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Mit den übrigen Kulturstaaten hat sich das
Deutsche Reich über die Gesamtstellung der gegen-
seitigen Untertanen sowie über die Einzelfragen
der Niederlassung, des Aufenthalts, der Gewerbe-
ausübung usw. meist bei Reglung der kommerziellen
Beziehungen geeinigt. So bestimmt der deutsch-
österreichische Handels= und Zollvertrag vom
6. Dez. 1891 in Art. 19:
„Die Angehörigen der vertragschließenden Teile
sollen gegenseitig in Bezug auf den Antritt, den Be-
trieb und die Abgaben von Handel und Gewerbe
den Inländern völlig gleichgestellt sein.“
Weiterhin lautet Art. 6, Abs. 1 des Zusatzver-
trages zum Handels= und Zollvertrag zwischen
dem Deutschen Reiche und Osterreich-Ungarn vom
25. Jan. 1905, welcher auf Grund des Zolltarif-
gesetzes vom 25. Dez. 1902 abgeschlossen wurde:
„Die vertragschließenden Teile verpflichten sich,
in freundschaftlichem Einvernehmen die Behand-
lung der Arbeiter des einen Teiles in den Gebieten
des andern hinsichtlich des Arbeiterschutzes und der
Arbeiterversicherung zu dem Zweck zu prüfen, um
durch geeignete Vereinbarungen diesen Arbeitern
wechselseitig eine Behandlung zu sichern, die ihnen
möglichst gleichwertige Vorteile bietet.“
Ahnliche Bestimmungen enthalten die Handels-
verträge mit Belgien und mit Italien vom
6. Dez. 1891, mit Agypten vom 10. Juli
1892, mit Serbien vom 21. Aug. 1892, mit
Rumänien vom 21. Okt. 1893, mit Ruß-
land vom 29. Jan. 1894, mit Spanien vom
17. März 1894, mit Japan vom 4. April 1896,
mit Athiopien vom 7. März 1905 und mit
Schweden vom 8. Mai 1906. Am eigenartig-
sten sind wohl die Niederlassungsbestimmungen
in dem Freundschafts-, Handels= und Schiffahrts-
vertrag zwischen den deutschen Staaten und China
vom 2. Sept. 1861 ausgebildet. Art. 6 dieses
Vertrages lautet nämlich:
„In den Häfen und Städten Kanton, Swatou
(Tschou-Tschon), Amoy, Futschou, Ningpo,
Schanghai, Tongtschou, Tientsin, Niutschwang,
Tschinkiang, Kinkiang, Hankou, ferner Kiong-
tschou auf der Insel Hainan und Taiwan und
Tamsui auf der Insel Formosa ist es den Unter-
tanen der kontrahierenden deutschen Staaten er-
laubt, sich mit ihrer Familie niederzulassen, frei zu
bewegen und Handel oder Industrie zu treiben.
Sie können zwischen denselben nach Belieben mit
ihren Fahrzeugen und Waren hin und her fahren,
daselbst Häuser kaufen, mieten oder vermieten,
Land pachten oder verpachten und Kirchen, Kirch-
höfe und Hospitäler anlegen.
Das Pekinger Schlußprotokoll vom 7. Sept.
1901 hat diese Bestimmung vorab unberührt ge-
lassen, aber in Art. XI eine Revision vorgesehen,
welche bisher jedoch noch nicht erfolgt ist.
Literatur. Hetzer, Deutsche Auslieferungs-
verträge (1883); Lammasch, Auslieferungspflicht
u. Asylrecht (1887); Langhard, Das Recht der po-
litischen Fremdenausweisung (1891); Delius, Aus-
lieferungsrecht (1899); Kahl, Die Errichtung von
Nihilismus — Norwegen.
1362
Handelsgesellschaften durch Religiose (1900); Grosch,
Das deutsche Auslieferungsrecht (1902); Loening,
Die Rechtsstellung der Orden u. ordensähnlichen
Kongregationen der katholischen Kirche nach staat-
lichem Recht (1903); v. Conta, Die Ausweisung
(1904); Frhr v. Overbeck, N.sfreiheit u. Aus-
weisungsrecht (1907); ders., Der deutsch-nieder-
ländische N.svertrag vom 17. Dez. 1904, im Archiv
für öffentl. Recht XXIII; Cohn, Die Auslieferungs-
verträge des Deutschen Reiches u. der Bundesstaaten
(1908); Giese, Das kath. Ordenswesen nach dem
geltenden preuß. Staatskirchenrecht, in Hirths An-
nalen des Deutschen Reiches XLI (1908); Hein-
richs, Deutsche N. sverträge u. übernahmeabkommen
(1908); vgl. Art. „N.“ in Mischler-Ulbrichs Österr.
Staatswörterbuch. (Karl Bachem.]
Nihilismus . Anarchismus (Bd 1, Sp.
23
4).
Normalarbeitstag s. Schutzgesetzgebung,
gewerbliche.
Norwegen. I. Geschichte. Norwegen er-
hielt im 9. Jahrh. ein geeinigtes monarchisches
Staatswesen, im 10. das Christentum. Kirchliche
Metropole war Lund, seit 1151 Trondhjem. Seit
1380 war es in Personalunion, 1536/1660 als
Provinz, dann wieder als gleichberechtigtes König-
reich mit Dänemark vereinigt und kam in Sprache
und Kultur stark unter dänischen Einfluß. Die
lutherische Lehre wurde in den 1530er Jahren
vollständig durchgeführt.
Gemäß den Verträgen, die Schweden 1812
mit Rußland, 1813 mit England und Preußen
abschloß, mußte Dänemark im Kieler Frieden
14. Jan. 1814 Norwegen an Schweden abtreten.
Norwegen leistete jedoch Widerstand; der dänische
Statthalter Kronprinz Christian Friedrich stellte
sich selbst an die Spitze und berief aus Vertretern
der Verteidigungsarme und des Landes ein Stor-
thing nach Eidsvold. Dieses erließ am 17. Mai
ein neues Grundgesetz mit demokratischer Repräsen-
tativverfassung und wählte den Prinzen zum Kö-
nig. Nach kurzem Feldzug einigten sich jedoch die
norwegische Regierung und der schwedische Kron-
prinz (Bernadotte) im Vertrag von Moss 14. Aug.
auf eine Union unter Aufrechterhaltung der Eids-
volder Verfassung. Der Unionsvertrag zwischen
Schweden und Norwegen kam am 4. Nov. zu-
gleich mit dem neuredigierten Grundgesetz zu-
stande und wurde durch die Reichsakte vom 6. Aug.
1815 sanktioniert. Norwegen hatte danach mit
Schweden den König sowie Krieg und Frieden
gemeinsam, behielt aber ein gesondertes, fast repu-
blikanisches Staatswesen, eigne Gesetzgebung, Re-
gierung, Finanzen, Heer und Flotte und Zoll-
wesen. An der Spitze der Regierung stand ein
Statthalter bzw., da dieser Posten öfters nicht
besetzt und 1878 aufgehoben wurde, der älteste
Staatsrat. Als Berater des Königs und als Ver-
treter Norwegens im gemischten Ministerrat bei
gemeinsamen Angelegenheiten hatte ein norwe-
gischer Minister mit zwei Staatsräten in Stock-
holm seinen Sitz.