Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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regul. c. 15, 17). Pius IX. aber hat, um den 
staatlichen Anforderungen entgegenzukommen, be- 
stimmt, daß in Mönchsorden nach erreichtem 
17. Lebensjahr zunächst nur vota simplicia und 
erst nach Ablauf von drei weiteren Jahren seit 
Ablegung der einfachen Gelübde vota sollemnia 
abgelegt werden dürfen. Neuere Bestimmungen 
verordnen das auch für die Frauenorden. Somit 
kann die professio religiosa heute erst nach voll- 
endetem 19. Lebensjahr abgelegt werden. Ubrigens 
darf der Ordensobere die Profeßablegung noch 
weiter, ohne päpstliche Erlaubnis aber nicht über 
das 25. Lebensjahr aufschieben. Ohne diese vor- 
ausgegangenen vota simplicia ist die Profeß- 
leistung ungültig. Für den Gelobenden sind diese 
vota perpetua und kann nur der Papst von 
ihnen dispensieren. Doch kann auch der Orden 
die einfachen Professen noch dimittieren. Diese 
sind an die Regel gebunden, haben in weniger 
wichtigen Sachen Stimmrecht im Kapitel, sind 
aber nicht passiv wählbar und unfähig für die 
ordines maiores. Auch behalten sie das Eigen- 
tumsrecht über ihr Vermögen, dessen Verwaltung 
und Nutznießung sie aber während der vota 
simplicia jemand anderem, etwa dem Kloster, zu 
übertragen haben (Pius IX. „Neminem latet“ 
vom 19. März 1857 und „Ad universalis ec- 
clesiae“ vom 7. Febr. 1862; S. Congr. Episc. 
et Regul. 3. Mai 1902). 
3. Weiter ist nötig volle Besinnung und 
Willensfreiheit. Ein Gelübde aus Zwang 
oder Furcht ist nichtig. Über die Freiheit der 
weiblichen Novizen hat sich der Bischof sowohl 
vor der Einkleidung zum Noviziat als vor der 
Profeßablegung zu vergewissern (Trid. sess. 
XXVde regul. c. 17, 18). Auf Nötigung 
einer Frauensperson zum Eintritt in das Klo- 
ster wie auf Verhinderung hieran hat das Tri- 
dentinum die Exkommunikation gesetzt (Sess. 
XXVderegul.c. 18). Zur Wahrung des freien 
Eintritts hat das gleiche Konzil verordnet, daß 
kein vermögensrechtlicher Verzicht eines Novizen 
gültig sein solle, außer er geschehe mit Erlaubnis 
des Bischofs und innerhalb der zwei letzten Mo- 
nate vor dem wirklichen Eintritt (Sess. XXV de 
regul. c. 16). Ein Verzicht auf das Benefizium 
wird erst mit der prokessio gültig. Dem Aus- 
tretenden ist alles Eingebrachte mitzugeben mit 
Ausnahme des vom Kloster auf ihn Aufgewandten 
(Trid. sess. XXV de regul. c. 16). 
4. Wer in das Kloster gehen will, muß über seine 
Person frei verfügen können. Der Ehegatte 
bedarf der Einwilligung des andern, und diese ist 
nur dann gültig, wenn dieser entweder selbst Re- 
ligiose wird, oder bei vorgerückterem Alter wenig- 
stens ein einfaches Gelübde der Keuschheit ablegt. 
Ohne solche Zustimmung kann der Gatte in das 
Kloster gehen, wenn der andere sich eines Ehe- 
bruchs schuldig gemacht hat, oder innerhalb der 
beiden ersten Monate nach Abschluß der noch nicht 
vollzogenen Ehe. Ein Bischof kann nur mit Er- 
Orden ufw. 
  
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laubnis des Papstes Mönch werden. Ein Priester 
braucht die Erlaubnis seines Bischofs nicht. Kin- 
der, welche für Eltern zu sorgen haben, sollen nicht 
in einen Orden treten, und noch weniger Eltern 
mit unerwachsenen Kindern. 
5. Zu vermeiden ist bei Aufnahme in einen 
Orden jegliche Simonie unter Strafe der dem 
Papst reservierten Exkommunikation (Pius IX. 
„Apostolicae Sedis moderationi“ vom 12.Okt. 
1869,. II, 10). Doch ist in den Frauenklöstern 
das Mitbringen einer dos statthaft. 
V. Gelübde. Ist das Noviziat und die Zeit 
der professio votorum simplicium vorüber, so 
ist der Novize entweder zur Ablegung der feier- 
lichen Gelübde, zur professio religiosa, zuzu- 
lassen oder zu entlassen. 
1. Ein Gelübde ist ein Gott gemachtes Ver- 
sprechen, etwas ihm Wohlgefälligeres zu tun. — 
Damit wirklich ein Gelübde vorhanden ist, muß 
auf seiten des Gelobenden die Absicht bestehen, 
sich durch ein Gelübde zu verpflichten. Sodann 
ist nötig volles Bewußtsein, Verständnis des Ge- 
lobten und freier Wille. Ein wesentlicher Irrtum 
und unwiderstehlicher Zwang lassen kein Gelübde 
zustande kommen. Dagegen macht Drohung und 
Furcht ein solches noch nicht ohne weiteres ungültig, 
außer die Kirche habe wegen der Tragweite dessel- 
ben das von vornherein erklärt, so bei den Ordens- 
gelübden. Das Gelobte selbst muß möglich und 
moralisch gut sein, jedenfalls besser als die Unter- 
lassung desselben (bonum melius). — Man unter- 
scheidet die Gelübde in persönliche und sachliche, 
je nachdem eine persönliche Leistung oder eine sach- 
liche Hingabe versprochen wird; in bestimmte und 
disjunktive, je nachdem etwas Bestimmtes ver- 
sprochen oder die Wahl offen gelassen wird; in 
bedingte und unbedingte, je nachdem die Über- 
nahme der Verpflichtung vom Eintritt einer Be- 
dingung abhängig gemacht wird oder nicht; in 
private und öffentliche, je nachdem diese vom ein- 
zelnen für sich und vor Gott oder vor dem kirch- 
lichen Obern als Zeugen und Wächter über die- 
selben abgelegt werden. Offentlich sind namentlich 
die Gelübde, die beim Eintritt in den Ordens- 
stand abgelegt werden. Diese werden wieder unter- 
schieden in feierliche und einfache. Feierliche heißen 
sie nicht wegen der größeren oder geringeren Feier- 
lichkeit bei ihrer Ablegung, als vielmehr wegen 
der Festigkeit durch Annahme seitens der Kirche. 
Endlich unterscheidet man reservierte und nicht 
reservierte Gelübde, indem die ersteren vom kirch- 
lichen Obern der Verfügung des untergeordneten 
kirchlichen Richters entzogen sind. — Ein gültiges 
Gelübde muß erfüllt werden in bestimmter Frist, 
wenn es unter solcher abgelegt wurde, andernfalls 
in nach vernünftigem Urteil zu bemessender Zeit. 
Doch darf aus guten Gründen im letzteren Fall 
auch Aufschub stattfinden. Persönliche Gelübde 
gehen nicht auf den Nachfolger über, wohl aber 
sachliche auf den Rechtsnachfolger. — Richterin 
in Sachen der Gelübde ist die Kirche. Sie be-
	        
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