143
Amte nach dem objektiven Rechte der Kirche ver-
knüpften Amtsbefugnisse, also die im Amte als
solchem begründete ordentliche Amtsgewalt, wird
im kirchlichen Sprachgebrauche maioritas (im
engeren Sinne) genannt, sofern dieselbe eine dem
Amtsträger über seine Untergebenen zustehende,
diese zum Gehorsam (Obedienz) verpflichtende
Autorität bedeutet. (Im weiteren Sinne bezeichnet
maioritas — ebenso wie praeeminentia, prae-
cedentia — den Vorrang, welcher einem Amts-
träger nicht bloß vor seinen Untergebenen, sondern
allgemein kraft seines Weihegrades und seines
Amtes vor allen Kirchengliedern gebührt, die nicht
eine gleich ausgezeichnete Stellung einnehmen.)
Im einzelnen sind Art, Umfang und Inhalt der
Amtsrechte, welche den kirchlichen Amtsträgern
zustehen, verschieden mit Rücksicht auf die wesent-
liche Verschiedenheit der Amter und die besondern
Aufgaben, welche das gemeine bzw. partikuläre
Recht, endlich etwaige spezielle stiftungsmäßige
Anordnungen dem Amte überwiesen haben. Der
Amtsträger hat das Recht, seine Amtsbefugnisse
im vollen Umfange auszuüben und die mit dem
Amte verbundenen Einkünfte ohne jede Schmäle-
rung zu beziehen; für Ansprüche, welche den
Amtsträger in diesen Rechten beschränken sollen,
muß ein besonderer Rechtsgrund erwiesen werden.
Das kirchliche Amt ist seinem Träger nicht etwa
in seinem persönlichen Interesse, zu seiner persön-
lichen Befriedigung übertragen; das Amt besteht
nicht um seines Trägers willen, sondern für die
Zwecke und Aufgaben der Kirche. Das kirchliche
Amt ist eine öffentliche, um der Interessen der
kirchlichen Gemeinschaft willen geschaffene In-
stitution; die Rechte des Amtsträgers sind ihm
nicht gleich Privatrechten zu seiner persönlichen
Befriedigung eingeräumt; sie bestehen, um ihm
die Erfüllung der Aufgaben des Amtes zu er-
möglichen, welche ihm die Kirche zur Pflicht
macht. Das kirchliche Amt als öffentliches Amt
ist seinem Wesen nach in erster Reihe als ein In-
begriff von Pflichten des Amtsträgers auf-
zufassen; derselbe hat alle seine Amtsbefugnisse
gewissenhaft im Sinne der Forderungen der
Kirche auszuüben; er ist nicht nur verpflichtet, die
einzelnen in seinem Amte begründeten Dienste
und Obliegenheiten überhaupt zu leisten, sondern
in seiner amtlichen Berufsstellung, bei seiner
Amtstätigkeit die allgemeinen kirchlichen Zwecke
und Interessen nach Kräften zu fördern.
Während die speziellen Amtspflichten, welche
den besondern Aufgaben des Amtes entsprechen,
selbstverständlich nach dem Wesen und den Auf-
gaben des Amtes sehr verschieden sind, muß als
allgemeine Pflicht der Kirchenbeamten die Ge-
horsamspflicht hervorgehoben werden. Die ein-
zelnen Kirchenämter stehen zueinander im Ver-
hältnisse hierarchischer Uber= und Unterordnung,
und so erscheint die Gehorsamspflicht — welche
selbstverständlich keine unbegrenzte ist, sondern
sich nur auf Befehle beziehen kann, zu deren Er-
Kirchenamt.
144
lassung der Obere, zu deren Ausführung der
Untergebene im Sinne des kirchlichen Rechts kom-
petent ist — als eine wesentliche Voraussetzung
des Bestandes dieser hierarchischen Ordnung wie
einer gedeihlichen Wirksamkeit der kirchlichen Ver-
waltung. Regelmäßig sind überdies die kirch-
lichen Amtsträger auch verpflichtet, ihre Amts-
funktionen persönlich zu erfüllen (Residenz-
pflicht), und diese Regel gilt insbesondere hin-
sichtlich jener Amter, deren Inhaber Träger einer
kirchlichen Regierungsgewalt oder zu Funktionen
der Seelsorge verpflichtet find. Die Fälle, in
welchen kirchliche Organe ihrer Amtspflicht auch
genügen, wenn sie die Funktionen ihres Amtes
gänzlich einem Stellvertreter überlassen, können
überhaupt im heutigen Recht als Ausnahmen
bezeichnet werden.
Das Kirchenamt hat wesentlich den Charakter
eines öffentlichen Amtes. Wenn gegen diese
Qualifikation kirchlicher Amter von manchen
Widerspruch erhoben wird, so richtet sich dieser
nicht gegen die Anerkennung des öffentlichen
Charakters der Kirchenämter in dem oben ent-
wickelten Sinne, sondern bedeutet nur eine Ver-
wahrung gegen die Traditionen des Staatsab-
solutismus, welcher die kirchlichen Organe als Be-
amte des Staates behandelte, und gegen jene mo-
dernen Bestrebungen, welche darauf abzielen, die
Kirche in der freien Verfügung über die Kirchen-
ämter — mit Rücksicht auf den öffentlichen Cha-
rakter derselben — nach dem diskretionären Er-
messen der Staatsverwaltung zu beschränken. (Da-
gegen muß die Frage, ob die Kirchenämter als
öffentliche Amter im Sinne des Strafgesetzbuchs
für das Deutsche Reich [§§ 31, 359 R. Str. G. B.)
anzusehen sind, verneint werden. Nur insoweit
das Landesgesetz kirchlichen Organen noch staat-
liche Aufgaben überträgt, sind die kirchlichen Or-
gane bei der Verwaltung dieser Agenden als
öffentliche Beamte im Sinne des Reichsstrafgesetz-
buchs zu betrachten, welche den gesetzlichen Schutz
gegen Eingriffe in ihr Amt genießen und denen
gegenüber ein strafbares Delikt gegen die Aus-
übung der Amtsgewalt begangen werden kann.)
Schon in der Begriffsbestimmung wurde oben
hervorgehoben, daß das Kirchenamt, der hier-
archischen Verfassung der Kirche entsprechend,
wesentlich eine klerikale Berufsstellung ist; kirch-
liche Amtsträger (personae ecclesiasticae im
engeren Sinne) können nur Kleriker, nicht aber
auch Laien sein. Sofern untergeordnete Hilfs-
funktionen der kirchlichen Verwaltung, welche nicht
als eine Ausübung der Kirchengewalt erscheinen,
nach der gegenwärtigen Disziplin vom Laien be-
sorgt werden, können auch solche Dienstleistungen
nicht mehr als officia ecclesiastica angesehen
und nach den Grundsätzen, welche im Kirchen-
rechte für die Behandlung der Kirchenämter ent-
scheidend sind, beurteilt werden. Dieses Prinzip
findet nicht etwa nur dann Anwendung, wenn
solche dem Laienstand angehörende Personen