Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Voraussetzung die feindliche Bestimmung 
(destination hostile). Diese liegt bei absoluter 
Konterbande dann vor, wenn bewiesen ist, daß 
sie in feindliches oder vom Feinde besetztes Gebiet 
oder zu der feindlichen Streitmacht geführt werden 
soll. Gleichgültig ist — und damit ist ein alter 
Streitpunkt erledigt —, ob die Zufuhr direkt oder 
auf Umwegen, durch Umladen oder Beförderung 
zu Lande erfolgen soll (Art. 39). Der Beweis 
hierfür gilt als erbracht, wenn die Ware nach den 
Schiffspapieren in einem feindlichen Hafen aus- 
geladen oder der feindlichen Streitmacht geliefert 
werden soll, ferner wenn das Schiff nur feindliche 
Häfen anlaufen soll oder einen solchen anlaufen 
oder zur feindlichen Streitmacht stoßen soll, ehe 
es den neutralen Hafen erreicht, wohin die Ware 
urkundlich bestimmt ist (Art. 32). Für die relative 
Konterbande genügt der Beweis, daß die Gegen- 
stände für den Gebrauch der Streitmacht oder auch 
der Verwaltungsstellen des feindlichen Staates 
bestimmt sind, es sei denn, daß im letzteren Falle 
nach den Umständen diese Gegenstände tatsächlich 
nicht für den derzeitigen Krieg gebraucht werden 
können; auf Gold, Silber und Papiergeld findet 
indes diese letztere Vorschrift keine Anwendung. 
Diese feindliche Destination wird bis zum Gegen- 
beweis vermutet, wenn die Sendung an die feind- 
lichen Behörden oder an einen im feindlichen Lande 
ansässigen Händler gerichtet ist, der notorisch 
dem Feinde derartige Gegenstände und Stoffe 
liefert, oder wenn die Sendung nach einem be- 
festigten oder als Operationsbasis dienenden 
Platze des Feindes bestimmt ist. Die Beschlag- 
nahme der relativen Konterbande ist bei der Zu- 
fuhr auf Umwegen nicht gerechtfertigt, sondern nur 
bei direkter Zufuhr, wenn das Schiff sich nach Aus- 
weis der Schiffspapiere auf der Fahrt nach dem 
feindlichen oder vom Feinde besetzten Gebiet be- 
findet und die Gegenstände der Konterbande nicht 
in einem neutralen Zwischenhafen ausladen soll. 
Hat das feindliche Gebiet keine Seegrenze, so ge- 
nügt der bloße Nachweis der feindlichen Desti- 
nation, um die Beschlagnahme zu rechtfertigen 
(Art. 33/36). 
b) Das Schiff, welches Konterbande be- 
fördert, kann auf hoher See oder in den Ge- 
wässern der Kriegführenden während der ganzen 
Dauer seiner Reise beschlagnahmt werden, selbst 
wenn es die Absicht hat, einen Zwischenhafen an- 
zulaufen, bevor es die feindliche Bestimmung er- 
reicht. Ist die Zufuhr von Konterbande bereits 
vollendet, kann eine Beschlagnahme des Schiffes 
nicht mehr bewirkt werden. Die Konfiskation des 
Schiffes ist aber nur dann zulässig, wenn die mit- 
geführte Konterbande nach Wert, Gewicht, Um- 
fang oder Fracht mehr als die Hälfte der Ladung 43 
ausmacht. Befindet sich das Schiff in Unkenntnis 
der Feindseligkeiten oder der auf seine Ladung 
anwendbaren Konterbandeerklärung, so können 
zwar die Gegenstände der Konterbande (indes 
auch nur gegen Entschädigung) eingezogen wer- 
Neutralität usw. 
  
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den, nicht aber das Schiff. Dasselbe gilt, wenn 
der Kapitän nach erlangter Kenntnis die Konter- 
bande noch nicht hat ausladen können. Die 
Kenntnis wird angenommen, wenn das Schiff 
einen neutralen Hafen nach Ablauf angemessener 
Frist seit Bekanntgabe des Beginnes der Feind- 
seligkeiten oder der Konterbandeerklärung an die 
betreffende neutrale Macht, oder einen feindlichen 
Hafen nach Beginn der Feindseligkeiten verlassen 
hat (Art. 37, 38, 40, 43). Unterliegt das Konter- 
bande befördernde Schiff nicht der Einziehung, so 
kann es zur Fortsetzung der Fahrt ermächtigt wer- 
den, wenn der Kapitän bereit ist, die Konterbande 
dem nehmenden Kriegsschiffe zu übergeben, die 
dann zerstört werden darf (Art. 44). 
) Die dem Eigentümer der Konterbande ge- 
hörende Ladung, die sich an Bord desselben 
Schiffes befindet, unterliegt gleichfalls der Ein- 
ziehung, doch ist auch hier die Kenntnis des 
Kapitäns vom Beginn der Feindseligkeiten oder 
der Konterbandeerklärung erforderlich. Hierfür 
gelten dieselben Regeln wie unter b (Art. 42, 43). 
3. Über die Durchführung der Beschlag- 
nahme (Besichtigungs= und Durchsuchungsrecht) 
und Konfiskation (. d. Art. Prise. 
4. Der Ausdruck „Quasikonterbande“, 
unter dem die Doktrin die Beförderung von 
Kriegsmannschaften oder Nachrichten verstand, ist 
nach der Terminologie der Londoner Seekriegs- 
rechtserklärung nicht mehr zu halten. Derartige 
Handlungen charakterisieren sich als neutralitäts- 
widrige Unterstützung (s. oben IV, 2). 
Literatur. Die in Art. Krieg zitierten Lehr- 
bücher des Völkerrechts u. die Literatur über See- 
kriegsrecht, ferner Cauchy, Le droit maritime in- 
terne (1862); Geßner, Les droits des neutres sur 
mer (1865/76); Hautefeuille, Des droits et des 
devoirs des nations neutres (31868); Hall, The 
Rights and Duties of neutrals (1874); Schiata- 
rella, II diritto della neutralita nelle guerre 
maritime (1877); Bergbohm, Die bewaffnete Neu- 
tralität 1780/83 (1884); Fauchille, La diplomatie 
française et les ligues des neutres (1893); Heil- 
born, Rechte u. Pflichten der neutralen Staaten usw. 
(1888); Descamps, Les lois de la paix et de la 
guerre etc. (1898); Kleen, Lois et usages de la 
neutralité (1898/1900); Sydney-Schopfer, Le 
principe juridique de la neutralité et son évo- 
lution dans Phistoire du droit de guerre (1904); 
Lawrence, War and Neutrality in the Far East 
(21904); Verraes, Les lois de la guerre et de la 
neutralité (1906); Hold v. Ferneck, Die Lon- 
doner Seekriegsrechtskonferenz, in Grünhuts Zeit- 
schrift für das Privat= u. öffentl. Recht der Gegen- 
wart XXXVI (1909) 300 ff; Lemonon, La con- 
féörence navale de Londres, in Revne de droit 
intern. et de la léEgislation comparée XLI 239 ff, 
# 
Über Konterbande im besondern: Pratt, Law 
of Contraband of War (1856); Lehmann, Die Zu- 
fuhr von Konterbande (1877); Kleen, De la con- 
trebande de la guerre et des transports interdits 
aux neutres (1893); ders. in Revue de droit 
intern. et de la Egislation comparée XXV 7ff;
	        
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