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Finanzministeriums durch die bosnische Landes-
regierung in Serajewo geführt. An der Spitze
steht der Höchstkommandierende der in Bosnien
stationierten kaiserlichen und königlichen Truppen.
Ihm steht zur Leitung der Verwaltung ein Zivil-
adlatus zur Seite. Die Landesregierung zerfällt
in 4 Abteilungen: für innere Administration, für
Finanzen, für Justiz und für Bauwesen. Das
Land ist eingeteilt in 6 Kreise, 54 politische Be-
zirke, 25 Bezirksexposituren und den Distrikt der
Landeshauptstadt. Die Verwaltung ist bureau-
kratisch organisiert, nur in den Bezirken sind den
Behörden als beratende Organe gewählte Ver-
treter der Bevölkerung (Medschlis) beigegeben,
doch wird seit der Annexion an dem Ausbau der
Selbstverwaltung gearbeitet. Die Gemeindever-
fassung ist nur in einzelnen größeren Gemeinden
mit Gemeindestatuten kräftiger ausgebildet. Die
große Zahl der Dorfgemeinden hat eine sehr
primitive Organisation, bei der von Selbstver-
waltung nicht gesprochen werden kann. Weit besser
ausgebaut ist die Autonomie der Kultusgemein-
den aller Konfessionen. Die Justiz ist in der
untersten Stufe bei den Bezirksämtern noch orgoni-
satorisch mit der Verwaltung verbunden. In den
oberen Instanzen (Kreisgerichte und Obergericht in
Serajewo) sind beide Funktionen getrennt. Durch
Allerhöchsten Entschluß vom 17. Febr. 1910 wurde
den Ländern Bosnien und Hercegovina eine Re-
präsentativverfassung verliehen; diese umfaßt:
Landesstatut, Wahlordnung, Geschäftsordnung
des Landtags, Gesetz über Vereins= und Ver-
sammlungsrecht und über die Bildung von auto-
nomen Bezirksräten. Die Wahlen erfolgen nach
Interessenkurien ähnlich denen der österreichischen
Landtage, doch sind die Wähler nach Konfessionen
getrennt und jeder Konfession eine bestimmte Zahl
von Mandaten zugewiesen. Die Gesetzgebungs-
kompetenz ist weiter als die der österreichischen
Landtage, reicht jedoch an die des österreichischen
und ungarischen Parlaments nicht heran. In den
Delegationen ist Bosnien nicht vertreten. Zur
Einbringung von Regierungsvorlagen und zur
Vorlage von Landtagsbeschlüssen zur kaiserlichen
Sanktion ist Zustimmung der österreichischen und
ungarischen Regierung erforderlich.
IV. Kirche und Schule. (Geschichtliches s. Ab-
schnitt I.) 1. Katholische Kirche. Die äußern
Verhältnisse der katholischen Kirche in Osterreich
sind durch das Gesetz vom 7. Mai 1874 im Sinne
der staatlichen Oberaussicht und Schutzhoheit ge-
regelt. Nach diesem Gesetz ist staatliche Genehmi-
gung erforderlich zu Abänderungen in der Ein-
teilung der Kirchensprengel und Pfründen, zur
Veräußerung und Belastung des Stammverms-
gens der Kirchen und kirchlichen Anstalten. Der
Staat überwacht die Anlage des kirchlichen Ver-
mögens und leistet seine Hilfe zur Einbringung
von kirchlichen Abgaben und Stolgebühren; er
ergänzt das die Kongrua nicht erreichende seel-
sorgerliche Pfründeneinkommen durch Zuschüsse
OÖsterreich-Ungarn.
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aus dem Religionsfonds. Er ist berechtigt, staats-
feindliche Seelsorger und solche, die wegen eines
Delikts aus Gewinnsucht oder gegen die öffent-
liche Sittlichkeit verurteilt wurden, aus ihrem
Amt zu entfernen. Bischöfliche Erlasse sind den
Landesbehörden gleichzeitig mit ihrer Publikation
mitzuteilen. Der Staat wacht darüber, daß die
kirchliche Amtsgewalt nur gegen Konfessionsange-
hörige und ohne äußere Zwangemittel ausgeübt
werde. Er gewährt gegen kirchliche Verfügungen,
die ein Staatsgesetz verletzen, auf Bitte des Ver-
letzten Abhilfe (recursus ab abusu). Der Staat
leiht ferner der Kirche in der Ausübung der ihr
zustehenden Disziplinargewalt, unter Wahrung
seines Prüfungsrechts im einzelnen Fall, den
weltlichen Arm. Das Recht der religiösen Ge-
nossenschaften wurde zwar auch 1874 in einem
vom Parlament beschlossenen Gesetzentwurf ge-
regelt, derselbe fand jedoch nicht die kaiserliche
Zustimmung. Dieses Recht beruht daher noch
wesentlich auf den im Konkordat von 1855 dem
Staat eingeräumten Zugeständnissen. Hiernach
ist zur Einführung neuer Ordensgenossenschaften
kaiserliche Genehmigung, zur Errichtung neuer
Niederlassungen bestehender Orden landesbehörd-
liche Genehmigung erfordert. Den einzelnen Klö-
stern (auch den Bettelorden) kommt Rechtspersön-
lichkeit zu. In die Orden mit stabilitas loci
können nur österreichische Staatsbürger aufge-
nommen werden. Der Staat behält sich die Über-
wachung und Genehmigung der kanonischen Wah-
len der lebenslänglich bestellten klösterlichen Vor-
steher vor. Es gibt derzeit in Osterreich 9 katholische
Erzbistümer: Wien, Salzburg, Görz, Prag,
Olmütz, Zara und Lemberg (hier 3, je eines vom
lateinischen, griechischen und armenischen Ritus),
ferner 25 Bistümer, darunter 2 griechisch-unierte,
37 Dom= und 28 Kollegialkapitel, 7561 Pfarren
des lateinischen, 1877 des griechischen und 8 des
armenischen Ritus. Ferner gibt es 504 Männer-
klöster mit 9774 Mitgliedern, 177 Frauenklöster
mit 1025 Filialen und 23 484 Mitgliedern des
lateinischen, 20 Klöster mit 239 Mitgliedern des
griechischen Ritus. Zur Heranbildung des katho-
lischen Klerus dienen 8 theologische Universitäts-
fakultäten mit 1515 und 47 theologische Lehr-
anstalten (bischöfliche Seminare, Hausstudien der
Klöster) mit 1924 Hörern (1907). Die kirchen-
politische Stellung der katholischen Kirche in Oster-
reich ist seit dem Kulturkampf der 1870er Jahre
eine günstigere geworden, da seitdem wirtschaft-
liche und soziale Faktoren zu einer Einigung der
konservativen Elemente geführt haben, auf die sich
der Staat in seinem Kampf gegen die staats-
gefährlichen Tendenzen des radikalen Nationalis=
mus und Sozialismus stützen muß. UÜberdies
sind diese kirchenfeindlichen Elemente vorläufig
durch die nationalen Streitigkeiten in den Ver-
tretungskörpern lahmgelegt. Eine außerhalb des
Parlaments durch eine Vereinigung von alldeut-
schen Politikern, Freidenkern und evangelischen