neutralen 
eminent wichtigen Begriffe hatten bisher die Re- 
gierungen entweder durch besondere Verträge oder 
in speziellen Erklärungen und Manifesten für den 
Einzelfall den Umfang der Konterbande zu be- 
stimmen gesucht. Erst der Londoner Konferenz von 
1908/09 ist es gelungen, eine für die Signatar- 
mächteverbindliche Liste aufzustellen. Danach gelten 
a) als absolute Kriegskonterbande: Waffen 
jeder Art, Kriegsmunition, Sprengstoffe, Lafetten, 
Munitionswagen usw., militärische Kleidungs- 
und Ausrüstungsgegenstände, militärische Ge- 
schirre, Reit-, Zug= und Lasttiere, Lagergeräte, 
Panzerplatten, Kriegsschiffe und sonstige Kriegs- 
fahrzeuge sowie deren Bestandteile, Werkzeuge und 
Vorrichtungen, die ausschließlich zur Anfertigung 
oder Ausbesserung von Kriegsmaterial oder Kriegs- 
waffen dienen (Art. 22). 
b) Als relative Kriegskonterbande: Lebens- 
mittel, Fourage, Kleidungsstücke, -stoffe und 
Schuhwerk, Gold, Silber und Papiergeld, Fuhr- 
werke jeder Art und ihre Bestandteile. Schiffe, 
Boote und Fahrzeuge jeder Art, Schwimmdocks 
und Vorrichtungen für Trockendocks sowie ihre 
Bestandteile, Eisenbahn-, Telegraphen-, Funken- 
telegraphen= und Telephonmaterial, Luftschiffe 
und Flugmaschinen sowie deren Bestandteile und 
Zubehörstücke, Feuerungsmaterial und Schmier- 
stoffe, nicht besonders für den Krieg bestimmte 
Schießpulver und Sprengstoffe, Stacheldraht, 
feisen, Geschirr= und Sattelzeug, Doppelgläser, 
Fernrohre, Chronometer und nautische Instru- 
mente aller Art (Art. 24). Der Begriff der zu- 
fälligen Konterbande ist fallen gelassen worden. 
Beide Listen können mittels einer bekannt zu 
gebenden Erklärung an die andern Mächte er- 
weitert oder vermindert werden (Art. 23, 25, 26), 
doch dürfen eine Reihe von Gegenständen, die 
Art. 28 aufzählt (so Rohbaumwolle, rohe Felle, 
Erze, Papier usw.), sowie alle diejenigen Gegen- 
stände und Stoffe, die überhaupt für kriegerische 
Zwecke nicht verwendbar sind, nicht als Konter- 
bande erklärt werden. Dasselbe gilt von den Ge- 
genständen und Stoffen, die ausschließlich zur 
Pflege der Kranken und Verwundeten dienen oder 
zum Gebrauch des Schiffes, auf dem sie gefunden 
werden, oder für dessen Besatzung oder Passagiere 
bestimmt sind (Art. 27/29). 
2. Die Zufuhr von Konterbande gibt dem Geg- 
ner der unterstützten Kriegspartei das Recht zur 
vorläufigen Beschlagnahme derselben. Die 
eigentliche Konfiskation oder Einziehung 
erfolgt dann erst im Wege der Prisenjustiz. Aber 
auch das Schiff, welches die Konterbande führt, 
sowie selbst die unverfängliche Ladung unterliegen 
unter Umständen der Konfiskation als „gute 
Prise". Die Voraussetzungen für die Be- 
schlagnahme und die Konfiskation sind folgende: 
a) Für die Gegenstände der Konterbande 
ist zu ihrer Charakterisierung als solche wesentliche 
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