Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1403 
und der bischöflichen Amtsführung zu ermöglichen. 
Im Sinne der Vorschriften des Trienter Konzils 
(sess. XXII, c. 2 decr. de ref.) überträgt die 
Kurie ferner den Nuntien die Untersuchung über 
die Tauglichkeit der zum Bischofsamte Designierten 
und die vorläufige Prüfung der Rechtsbeständig- 
keit des Besetzungsakts (den sog. Informativ= 
prozeß). Endlich wird den Nuntien in ihren 
speziellen Fakultäten bisweilen noch immer die 
Vollmacht gewährt, gewisse Indulte und Dispense 
namens des Apostolischen Stuhls zu erteilen; 
jedenfalls ist aber ein solches direktes Eingreifen 
der Nuntien in die Aufgaben der kirchlichen Ver- 
waltung gegenwärtig nicht mehr die Regel. 
Während früher die Mehrzahl der Nuntiaturen 
kirchliche Gerichtsbarkeit übten und auf 
Grund ihrer Fakultäten als Appellationstribunale 
sungierten, wurde bei der Wiederherstellung der 
Nuntiaturen nach dem Wiener Kongreß den 
meisten derselben eine kirchliche Gerichtsbarkeit 
nicht mehr übertragen. (Soviel bekannt, steht eine 
solche Kompetenz gegenwärtig nur noch der Nun- 
tiatur am spanischen Hof zu. welcher schon 1537 
auf Begehren Karls I. IV.] Papst Paul III. 
eine solche Jurisdiktion delegiert hatte. Seit 1771 
wurde dieselbe nicht mehr vom Auditor des Nun- 
tius, sondern durch ein von Klemens XIV. orga- 
nisiertes Tribunal [Rota der Nuntiatur] geübt.) 
Gegenüber der oft wiederkehrenden unbegründeten 
Behauptung, die Kurie habe den Nuntien gesetz- 
widrige Eingriffe in das Gebiet der bischöflichen 
Kompetenz gestattet, hat schon die oben zitierte 
Responsio Papst Pius' VI. (c. 8, sect. 5, ed. 
Flor. 1790, S. 456) darauf hingewiesen, daß die 
Nuntien seit dem Trienter Konzil durch ausdrück- 
liche Klauseln ihrer Vollmachten verpflichtet wur- 
den, die ausschließliche Zuständigkeit der Ordi- 
narien zur Entscheidung der kirchlichen Rechts- 
sachen in erster Instanz (Conc. Trid. sess. XXIV, 
. 20 decr. de re⅝.) zu respektieren und ihre 
Jurisdiktion nur als Appellationsrichter (Conc. 
Trid. sess. XXII, c. 7 decr. de ref.) zu üben. 
Dies gilt nicht etwa nur von den Nuntiaturen 
im Gebiet des alten deutschen Reichs, sondern 
nicht minder von jenen der romanischen Länder 
Südeuropas. (Vgl. bezüglich der Fakultäten des 
Madrider Nuntius das Konkordat von 1737, 
Art. 12, das Breve Klemens'’ XIII. vom 18. Dez. 
766, pct. I, IX, XIV, das Breve Klemens'’ XIV. 
vom 26. März 1771, pct. VII, VIII, bei Hergen- 
röther im Archiv für katholisches Kirchenrecht X 
208; XI 383, 385, 386, 399 f.) 
Da die jetzigen Nuntiaturen sämtlich diplo- 
matische Vertretungen sind, so gilt der 
allgemeine völkerrechtliche Grundsatz, welcher es 
jedem Staatsoberhaupt freistellt, die Errichtung 
einer ständigen Gesandtschaft abzulehnen oder die 
Annahme eines Gesandten zu verweigern, auch 
für die päpstlichen Nuntien. Deshalb ist also kein 
Staat verpflichtet, die Errichtung einer Nuntiatur 
überhaupt zu gestatten, und es kann von dem 
Nuntien usw. 
  
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Souverän, an dessen Hof eine ständige Nuntiatur 
besteht, die Annahme des vom Papfst designierten 
Nuntius abgelehnt werden, wenn die Person des- 
selben nicht für geeignet angesehen wird, den Ver- 
kehr des Papstes mit dem Staatsoberhaupt zu 
vermitteln. Selbstverständlich müssen vice versa 
die gleichen Befugnisse auch dem Papst hinsichtlich 
der Gesandtschaften bzw. der Gesandten zustehen. 
welche ein Souverän an der Kurie beglaubigen 
will. (Auf Grund dieses Prinzips hat Pius IX. 
es abgelehnt, einen Kardinal der römischen Kirche 
als diplomatischen Vertreter eines Staatsober- 
haupts beim Papst zuzulassen.) Freilich gilt 
anderseits im modernen Staatsleben der ständige 
diplomatische Verkehr unbestrittenermaßen als „ein 
wesentliches Element“ des friedlichen und freund- 
schaftlichen Verhältnisses der Staaten; wenn also 
ein Staat die Errichtung einer angebotenen stän- 
digen Nuntiatur verwehrt oder gar (wie dies in 
neuester Zeit wiederholt geschehen ist) die Auf- 
hebung bereits bestehender diplomatischer Bezie- 
hungen erzwingt, so muß dies als Zeichen ernster 
Zerwürfnisse und Mißhelligkeiten, als Vorbote 
des „Kriegszustands“ zwischen Kirche und Staat 
angesehen werden. 
In den letzten Jahrzehnten wurde wiederholt 
die Frage erörtert, ob der Papst einseitig, ohne 
Genehmigung des betreffenden Staats, einen 
Nuntius für ein Gebiet bestellen könne, welcher 
gar nicht in der Eigenschaft eines diplomatischen 
Vertreters erscheint, die Vorrechte eines solchen 
nicht beansprucht, sondern bloß als ein vom Papst 
beauftragter Kommissarius den Verkehr des Pap- 
stes mit den Ordinarien zu vermitteln, als Ver- 
trauensorgan desselben für die Wahrung der kirch- 
lichen Interessen einzutreten und das päpstliche 
Oberaufsichtsrecht gegenüber den lokalen Kirchen- 
obern zur Geltung zu bringen hätte. Wenn der 
moderne Staat die katholische Kirche, somit auch 
die Autorität des päpstlichen Primats, für die 
Katholiken seines Gebiets überhaupt anerkennt 
und dem Klerus wie den Gläubigen den freien 
und ungehinderten Verkehr mit der Kurie gestattet, 
so kann er auch die Zulassung solcher Kommissarien 
und Beauftragten des Papstes — mag man die- 
selben nun „Nuntien“ nennen oder, wie in jenen 
Missionsländern, in welchen die Kurie solche Auf- 
sichtsorgane zu bestellen pflegt, „Apostolische Dele- 
gaten“ — nicht verwehren. Sagt doch selbst Fe- 
bronius: Romanus Pontifex habet ius mit- 
tendi legatos ad opus officü sui primatia- 
lis. Secilicet cum Supremo Pontifici vi 
sui muneris incumbat cura, inspectio in 
omnes ecclesias, is nullibi quoad hoc potest 
haberi pro extraneo. Quia vero ipse omni- 
bus adesse non potest, sic prohiberi nequit, 
duominus per nuntios has suas partes ex- 
pleat. Ea ratione in c. un. de cons. int. Ex- 
trav. Comm. principes et subditi excommuni- 
cantur, si prohibeant ingressum legati Pon- 
tificis (De statu ecclesiae I, c. 2, § 10).
	        
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