1413
O“'Connell als ihrem Führer mit solcher Be-
geisterung und Hingebung, daß erauf der „Parade“
von Cork das Gelöbnis ablegte: „Solange ich
leben werde, werde ich an eurer Seite stehen; nie
werde ich das arme Irland und seinen Glauben
preisgeben.“ Im Triumph trug man ihn zu
seiner Wohnung; nie war O'Connell dem katho-
lischen Volk so nahe getreten, und ehe noch das
Veto mit der bedingten Emanzipation gefallen,
hatten die Antivetoisten die große Mossop-Medaille
mit dem Kopf O“Connells schlagen lassen, auf
die dieser bis an sein Ende stolz war.
Die Lage in Irland mahnte die Katholiken drin-
gender als je zur Einigkeit. Der Sturz Napoleons
hatte die Londoner Regierung von ihrem größten
Gegner befreit, als (Juni 1814) dem irischen
Unterstaatssekretär Robert Peel der Befehl zur
Unterdrückung des „katholischen Bureaus" als auf-
rührerisch und vaterlandsverräterisch zuging. Den
Protest O'Connells beantwortete Peel mit der
Coercion Act, der Insurrection Act und der
Peace Preservation Act, alle vom Jahre 1814;
zu ihrer nachdrücklichen Anwendung wurde eine
große bewaffnete Polizeimannschaft (Irish Con-
stabulary) eingeführt; dazu kamen noch zwei
Gesetze zugunsten der Landlords, um die Aus-
weisungen der widerstehenden Bauern (evictions)
leichter zu machen, alles das, um, wie „Orange“=
Peel erklärte, „den gegen die Protestanten mit
der Union übernommenen Verpflichtungen gerecht
zu werden“. In Kürze brachten das Elend, die
Ausweisungen, die Verfolgungen über die ver-
zweifelnden Katholiken solches Leid, daß O'Connell
später nur mit tiefer Wehmut von diesen Tagen
sprechen konnte. Mit eignem Geld mußte er,
um nur einen Mittelpunkt für die katholische Be-
wegung in Dublin zu retten, ein elendes Haus in
der abgelegenen Crow Street mieten. Doch er
verzagte nicht, auch nicht, als sich unter Grattans
Führung Lord Fingal und die Aristokraten als
Seceders gegen die neue, von 23 Bischöfen
und 1052 Priestern unterschriebene Volkspetition
wandten. Allein die Abweisung derselben, die un-
ermüdete Arbeit O'Connellsin dem „Versöhnungs-
komitee“ (seit Febr. 1817), die Annäherung der
englischen Katholiken (1816) und selbst der irischen
Protestanten (1819), das letzte Auftreten Grattans
(gest. 24. Mai 1820) zugunsten der Katholiken
und der hochherzige Dank O'Connells im Namen
des irischen Volks, dann O'Connells „offene
Briefe“ an dasselbe (1819/22) bereiteten die
endliche Einigung vor; die Enttäuschungen des
Regierungswechsels (1820) und der Fall der neuen
— Emanzipationsbill brachten sie zur
eife.
Am 12. Mai 1823 traten nach O'Connells
eigenstem Plan der Klerus, die Pairs, das katho-
lische Volk in dem Verein der irischen Ka-
tholiken zusammen. Das erste Jahr brachte einen
Mißerfolg. Der Hunger, die Epidemien, agrarische
Greuel, die Zwangsgesetze, der Spott über die
O'“Connell.
1414
„katholische Rente“, den Vereinsbetrag, lähmten
alle Energie. O'Connell, der in London vor der
Parlamentskommission mit seiner Verteidigung
der irischen Interessen allseitige Bewunderung
erregt hatte, fand bei der Rückkehr nach Dublin
(1. Juli) den Befehl des Parlaments zur Suspen-
sion aller politischen Vereine und Versammlungen
auf zwei Jahre vor; immerhin konnte er seine
neue Organisation als charitativen Verein retten.
Als er dann seit 1826 das Land bereiste und
triumphierend die Agitation ordnete, war die Rente
schon von 22½ Pfund auf 900 gestiegen; bald
darauf betrug die Jahreseinnahme des Agitations-
sonds bereits 9400 Pfund. Das Jahr 1826 brachte
den ersten Sieg: in Waterford unterlag auf O'Con-
nells Rede („Denke an deine Seele!“) durch den
Widerstand der abhängigen Pächter der Kandidat
der Landlords. In Clare (5. Juli 1828) siegte
O“'Connell selbst mit ungeheurer Majorität. Die
Regierung sah, daß das Spiel für sie verloren sei.
Robert Peel verlangte zwar 10. Febr. 1829 die
Unterdrückung des „Vereins der irischen Katho-
liken“, brachte aber schon am 5. März die Eman-
zipationsbill ein; sie siegte am 30. März
im Unterhause, am 10. April im Oberhause unter
Wellingtons entschlossener Verteidigung und wurde
am 13. April nach heftigem Wrderstreben des
Königs Georg IV. Gesetz mit einer unschädlichen
Klausel gegen die katholischen Orden und der für
Irland harten Erhöhung des Wahlzensus von
40 Schilling auf 10 Pfund. Obschon der Test-
eid gefallen und den Katholiken der Zutritt zum
Parlament geöffnet war, wurde O'Connell, der
am 15. Mai 1829 in das Haus trat, der Testeid
abverlangt, weil er noch unter der alten Gesetz-
gebung gewählt war. Auf Broughams Antrag
wurde er vor die Barre des Parlaments gerufen;
die ihm vorgelegte Eidesformel erklärte er als auf
Unwahrheiten und falschen Tatsachen beruhend
und warf sie auf den Tisch des Hauses. Seine
Wahl wurde annulliert; aber nach der unter un-
geheurem Jubel erfolgten Wiederwahl in Clare
nahm er noch 1829 seinen Sitzein.
O'Connells parlamentarische Tätig-
keit, für welche ihm noch fast 18 Jahre beschieden
waren, ist verschieden, oft auch auf katholischer
Seite hart beurteilt worden, unseres Erachtens
mit Unrecht, wofern man dieselbe mit Rücksicht
auf die Gesamtlage des englischen Reichs, den
persönlichen Charakter O'Connells und die Not-
wendigkeit betrachtet, den Repeal, das große End-
ziel seines Lebens, vorzubereiten. Letzteres geschah
in den beiden ersten Perioden seines parlamen-
tarischen Wirkens. In der ersten Periode (bis
zum Sturze des Ministeriums Peel, 1835) fand
O'Connell durch seine unvergleichliche Redege-
walt, seine vollendete Personen- und Sachkennt-
nis, die erleuchtete und hingebende Liebe zu seinem
Volk ungeteilte Bewunderung: kein Fehler seiner
Gegner blieb unbeachtet, keine Ungerechtigkeit un-
gestraft, keine Frage der innern oder äußern Politik
45