Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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wird, ausgenommen in den folgenden beiden 
wichtigen Fällen: Eine Verfügung des Ver- 
pächters über den Pachtzins, z. B. durch Ab- 
tretung, ist dem Erwerber gegenüber insoweit 
wirksam, als sie sich auf den Pachtzins für das 
zur Zeit des Eigentumsübergangs laufende und 
das folgende Kalendervierteljahr bezieht; Ver- 
fügungen für eine spätere Zeit muß der Erwerber 
gegen sich gelten lassen, wenn er sie zur Zeit des 
Eigentumsübergangs gekannt hat. Ein Rechts- 
geschäft zwischen dem Verpächter und dem Pächter 
in Ansehung des Pachtzinses, z. B. betreffend 
Aufrechnung gegen Vorlagen für Reparaturen, 
ist dem Erwerber gegenüber wirksam, soweit es 
sich nicht auf den Pachtzins für eine spätere Zeit 
als das Kalendervierteljahr, in welchem der 
Pächter von dem Eigentumsübergang Kenntnis 
erlangt, und das folgende Vierteljahr bezieht; 
hat aber der Pächter Kenntnis von dem Eigen- 
tumsübergang, so ist jedes nach dem letzteren vor- 
genommene Rechtsgeschäft unwirksam. 
IV. Beendigung des Pachtverhältnisses. 
Das Pachtverhältnis endigt mit dem Ablauf 
der Zeit, für die es eingegangen ist. Ist die 
Pachtzeit nicht bestimmt (vgl. oben unter II), so 
kommt es auf die Kündigung an. Ist bei der 
Pacht eines Grundstücks oder eines Rechts die 
Pachtzeit nicht bestimmt, so ist die Kündigung nur 
für den Schluß eines Pachtjahrs zulässig; sie hat 
spätestens am ersten Werktag des halben Jahres zu 
erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht endigen soll. 
Eine vorzeitige Endigung findet das Pacht- 
verhältnis in den Fällen, in denen dem einen 
oder andern Teil ein Recht vorzeitiger Kündigung 
beigelegt ist. Dem Pächter steht ein solches Kün- 
digungsrecht zu, wenn ihm der vertragsmäßige 
Gebrauch des verpachteten Gegenstands nicht 
rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird; 
anderseits steht dem Verpächter ein solches Kün- 
digungsrecht zu, wenn der Pächter ungeachtet 
einer Abmahnung einen vertragswidrigen Ge- 
brauch des Pachtgegenstands fortsetzt, oder wenn 
der Pächter für zwei aufeinanderfolgende Ter- 
mine mit der Entrichtung des Pachtzinses oder 
eines Teils desselben in Verzug ist; für beide 
Fälle sind nähere Vorschriften gegeben, ins- 
besondere betreffend Rückerstattung im voraus 
entrichteten Pachtzinses. 
Wird ein Pachtvertrag für eine längere Zeit 
als 30 Jahre geschlossen, so kann nach 30 Jahren 
jeder Teil kündigen; die Kündigung ist unzu- 
lässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des 
Verpächters oder des Pächters geschlossen ist. 
Stirbt der Pächter, so ist der Erbe desselben, 
aber nicht der Verpächter, berechtigt, das Pacht- 
verhältnis zu kündigen; die Kündigung kann nur 
für den ersten Termin erfolgen für den sie zu- 
lässig ist. Der Tod des Verpächters ist auf das 
Pachtverhältnis ohne Einfluß. 
Für die Fälle des Konkurses des Verpächters 
oder des Pächters und der Zwangsversteigerung 
Pacht. 
  
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eines verpachteten Grundstücks sind besondere Vor- 
schriften gegeben (vgl. Konkursordnung 8§ 19/21; 
Gesetz über die Zwangsversteigerung und die 
Zwangsverwaltung vom 24. März 1897, § 57). 
V. Soziale und volkswirtschaftliche Be- 
deutung der Kandpacht. Für die Beurteilung 
der sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der 
Landpacht, auf welche die folgende Erörterung 
beschränkt werden soll, werden neben ihrer tat- 
sächlichen Verbreitung die ihr im Verhältnis zu 
der Selbstbewirtschaftung durch den Besitzer zu- 
zuerkennenden Vorteile und Nachteile in Betracht 
zu ziehen sein. Hierbei bedarf es nicht einer be- 
sondern Berücksichtigung der Bewirtschaftung 
durch stellvertretende Verwalter, der Admini- 
stration, als einer Unterart der Selbstbewirt- 
chaftung, da es volkswirtschaftlich als ausgemachte 
Sache gilt, daß sie „wegen der bei ihr unvermeid- 
lichen Instruktionen, Genehmigungsvorbehalte und 
Kontrollmaßregeln“, die den „ungeschickten und 
unredlichen Verwalter zwar zügeln, den geschickten 
und redlichen aber fesseln“, der Pachtung weit 
nachsteht, auch z. B. auf dem Gebiet, auf welchem 
sie vorzugsweise herrschend war, dem der Domänen= 
bewirtschaftung (s. d. Art. Domänen), von der 
letzteren fast vollständig verdrängt worden ist. Auch 
der Vergleich mit dem genossenschaftlichen Betrieb 
bzw. Betrieb durch eine Aktiengesellschaft kann wegen 
deren seltenen Vorkommens vollständig ausscheiden. 
1. Bei gleichen Voraussetzungen in der Person 
des Wirtschafters in Ansehung der Befähigung 
und Lust zu landwirtschaftlicher Betätigung, bei 
gleichem Unternehmungsgeist und gleichem auf die 
Wirtschaft zu verwendenden Betriebskapital ver- 
dient die Selbstbewirtschaftung durch den Besitzer 
vor der Bewirtschaftung durch einen Pächter vom 
nationalökonomischen Standpunkt aus betrachtet 
entschieden den Vorzug. Es ist nicht zu verkennen, 
daß der Eigentümer des Grund und Bodens an 
diesem, in welchem unter Umständen sein gesamtes 
Vermögen in der Form des Anlagekapitals — 
neben dem Betriebskapital, das bei dem Pächter 
ebenfalls in Rechnung zu stellen ist — steckt, ein 
viel lebhafteres und nachhaltigeres Interesse hat 
als der Pächter. Aufwendungen für wünschens- 
werte Meliorationen, deren Erfolg sowohl die 
Ertragsfähigkeit als auch den absoluten Wert des 
Guts zu erhöhen geeignet, demnach auch volks- 
wirtschaftlich durchaus von Bedeutung ist, wer- 
den von ihm weit eher zu erwarten sein, wenn er 
selbst wirtschaftet, also auch des erhöhten Er- 
trags unmittelbar teilhaftig wird, als wenn er 
das Gut in Pachtung gegeben hat und im gün- 
stigsten Fall die Aufwendungen durch Erhöhung 
des Pachtzinses wieder einzubringen bestrebt sein 
muß. Auch die vollständige Unabhängigkeit des 
selbstwirtschaftenden Eigentümers von jeder Rück- 
sichtnahme auf andere Personen und die damit 
ermöglichte schnellere und rücksichtslosere Ausfüh- 
rung für gut erkannter Maßnahmen fallen der 
Gebundenheit des Pächters gegenüber günstig 
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