Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1463 
ihrer Verteidigung erfreute (Majestätsbrief 1609), 
mußte sich Ferdinand II. den Weg zum Thron 
erst durch die Schlacht am Weißen Berge 1620 
gegen die böhmischen Utraquisten und den Winter- 
könig Friedrich von der Pfalz erkämpfen. Durch 
die vernichtende Niederlage, die der böhmische 
Adel hier erlitt, erfuhr die landesherrliche Gewalt 
einen bedeutsamen Zuwachs, der sich in der ver- 
neuerten Landesordnung des Jahres 
1627 ausprägt. Böhmen wurde hiernach zum 
Erbland des Hauses Habsburg erklärt, dem König 
das Recht der Gesetzgebung (mit Ausnahme der 
Steuerbewilligung) und Amterverleihung zuge- 
sprochen. Die deutsche Sprache erhielt die Gleich- 
berechtigung mit der tschechischen. So hatte in 
Osterreich die Gegenreformation wie in den pro- 
testantischen Fürstentümern des Reichs die Re- 
formation zum Sieg des landesherrlichen Absolu- 
tismus beigetragen. Der Dreißigjährige Krieg 
schlug auch der österreichischen Volkswirtschaft die 
schwersten Wunden und hinterließ als Erbe neben 
der Zerrüttung des deutschen Reichs eine neue 
Verschärfung des alten Gegensatzes zwischen Habs- 
burgern und Bourbonen und maßlose Ansprüche 
Frankreichs auf deutschen Reichsboden. Osterreich 
hatte nach zwei Fronten den Krieg zu führen, 
gegen die Türken im Osten, gegen Frankreich, zu- 
erst für die Wahrung des reichsdeutschen Besitz- 
stands, dann im Kampf um das Erbe der spanischen 
Habsburger, im Westen. Die kaiserlichen Waffen 
erstritten unter der Führung Eugens von Savoyen 
im Spanischen Erbfolgekrieg (1701/14) zwar glän= 
zende Erfolge, doch überstiegen die erforderlichen 
finanziellen Aufwendungen trotz englischer Sub- 
sidien bei weitem die Kräfte der habsburgischen 
Erblande, und der erzielte Landerwerb (Belgien, 
Mailand, Neapel und Sardinien) erhöhte nur die 
Schwierigkeiten der Verwaltung des ungeheuren, 
räumlich getrennten Länderbesitzes, vermehrte die 
Möglichkeiten kriegerischer Verwicklungen, ohne die 
politische und finanzielle Macht des habsburgischen 
Staats wesentlich zu stärken. 
B. Geschichte des Gesamtstaats bis zur 
Begründung des Dualismus (1740/1867). 
1. Die theresianisch-josephinische 
Periode (1740/90). Im Jahr 1740 erlosch 
mit Karl VI. der habsburgische Mannesstamm, 
und Karls Tochter Maria Theresia, vermählt 
mit Franz von Lothringen, folgte auf dem öster- 
reichischen Thron. Ihre Erbfolge war durch die 
Pragmatische Sanktion (1713), ein Hausgesetz, 
das in den Jahren 1720/25 die Zustimmung aller 
Landtage der Monarchie erhalten hatte und so zum 
ersten gemeinsamen Staatsgrundgesetz des Gesamt- 
staats wurde, sichergestellt worden. Gegen die Nach- 
barstaaten aber, die Karl VI. durch mit großen 
Opfern erkaufte Verträge für das Erbfolgerecht 
seiner Tochter gewonnen glaubte, mußte dieses 
Recht erst mit dem Schwert durchgesetzt werden. 
Hierbei ging der größere Teil von Schlesien 
dauernd an Preußen verloren. In der Regierungs- 
Osterreich-Ungarn. 
  
1464 
zeit Maria Theresias und ihres Sohnes Jo- 
sephs II. (1740/90) und durch die von diesen 
Herrschern auf allen Gebieten des staatlichen Le- 
bens durchgeführten Reformen wurde der moderne 
zentralisierte Beamtenstaat in Osterreich geschaffen. 
Der äußere Umfang des Staats wurde in diesem 
Zeitraum durch die bei der zweimaligen Teilung 
Polens (1772, 1795) erworbenen Gebiete Gali- 
ziens, durch die 1775 von der Türkei abgetretene 
Bukowina und durch das im Bayrischen Erbfolge- 
streit(1778/79) erworbene Innviertelerweitert. Die 
Hauptgrundsätze der Verwaltungsreformen Maria 
Theresias und Josephs II. sind den Lehren der 
merkantilistischen und physiokratischen Politik ent- 
nommen und fußten auf dem praktischen Beispiel 
Frankreichs und Preußens. Doch ging Joseph II. 
in seinem Reformeifer weit über diese Vorbilder 
hinaus. Maria Theresia führte in der Zeit von 
1748 bis 1756 die Trennung der Justiz von der 
Verwaltung bei den obersten Hofstellen durch, ver- 
staatlichte die untere Verwaltung durch Einfüh- 
rung der Gubernien als Landesstellen, der Kreis- 
ämter als unterster Verwaltungsbehörden und 
durch Einschränkung der patrimonialen Gerichts- 
barkeit und Polizei. Joseph II. suchte die Ver- 
waltungsreform auf Ungarn auszudehnen, er hob 
die Komitatsverfassung auf, teilte das Land in 
zehn Kreise und regierte ohne Landtag. Auch die 
kümmerlichen Überreste der ständischen Verfassung 
in den österreichischen Erblanden wurden von ihm 
beseitigt. Von besonderer Wichtigkeit aber sind 
die Reformen des Agrarrechts, die unter dem Na- 
men der Bauernbefreiung zusammengefaßt werden 
und in der Aufhebung der Erbuntertänigkeit 
(1781) gipfeln. Ihr Zweck war in erster Linie, 
durch Ermäßigung und Bindung der Roboten 
und sonstigen bäuerlichen Lasten den Bauer für 
Fiskus und Heeresdienst leistungsfähig zu er- 
halten; dann aber auch, durch Gewährung der 
Freizügigkeit den von der Regierung geförderten 
Fabriken Arbeitskräfte zuzuführen. Die Staats- 
einnahmen wurden durch Einbeziehung des herr- 
schaftlichen Besitzes in die Grundsteuerpflicht und 
durch Anlage eines Grundkatasters in den Jahren 
von 1740 bis 1780 von 60 auf 120 Mill. Kge- 
hoben. Unter Maria Theresia begannen die Ko- 
difikationsarbeiten auf dem Gebiet des Strafrechts, 
des Zivilrechts und des Zivilprozesses. Die Folter 
wurde abgeschafft, die Todesstrafe wesentlich ein- 
geschränkt. In den staatskirchlichen Beziehungen 
dehnte Maria Theresia mit Mäßigung, Joseph II. 
mit Ungestüm den staatlichen Einfluß aus. Joseph 
betrachtete und behandelte die Kirche als ein Werk- 
zeug des Staats zur Durchführung staatlicher 
Zwecke (Josephinismus). Das Placetum regium 
wurde streng gehandhabt, Fast= und Feiertage 
eingeschränkt, der Jesuitenorden 1773 in Oster- 
reich abgeschafft. Joseph II. hob ein Drittel sämt- 
licher Klöster auf und bildete aus ihrem Vermögen 
den Religionsfonds, der zur Errichtung neuer und 
zur Dotierung bestehender Pfarren verwendet wer-
	        
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