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und der bischöflichen Amtsführung zu ermöglichen.
Im Sinne der Vorschriften des Trienter Konzils
(sess. XXII, c. 2 decr. de ref.) überträgt die
Kurie ferner den Nuntien die Untersuchung über
die Tauglichkeit der zum Bischofsamte Designierten
und die vorläufige Prüfung der Rechtsbeständig-
keit des Besetzungsakts (den sog. Informativ=
prozeß). Endlich wird den Nuntien in ihren
speziellen Fakultäten bisweilen noch immer die
Vollmacht gewährt, gewisse Indulte und Dispense
namens des Apostolischen Stuhls zu erteilen;
jedenfalls ist aber ein solches direktes Eingreifen
der Nuntien in die Aufgaben der kirchlichen Ver-
waltung gegenwärtig nicht mehr die Regel.
Während früher die Mehrzahl der Nuntiaturen
kirchliche Gerichtsbarkeit übten und auf
Grund ihrer Fakultäten als Appellationstribunale
sungierten, wurde bei der Wiederherstellung der
Nuntiaturen nach dem Wiener Kongreß den
meisten derselben eine kirchliche Gerichtsbarkeit
nicht mehr übertragen. (Soviel bekannt, steht eine
solche Kompetenz gegenwärtig nur noch der Nun-
tiatur am spanischen Hof zu. welcher schon 1537
auf Begehren Karls I. IV.] Papst Paul III.
eine solche Jurisdiktion delegiert hatte. Seit 1771
wurde dieselbe nicht mehr vom Auditor des Nun-
tius, sondern durch ein von Klemens XIV. orga-
nisiertes Tribunal [Rota der Nuntiatur] geübt.)
Gegenüber der oft wiederkehrenden unbegründeten
Behauptung, die Kurie habe den Nuntien gesetz-
widrige Eingriffe in das Gebiet der bischöflichen
Kompetenz gestattet, hat schon die oben zitierte
Responsio Papst Pius' VI. (c. 8, sect. 5, ed.
Flor. 1790, S. 456) darauf hingewiesen, daß die
Nuntien seit dem Trienter Konzil durch ausdrück-
liche Klauseln ihrer Vollmachten verpflichtet wur-
den, die ausschließliche Zuständigkeit der Ordi-
narien zur Entscheidung der kirchlichen Rechts-
sachen in erster Instanz (Conc. Trid. sess. XXIV,
. 20 decr. de re⅝.) zu respektieren und ihre
Jurisdiktion nur als Appellationsrichter (Conc.
Trid. sess. XXII, c. 7 decr. de ref.) zu üben.
Dies gilt nicht etwa nur von den Nuntiaturen
im Gebiet des alten deutschen Reichs, sondern
nicht minder von jenen der romanischen Länder
Südeuropas. (Vgl. bezüglich der Fakultäten des
Madrider Nuntius das Konkordat von 1737,
Art. 12, das Breve Klemens'’ XIII. vom 18. Dez.
766, pct. I, IX, XIV, das Breve Klemens'’ XIV.
vom 26. März 1771, pct. VII, VIII, bei Hergen-
röther im Archiv für katholisches Kirchenrecht X
208; XI 383, 385, 386, 399 f.)
Da die jetzigen Nuntiaturen sämtlich diplo-
matische Vertretungen sind, so gilt der
allgemeine völkerrechtliche Grundsatz, welcher es
jedem Staatsoberhaupt freistellt, die Errichtung
einer ständigen Gesandtschaft abzulehnen oder die
Annahme eines Gesandten zu verweigern, auch
für die päpstlichen Nuntien. Deshalb ist also kein
Staat verpflichtet, die Errichtung einer Nuntiatur
überhaupt zu gestatten, und es kann von dem
Nuntien usw.
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Souverän, an dessen Hof eine ständige Nuntiatur
besteht, die Annahme des vom Papfst designierten
Nuntius abgelehnt werden, wenn die Person des-
selben nicht für geeignet angesehen wird, den Ver-
kehr des Papstes mit dem Staatsoberhaupt zu
vermitteln. Selbstverständlich müssen vice versa
die gleichen Befugnisse auch dem Papst hinsichtlich
der Gesandtschaften bzw. der Gesandten zustehen.
welche ein Souverän an der Kurie beglaubigen
will. (Auf Grund dieses Prinzips hat Pius IX.
es abgelehnt, einen Kardinal der römischen Kirche
als diplomatischen Vertreter eines Staatsober-
haupts beim Papst zuzulassen.) Freilich gilt
anderseits im modernen Staatsleben der ständige
diplomatische Verkehr unbestrittenermaßen als „ein
wesentliches Element“ des friedlichen und freund-
schaftlichen Verhältnisses der Staaten; wenn also
ein Staat die Errichtung einer angebotenen stän-
digen Nuntiatur verwehrt oder gar (wie dies in
neuester Zeit wiederholt geschehen ist) die Auf-
hebung bereits bestehender diplomatischer Bezie-
hungen erzwingt, so muß dies als Zeichen ernster
Zerwürfnisse und Mißhelligkeiten, als Vorbote
des „Kriegszustands“ zwischen Kirche und Staat
angesehen werden.
In den letzten Jahrzehnten wurde wiederholt
die Frage erörtert, ob der Papst einseitig, ohne
Genehmigung des betreffenden Staats, einen
Nuntius für ein Gebiet bestellen könne, welcher
gar nicht in der Eigenschaft eines diplomatischen
Vertreters erscheint, die Vorrechte eines solchen
nicht beansprucht, sondern bloß als ein vom Papst
beauftragter Kommissarius den Verkehr des Pap-
stes mit den Ordinarien zu vermitteln, als Ver-
trauensorgan desselben für die Wahrung der kirch-
lichen Interessen einzutreten und das päpstliche
Oberaufsichtsrecht gegenüber den lokalen Kirchen-
obern zur Geltung zu bringen hätte. Wenn der
moderne Staat die katholische Kirche, somit auch
die Autorität des päpstlichen Primats, für die
Katholiken seines Gebiets überhaupt anerkennt
und dem Klerus wie den Gläubigen den freien
und ungehinderten Verkehr mit der Kurie gestattet,
so kann er auch die Zulassung solcher Kommissarien
und Beauftragten des Papstes — mag man die-
selben nun „Nuntien“ nennen oder, wie in jenen
Missionsländern, in welchen die Kurie solche Auf-
sichtsorgane zu bestellen pflegt, „Apostolische Dele-
gaten“ — nicht verwehren. Sagt doch selbst Fe-
bronius: Romanus Pontifex habet ius mit-
tendi legatos ad opus officü sui primatia-
lis. Secilicet cum Supremo Pontifici vi
sui muneris incumbat cura, inspectio in
omnes ecclesias, is nullibi quoad hoc potest
haberi pro extraneo. Quia vero ipse omni-
bus adesse non potest, sic prohiberi nequit,
duominus per nuntios has suas partes ex-
pleat. Ea ratione in c. un. de cons. int. Ex-
trav. Comm. principes et subditi excommuni-
cantur, si prohibeant ingressum legati Pon-
tificis (De statu ecclesiae I, c. 2, § 10).