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vinziallandtagen zugleich sein. In jeder Gemeinde
besteht ein aus 7/45 Mitgliedern zusammengesetzter
Gemeinderat, der unmittelbar durch die männ-
lichen Eingesessenen nach einem geringeren Steuer-
zensus auf 6 Jahre gewählt wird und aus
seiner Mitte 2/4 Schöffen (Wethouders) bestellt, (A
die mit dem Bürgermeister die gewöhnlichen Ver-
waltungsgeschäfte führen. — Wählbar ist jeder
23 Jahre alte männliche Niederländer und Ein-
wohner der Gemeinde. Beschlüsse des Magistrats
über Verwaltung des Gemeindevermögens, Ein-
nahmen und Ausgaben bedürfen der Zustimmung
des Provinzialausschusses, die Einführung, Ande-
rung und Abschaffung von Gemeindesteuern der
des Königs.
An der Spitze der Verwaltung steht ein Mini-
sterrat aus den Chefs der 9 Ministerien: für
das Außere, die Justiz, das Innere (Unterricht,
Statistik, öffentliche Sammlungen, Nationalmiliz
und Schutterijen), für Waterstat, für Ackerbau,
Handel und Industrie (öffentliche Arbeiten und
Verkehrswesen), für Finanzen, Kriegswesen, Ma-
rine und Kolonien. Vom Justizministerium ressor-
tiert der Ober-Militärgerichtshof in Utrecht; der
allgemeine Rechnungshof ist eine selbständige,
keinem Ministerium untergeordnete Behörde (Prä-
sident und 7 Mitglieder). Präsidiert der König
einem Ministerrate, so heißt derselbe Kabinettsrat;
sonst wechselt der Vorsitz unter den Ministern alle
Monate nach der Reihenfolge ihrer Ernennung,
doch pflegt man das Ministerium nach dem Po-
litiker zu nennen, der den Auftrag es zu bilden
erhalten hat. Unabhängig von den ein Porte-
feuille innehabenden Ministern kann das Staats-
oberhaupt unter den politisch hervorragenden Per-
sönlichkeiten „Staatsminister"“ ernennen. Der
Staatsrat, dem der Kronprinz mit vollendetem
18. Jahre (ohne Stimmrecht) angehört, besteht
aus 15 vom König ernannten Mitgliedern in
9 Abteilungen. Er versammelt sich unter dem
Vorsitz des Königs und hat nur beratende Stimme
bei allen Angelegenheiten, die das Staatshaupt
den Kammern vorlegen will, und bei allen Ver-
fügungen betreffs der öffentlichen Verwaltung.
Der König entscheidet allein und benachrichtigt
davon den Staatsrat.
An der Spitze der Verwaltung jeder Provinz
steht ein königlicher Kommissar; das Haupt der
Gemeinde ist der vom König auf 6 Jahre er-
nannte Bürgermeister. Für die Landespolizei
ist aus jedem der 5 Provinzialgerichtshöfe ein
Polizeidirektor bestellt, und diesen sind 49 Polizei-
kommissariate in allen Provinzen (außer in Dren-
the), die Wasserschulzen für die Strandpolizei so-
wie die Bürgermeister als Polizeiorgane in den
kleineren Gemeinden und in allen Gemeinden der
Provinz Drenthe untergeordnet. Jede Provinz
hat einen Gesundheitsrat (Nord= und Südholland
je zwei) als Medizinalpolizei. Die Verwaltung
der Dämme, Kanäle und öffentlichen Wasserläufe
nimmt naturgemäß eine wichtige Stellung ein.
Niederlande.
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Das Land ist in 2 Inspektionen mit zusammen
11 Wasserdistrikten geteilt; lokale Aufsichtsbehör-
den sind die Waterschappen.
Die Rechtspflege wird durch 106 Einzelrichter
(Kantonregters), durch 23 Bezirksgerichtshöfe
rrondi tsregtbanken) und 5 Provin-
zialgerichte wahrgenommen. Oberster Gerichtshof
(zugleich allgemeiner Kassationshof) ist der Hooge
Raad im Haag, der aus 2 Kammern für Zivil-
und Strafsachen besteht. Das Verfahren ist münd-
lich und öffentlich. Dieselben Gerichte entscheiden
in Zivil-, Straf-, Handels= und Verwaltungs-
sachen. Nur für die militärische Gerichtsbarkeit
gibt es 5 besondere Gerichte (Kriegsräte) an den
Hauptorten der Militärbezirke; die Berufung geht
an das oberste Militärgericht in Utrecht. Die
Grundlage des Rechts bilden die Napoleonischen
Gesetzbücher, die aber vielfach abgeändert und den
niederländischen Verhältnissen angepaßt worden
sind, besonders in den Bestimmungen über Vor-
mundschaftund Scheidung des Vermögens zwischen
Eheleuten. Statt der Geschworenen entscheidet ein
Kollegium von Richtern sowohl über die Tat= und
Rechtsfrage wie über die Schuld. Haag ist der
Sitz des internationalen Schiedsgerichtshofes und
des internationalen Prisengerichtes.
IV. Kirchliche Perhältnisse. Die Verfassung
gewährleistet volle Glaubens= und Gewissensfrei-
heit, vollkommene Kultusfreiheit und gleiche Rechte
für alle Religionsbekenntnisse. Die christliche
Religion erfährt von seiten des Staates weit-
gehende Berücksichtigung. Die kirchliche Sonntags-
ruhe ist anerkannt; die Kultusdiener genießen ver-
schiedene Privilegien und sind vom Militärdienst
befreit; die Kirchen und Religionsgesellschaften be-
sitzen gewisse Steuerfreiheit. In die innere Ver-
waltung der Religionsgesellschaften greift der
Staat in keiner Beziehung ein, wie er auch die
Verwaltung des Vermögens ihnen ganz überläßt.
Sämtliche Religionsgesellschaften haben Anspruch
auf teilweise Besoldung ihrer Geistlichen durch
den Staat; auch Provinzen und Gemeinden ge-
währen Subventionen. Die Kultuspolizei des
Staates ist wenig entwickelt. — Die öffentliche
Ausübung des katholischen Kultus war seit 1581
verboten und die Niederlande ein Missionsland,
für welches Gregor XIII. 1588 ein Apostolisches
Vikariat errichtete. Dieses verwalteten seit 1597
die Apostolischen Nuntien von Brüssel, bis die
Mission zu Anfang des 17. Jahrh. einen eignen
Vikar erhielt. Die Revolution von 1795 gab den
Katholiken alle bürgerlichen Rechte; im neuen
Königreiche bildeten sie zwar die Mehrheit, doch
geschah trotz des Konkordates vom 25. Juli 1827
wenig für die Kirche. Seit 1841 bestanden außer
der alten holländischen Mission die Apostolischen
Vikariate Herzogenbusch, Breda und Limburg, bis
Pius IX. am 4. März 1853 die Hierarchie
wiederherstellte. Die Niederlande bilden seitdem
die Kirchenprovinz Utrecht mit den Bistümern
Haarlem, Herzogenbusch, Breda und Roermonde.