Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1491 
die Eisenbahnbetriebsdirektionen und Stations- 
ämter. Der Rechtspflege dienen 9 Oberlandes- 
gerichte, 71 Landes= und Kreisgerichte mit ebenso- 
vielen Schwurgerichten, 954 Bezirksgerichte. Die 
öffentliche Anklage wird durch die Generalproku- 
ratur und die Staatsanwaltschaften ausgeübt. 
Als fachmännisch beratende Organe stehen den 
Ministerien zur Seite der oberste Sanitätsrat, der 
Versicherungsrat (Ministerium des Innern), der 
Arbeitsbeirat, Industrierat und Gewerberat (Han- 
delsministerium), der Landwirtschaftsrat (Ackerbau- 
ministerium). Als autonome Interessenvertretungen 
unter staatlicher Aufsicht sind in den Kronländern 
organisiert: die Handels- und Gewerbekammern, 
Landeskulturräte, Advokatenkammern, Notariats- 
kammern, Arzte= und Apothekerkammern. 
Die autonome Verwaltung wird von 
den Landes= und Bezirksvertretungen, Landes= und 
Bezirksausschüssen und den Gemeindebehörden, die 
staatliche Verwaltung unterster Instanz ebenfalls 
von den Gemeindebehörden ausgeübt. Die staat- 
liche Statistik wird teilweise bei den Zentral- 
behörden selbst, zum größeren Teil aber von dem 
Bureau der statistischen Zentralkommission be- 
arbeitet. Die Statistik der autonomen Verwaltung 
ist noch nicht sehr entwickelt. Sie wird von den 
nur in einigen Ländern und größeren Städten 
befindlichen statistischen Landesämtern bzw. städti- 
schen statistischen Amtern gepflegt. 
In Ungarn hat die Selbstverwaltung noch 
ein viel weiteres Feld als im übrigen kontinentalen 
Europa, da hier der Absolutismus und seine Be- 
gleiterscheinung, die Bureaukratie, nie hatten Fuß 
fassen können. Verwaltung und Justiz sind seit 
1869 getrennt. Erstere wird durch das königlich- 
ungarische Staatsministerium, bestehend aus dem 
Ministerpräsidenten, 8 Fachministern (Inneres, 
Finanzen, Ackerbau, Handel, Kultus und Unter- 
richt, Justiz, Landesverteidigung, Minister am 
königlichen Hoflager) und dem kroatisch-flawoni- 
schen Ministerium (ohne Portefeuille) geleitet. De- 
zentralisierte untere staatliche Organe gibt es nur 
für wenige Verwaltungszweige (Finanzdirektionen, 
Staatsbauämter, königliche Schulinspektionen). 
Die meisten Zweige der Verwaltung werden von 
den autonomen Körperschaften, Munizipien und 
Gemeinden besorgt. Munizipien sind die 63 
Komitate und 24 Städte mit Jurisdiktionsrecht. 
Ihr Wirkungskreis umfaßt Selbstverwaltung, 
Vermittlung der staatlichen Verwaltung und Re- 
solutions= und Petitionsrecht in sonstigen öffent- 
lichen Angelegenheiten. Die Munizipien sind or- 
ganisiert im Munizipalausschuß (Repräsentanten- 
körper, Generalversammlung) und seinem Be- 
amtenkörper. Das Wahlrecht in den Munizipal- 
ausschuß ist von Steuerzensus und persönlichen 
Eigenschaften abhängig. An der Spitze jedes 
Munizipiums steht ein vom König ernann- 
ter Obergespan. Demselben steht die Ausfsicht 
über die im Munizipium befindlichen staat- 
lichen Verwaltungsbehörden zu, er kontrolliert die 
Osterreich-Ungarn. 
  
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Selbstverwaltung der Munizipien, vermittelt und 
überwacht die Ausführung der von den Muni- 
zipien als staatlichen Hilfsorganen besorgten mi- 
nisteriellen Anordnungen. Die wichtigsten exeku- 
tiven Organe der Komitate find: der Vizegespan, 
Notare, Fiskale u. a. am Sitz der Regierung, die 
Oberstuhlrichter an der Spitze der Kreise, die 
Stuhlrichter an der Spitze der Gemeinden. In 
den Städten mit Munizipalrecht steht an der Spitze 
der Bürgermeister, ihm zur Seite der Magistrat. 
Die Kosten der Munizipalverwaltung werden in 
den Komitaten durch Zuschläge zu den Staats- 
steuern und durch Staatszuschüsse, in den Städten 
mit Munizipalrecht von diesen allein durch Ge- 
meindezuschläge zu allen staatlichen Steuern und 
durch Vermögenseinkünfte aufgebracht. Die jähr- 
lich mindestens zweimalig zusammentretenden Ge- 
neralversammlungen der Munizipien haben neben 
der Schaffung des Statutarrechts noch sehr aus- 
gedehnte Verwaltungsagenden. Um das Zu- 
sammenwirken zwischen staatlichen und autonomen 
Organen zu fördern, besteht in jedem Munizipium 
unter Vorsitz des Obergespans ein aus Beamten 
beider Kategorien zusammengesetzter Verwaltungs- 
ausschuß. 
Die Gemeindeverfassung unterscheidet: Klein- 
gemeinden, die zur Besorgung ihrer Agenden sich 
mit andern Gemeinden verbinden müssen, Groß- 
gemeinden, die ihre Aufgaben aus eigner Kraft 
erfüllen, und Städte mit geordnetem Magistrat. 
Die Gemeindevertretung wird nach ähnlichen 
Grundsätzen wie der Munizipalausschuß gebildet. 
In den Klein= und Großgemeinden steht an der 
Spitze der Gemeindevorstehung (ausführendes 
Organ) der Richter, in den Städten der Bür- 
germeister mit dem Magistrat. Letztere Gemeinden 
besitzen ein eignes Besteuerungsrecht, erstere nur 
ein Zuschlagsrecht. Die ungarische Gerichtsver- 
fassung hat als erste Instanz 438 Bezirksgerichte 
(Einzelgerichte) und 76 Landgerichte (Kollegial- 
gerichte), die für Bezirksgerichtssachen als zweite 
Instanz fungieren; als zweite bzw. dritte Instanz 
12 königliche Tafeln, als höchste Instanz die könig- 
liche Kurie in Budapest. Die Verwaltungsgerichts- 
barkeit wird durch den Verwaltungsgerichtshof 
ausgeübt. 
An der Spitze der autonomen kroatischen 
Regierung steht der vom König ernannte, dem 
Landtag verantwortliche Banus. Ihm unterstehen 
3 Verwaltungsressorts: für innere Angelegen- 
heiten, Kultus und Unterricht und Justiz, an 
deren Spitze je ein Sektionschef steht. Die Lokal- 
verwaltung ist den Gespanschaften (Komitate) und 
Gemeinden übertragen und ähnlich wie in Ungarn 
organisiert. Auch die Gerichtsorganisation ist in 
3 Instanzen analog der ungarischen aufgebaut; 
es gibt 73 Bezirksgerichte, 9 Gerichtshöfe erster 
Instanz, die königliche Banaltafel und die könig- 
liche Septemviraltafel. 
Die Verwaltung Bosniens und der Her- 
cegovina wird unter Leitung des gemeinsamen
	        
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