Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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und Unterricht unterstehen die Bistümer Kristiania, 
Hamar, Kristiansand, Bergen, Trondhjem und 
Tromsö. Die 84 Propsteien zerfallen in 492 
Pfarreien. In den einzelnen Stiften werden die 
ökonomischen Angelegenheiten der Kirche sowie 
Schulsachen von der Stiftsdirektion erledigt, welche 
aus Stiftamtmann, Bischof und in Schulsachen 
dem Schuldirektor zusammengesetzt ist. In den 
Kommunen sind die Gemeindebehörden zugleich 
Kirchenbehörden. Eine Gruppe von Freidenkern 
(mit Björnson an der Spitze) hat bisher vergeb- 
lich Trennung von Kirche und Staat und Unter- 
drückung der konfessionellen Schulen gefordert. 
Die katholische Kirche war in Norwegen seit 
Einführung der Reformation 1537 vollständig 
unterdrückt, die Ausübung katholischen Gottes- 
dienstes unter Strafe verboten. Das Grundgesetz 
von 1814 enthielt im Entwurf, nicht aber in der 
von Schweden zurückkommenden endgültigen Fas- 
sung volle Gewissensfreiheit. Erst 1845 wurden 
die alten, harten Bestimmungen gegen die katho- 
lische Kirche aus der Gesetzgebung entfernt, 1891 
allen Dissidenten volle religiöse Freiheit und Selb- 
ständigkeit auf dem Gebiet der Schule, innern 
Verwaltung, Ernennung der Kultusdiener usw. 
gewährt; die Jesuiten sind jedoch ausgeschlossen. 
1856 erhielt Kristiania ein katholisches Gottes- 
haus, 1869 wurde das Land zur Apostolischen 
Präfektur, 1892 zum Apostolischen Vikariat unter 
einem Bischof erhoben. Dieses zählt 1909: 24 
Priester, 20 Kirchen und Kapellen, 13 Volks- 
schulen, je 1 höhere Knaben- und Mädchenschule, 
14 Niederlassungen von Ordensschwestern mit 
12 Spitälern. 
Das Unterrichtswesen Norwegens ist sehr 
entwickelt und der Stand der allgemeinen Bildung 
ein sehr hoher. Schon 1739 brach sich in Nor- 
wegen der Gedanke eines allgemeinen Schul- 
zwanges Bahn und wurde die Errichtung einer 
ständigen Schule in jeder Pfarrei angestrebt. Der 
Schulbesuch ist 7 Jahre lang obligatorisch für alle 
8 Jahre alten Kinder, doch können die Kinder 
schon mit 7 (in den Städten mit 6½) Jahren 
bis zum 15. Jahr unentgeltlichen Volksschulunter- 
richt genießen. Jede der 696 Schulgemeinden soll 
eine genügende Anzahl von Schulen besitzen und 
sie unterhalten. Wenn auch unter Staatsaussicht 
stehend, genießen die Volksschulen große Auto- 
nomie. In den in jeder Gemeinde bestehenden 
Schulrat sind auch Frauen wählbar. 1905 be- 
standen auf dem Lande 5975 Volksschulen mit 
4061 Lehrern, 1339 Lehrerinnen und 270 698 
Schulkindern; der Aufwand dafür belief sich auf 
5,31 Mill. K; in den Städten 87 841 Volks- 
schulkinder, 804 Lehrer, 15486 Lehrerinnen, Auf- 
wand 4,87 Mill. K. Sekundarschulen gab es 
1906/07 auf dem Lande 35 öffentliche und 20 
private. Dem Mittelschulunterricht dienten 1905 
bis 1906e: 14 Lyzeen (öffentliche Schulen), 51 Ge- 
meindemittelschulen, 14 private Schulen und 14 
private Mädchenschulen, sämtlich mit Examens- 
Norwegen. 
  
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recht, ferner 1 gemeindliche und 101 private 
andere Schulen. Für den gewerblichen Unterricht 
gab es 1906/07: 29 technische, 10 Zeichen-, 8 
Hausindustrie-, 1 staatliche Handwerker= und Ge- 
werbeschule, je 1 Kriegs= und Marineschule, 2 
Handelsgymnasien, 3 technische Hochschulen und 
1 landwirtschaftliche Akademie. Die Universität 
Kristiania (1811 gestiftet) zählte in 5 Fakultäten 
1907: 65 Professoren und 1557 Studenten. Von 
der Volksschule bis zur Universität ist das Prinzip 
der Koedukation durchgeführt. — Eine große Be- 
deutung hat in letzter Zeit die Sprachenfrage ge- 
wonnen, d. h. der Kampf um die Vorherrschaft zwi- 
schen dem „Rigsmaal“ (Reichssprache), der in den 
Städten und in der Literatur vorherrschenden, sich 
eng an das Dänische anlehnenden Sprache der 
Gebildeten, für die besonders Björnson und Nan- 
sen eingetreten sind, und dem auf dem Lande, be- 
sonders im Westen, herrschenden „Landsmaal“, 
der altnorwegischen Sprache, die nach Auflösung 
der Union mit Dänemark (1814) wieder an Bo- 
den gewonnen hat und seit 1885 nominell, seit 
1906 faktisch in Schulen und Amtern gleichbe- 
berechtigt ist. 
Heerwesen. Nach dem Gesetz vom 16. Juni 
1885 besteht allgemeine Wehrpflicht vom 23. Le- 
bensjahr an, und zwar 12 Jahre im stehenden 
Heer und 8 Jahre in der Landwehr. Die Dienst- 
zeit bei der Fahne beschränkt sich jedoch auf eine 
Rekrutenschule im ersten Dienstjahr, die beim 
Train 18, bei der Infanterie, bei der Positions- 
und Festungsartillerie und den Sanitätstruppen 
48, bei der Gebirgsartillerie 60, beim Genie 72, 
bei der Feldartillerie 92, bei der Kavallerie 102 
Tage dauert; hieran schließt sich unmittelbar eine 
24tägige Ubung gemeinsam mit dem stehenden 
Heer, ferner werden alle Mannschaften der aktiven 
Armee im 2., 3. und 7. Dienstjahr zu je einer 
24tägigen Ubung eingezogen. Außerdem gehört 
jeder waffenfähige Norweger vom 18. bis zum 
50. Lebensjahr dem territorialen Landsturm an, 
der nur zur Landesverteidigung bestimmt ist. Für 
die Schiffer und Fischerbevölkerung ist nach den 
Gesetzen vom 6. Juli 1892 und 11. April 1900 
der Militärdienst vom 22. bis zum 38. Lebens- 
jahr obligatorisch, der aktive Dienst dauert min- 
destens 6 Monate. — Das Heer zerfällt in 2 Auf- 
gebote: stehendes Heer (Linie) und Landwehr. 
Jenes besteht aus 5 Infanteriebrigaden, den Trup- 
pen der nördlichen Gegenden (besonders Festung 
Boden) und der Festungsartillerie; der Effektiv- 
bestand von 80 000 Mann kann durch die Land- 
wehr auf rund 110 000 Mann vermehrt werden. 
Die Kriegsflotte zählte (19t09) 54 Fahrzeuge 
(4 Panzerschiffe, 2 Panzermonitore, 11 Kanonen- 
boote, 1 Torpedoaviso, 36 Torpedoboote) mit 
26 10 t, 63 440 indizierten Pferdekräften, 234 
Geschützen, 86 Lancierrohren und 2574 Mann 
Bemannungsetat. Die dienstpflichtige, Schiff- 
fahrt usw. treibende Bevölkerung wird auf 26 000 
Mann angegeben; Kriegshafen ist Horten.
	        
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