Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Amte nach dem objektiven Rechte der Kirche ver- 
knüpften Amtsbefugnisse, also die im Amte als 
solchem begründete ordentliche Amtsgewalt, wird 
im kirchlichen Sprachgebrauche maioritas (im 
engeren Sinne) genannt, sofern dieselbe eine dem 
Amtsträger über seine Untergebenen zustehende, 
diese zum Gehorsam (Obedienz) verpflichtende 
Autorität bedeutet. (Im weiteren Sinne bezeichnet 
maioritas — ebenso wie praeeminentia, prae- 
cedentia — den Vorrang, welcher einem Amts- 
träger nicht bloß vor seinen Untergebenen, sondern 
allgemein kraft seines Weihegrades und seines 
Amtes vor allen Kirchengliedern gebührt, die nicht 
eine gleich ausgezeichnete Stellung einnehmen.) 
Im einzelnen sind Art, Umfang und Inhalt der 
Amtsrechte, welche den kirchlichen Amtsträgern 
zustehen, verschieden mit Rücksicht auf die wesent- 
liche Verschiedenheit der Amter und die besondern 
Aufgaben, welche das gemeine bzw. partikuläre 
Recht, endlich etwaige spezielle stiftungsmäßige 
Anordnungen dem Amte überwiesen haben. Der 
Amtsträger hat das Recht, seine Amtsbefugnisse 
im vollen Umfange auszuüben und die mit dem 
Amte verbundenen Einkünfte ohne jede Schmäle- 
rung zu beziehen; für Ansprüche, welche den 
Amtsträger in diesen Rechten beschränken sollen, 
muß ein besonderer Rechtsgrund erwiesen werden. 
Das kirchliche Amt ist seinem Träger nicht etwa 
in seinem persönlichen Interesse, zu seiner persön- 
lichen Befriedigung übertragen; das Amt besteht 
nicht um seines Trägers willen, sondern für die 
Zwecke und Aufgaben der Kirche. Das kirchliche 
Amt ist eine öffentliche, um der Interessen der 
kirchlichen Gemeinschaft willen geschaffene In- 
stitution; die Rechte des Amtsträgers sind ihm 
nicht gleich Privatrechten zu seiner persönlichen 
Befriedigung eingeräumt; sie bestehen, um ihm 
die Erfüllung der Aufgaben des Amtes zu er- 
möglichen, welche ihm die Kirche zur Pflicht 
macht. Das kirchliche Amt als öffentliches Amt 
ist seinem Wesen nach in erster Reihe als ein In- 
begriff von Pflichten des Amtsträgers auf- 
zufassen; derselbe hat alle seine Amtsbefugnisse 
gewissenhaft im Sinne der Forderungen der 
Kirche auszuüben; er ist nicht nur verpflichtet, die 
einzelnen in seinem Amte begründeten Dienste 
und Obliegenheiten überhaupt zu leisten, sondern 
in seiner amtlichen Berufsstellung, bei seiner 
Amtstätigkeit die allgemeinen kirchlichen Zwecke 
und Interessen nach Kräften zu fördern. 
Während die speziellen Amtspflichten, welche 
den besondern Aufgaben des Amtes entsprechen, 
selbstverständlich nach dem Wesen und den Auf- 
gaben des Amtes sehr verschieden sind, muß als 
allgemeine Pflicht der Kirchenbeamten die Ge- 
horsamspflicht hervorgehoben werden. Die ein- 
zelnen Kirchenämter stehen zueinander im Ver- 
hältnisse hierarchischer Uber= und Unterordnung, 
und so erscheint die Gehorsamspflicht — welche 
selbstverständlich keine unbegrenzte ist, sondern 
sich nur auf Befehle beziehen kann, zu deren Er- 
Kirchenamt. 
  
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lassung der Obere, zu deren Ausführung der 
Untergebene im Sinne des kirchlichen Rechts kom- 
petent ist — als eine wesentliche Voraussetzung 
des Bestandes dieser hierarchischen Ordnung wie 
einer gedeihlichen Wirksamkeit der kirchlichen Ver- 
waltung. Regelmäßig sind überdies die kirch- 
lichen Amtsträger auch verpflichtet, ihre Amts- 
funktionen persönlich zu erfüllen (Residenz- 
pflicht), und diese Regel gilt insbesondere hin- 
sichtlich jener Amter, deren Inhaber Träger einer 
kirchlichen Regierungsgewalt oder zu Funktionen 
der Seelsorge verpflichtet find. Die Fälle, in 
welchen kirchliche Organe ihrer Amtspflicht auch 
genügen, wenn sie die Funktionen ihres Amtes 
gänzlich einem Stellvertreter überlassen, können 
überhaupt im heutigen Recht als Ausnahmen 
bezeichnet werden. 
Das Kirchenamt hat wesentlich den Charakter 
eines öffentlichen Amtes. Wenn gegen diese 
Qualifikation kirchlicher Amter von manchen 
Widerspruch erhoben wird, so richtet sich dieser 
nicht gegen die Anerkennung des öffentlichen 
Charakters der Kirchenämter in dem oben ent- 
wickelten Sinne, sondern bedeutet nur eine Ver- 
wahrung gegen die Traditionen des Staatsab- 
solutismus, welcher die kirchlichen Organe als Be- 
amte des Staates behandelte, und gegen jene mo- 
dernen Bestrebungen, welche darauf abzielen, die 
Kirche in der freien Verfügung über die Kirchen- 
ämter — mit Rücksicht auf den öffentlichen Cha- 
rakter derselben — nach dem diskretionären Er- 
messen der Staatsverwaltung zu beschränken. (Da- 
gegen muß die Frage, ob die Kirchenämter als 
öffentliche Amter im Sinne des Strafgesetzbuchs 
für das Deutsche Reich [§§ 31, 359 R. Str. G. B.) 
anzusehen sind, verneint werden. Nur insoweit 
das Landesgesetz kirchlichen Organen noch staat- 
liche Aufgaben überträgt, sind die kirchlichen Or- 
gane bei der Verwaltung dieser Agenden als 
öffentliche Beamte im Sinne des Reichsstrafgesetz- 
buchs zu betrachten, welche den gesetzlichen Schutz 
gegen Eingriffe in ihr Amt genießen und denen 
gegenüber ein strafbares Delikt gegen die Aus- 
übung der Amtsgewalt begangen werden kann.) 
Schon in der Begriffsbestimmung wurde oben 
hervorgehoben, daß das Kirchenamt, der hier- 
archischen Verfassung der Kirche entsprechend, 
wesentlich eine klerikale Berufsstellung ist; kirch- 
liche Amtsträger (personae ecclesiasticae im 
engeren Sinne) können nur Kleriker, nicht aber 
auch Laien sein. Sofern untergeordnete Hilfs- 
funktionen der kirchlichen Verwaltung, welche nicht 
als eine Ausübung der Kirchengewalt erscheinen, 
nach der gegenwärtigen Disziplin vom Laien be- 
sorgt werden, können auch solche Dienstleistungen 
nicht mehr als officia ecclesiastica angesehen 
und nach den Grundsätzen, welche im Kirchen- 
rechte für die Behandlung der Kirchenämter ent- 
scheidend sind, beurteilt werden. Dieses Prinzip 
findet nicht etwa nur dann Anwendung, wenn 
solche dem Laienstand angehörende Personen 
 
	        
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