Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1539 
Petrus übergeben, der daher auch der Apostelfürst 
heißt. Zunächst hat er ihm den Primat verheißen. 
Denn nach einem herrlichen Glaubensbekenntnis 
an Christus als den Sohn des lebendigen Gottes 
sprach dieser zu Petrus: „Selig bist du, Simon, 
Sohn des Jonas; denn nicht Fleisch und Blut hat 
dir dies geoffenbart, sondern mein Vater, der im 
Himmel ist. Und ich sage dir: Du bist Petrus (der 
Fels), und auf diesen Felsen will ich meine Kirche 
bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht 
überwältigen. Und ich werde dir die Schlüssel des 
Himmelreichs geben, und was immer du binden 
wirst auf Erden, soll gebunden sein im Himmel, 
und was immer du lösen wirst auf Erden, soll 
auch gelöst sein im Himmel"“ (Matth. 16, 17—19). 
Mit diesen Worten hat Christus Petrus nach der 
übereinstimmenden katholischen Exegese die höchste 
Gewalt über seine Kirche verheißen. Doch wurde 
der Primat Petrus nicht bloß verheißen, sondern 
auch verliehen. Denn bei der letzten Erscheinung 
nach seiner Auferstehung gab Christus demselben 
den Auftrag, seine Lämmer und seine Schafe zu 
weiden (Joh. 21, 15 ff), d. h. seine Herde zu 
leiten und zu regieren, wirkliche Herrschergewalt 
über alle diejenigen auszuüben, welche in Christus 
ihren Hirten haben und zu dessen Schafen gehören. 
Vgl. noch Luk. 22, 31 f. 
Petrus hat dann auch den Primat nach Christi 
Himmelfahrt tatsächlich ausgeübt, wie er schon zu 
Christi Lebzeiten immer als der Erste unter den 
Aposteln erscheint (Matth. 4, 18; 10. 2; 14. 28; 
16, 16. 22; 17, 1; 18, 21; 19, 27. Mark. 
1, 16; 3, 16. Luk. 5, 4; 6, 14. Joh. 1, 42; 
6, 67 usw.). Er veranlaßt die Wahl des Apostels 
Matthias (Apg. 1, 15 ff), verkündigt zuerst den 
Juden Christus den Gekreuzigten am ersten 
Pfingstfest (Apg. 2, 14 ff), heilt den Lahmgebor- 
nen (Apg. 3, 1 ff), ergreist das Wort vor dem 
Hohen Rat (Apg. 4. 1 ff; 5, 29 ff), vollzieht das 
Strafgericht über Ananias und Saphira (Apg. 
5, 1 ff), schließt den Simon Magus aus der Kirche 
aus (Apg. 8, 14 ff), besucht zuerst alle Gemeinden 
in Judäa, Galiläa, Samaria (Apg. 9, 32 ff), 
öffnet den Heiden die Pforten der Kirche (Apg. 
10, 1 ff), spricht auf dem Apostelkonzil das ent- 
scheidende Wort (Apg. 15, 7 ff). Für den von 
Herodes Agrippa gefangen Gesetzten betet die ganze 
irche (Apg. 12, 1 ff). Den Apostel Petrus sucht 
der neubekehrte Paulus zuerst auf (Gal. 1, 18). 
Und wenn Paulus ihm dann aus Gründen wider- 
spricht (Gal. 2, 11 ff), ist das kein Beweis gegen 
seine leitende Stellung. Auf Grund der angeführten 
Stellen der Heiligen Schrift hat die Kirche immer- 
sort in Petrus ihren ersten obersten Lehrer, Prie- 
ster und Hirten verehrt. Daher verwirft das Dekret 
„Lamentabili sane exitu“ vom 3. Juli 1907 
in These 55 den Satz, daß Petrus keine Ahnung 
von dem ihm übertragenen Primat gehabt habe. 
II. Fortdauer des Primats. Die von Chri- 
stus gegründete Kirche soll nach göttlichem Willen 
in der ihr ursprünglich verliehenen Gestalt bis an 
Papst. 
  
1540 
das Ende der Zeit fortdauern. Da konnte auch 
die Petrus übertragene Primatialgewalt als ein 
wesentliches Stück der Verfassung dieser bis ans 
Ende der Zeiten dauernden Kirche beim Tod des- 
selben nicht aufhören, sondern mußte nach gött- 
lichem Willen weiter bestehen. Da aber Christus 
über die Art der Ubertragung des Primats nichts 
bestimmt hat, so ging derselbe in notwendigem, 
naturgemäßem Verlauf auf denjenigen Bischof 
über, welcher der Nachfolger des hl. Petrus als 
Bischof von Rom war, also auf den jeweiligen 
Bischof von Rom. Daß also Petrus einen Nach- 
folger im Primat hat, beruht auf göttlichem Recht 
(Conc. Vatic. De eccl. c. 2). Auf göttlichem 
Recht auch beruht es schließlich, daß nachdem 
Petrus als Bischof von Rom gestorben ist, der 
Bischof von Rom sein Nachfolger auch im Primat 
wurde (Vatic. a. a. O.). Daß aber Petrus auf 
göttlichen Befehl seinen Sitz in Rom gründete, 
das wollte das Vatikanum nicht entscheiden. Also 
könnte der Papst oder ein allgemeines Konzil in 
Verbindung mit dem Papst den Primat auch auf 
eine andere Stadt (als Rom) übertragen. Nicht 
aber könnte das ein allgemeines Konzil ohne den 
Papst (Syllabus Nr 35). 
Daß nämlich Petrus als Bischof von Rom 
starb, ist eine durchaus beglaubigte Tatsache. Rom 
wohl ist zu verstehen unter dem Erepos v##, an 
den Petrus vor Herodes Agrippa flüchtete (Apg. 
12, 17), und sicher unter „Babylon“, von wo 
aus er seinen ersten Brief schrieb (1 Petr. 5, 13). 
Bei der Schilderung der Neronischen Christen- 
verfolgung zu Rom bemerkt Klemens von Rom 
noch vor Schluß des 1. Jahrh. im engsten Zu- 
sammenhang mit den andern geschilderten Ereig- 
nissen in Rom, daß Petrus und Paulus zusammen 
als Opfer des Neides und der Eifersucht gestorben 
seien (Ad Corinth. 1, c. 5, 6). Ungefähr ein 
Dezennium später schreibt der Bischof Ignatius 
von Antiochien an die Römer, daß er nicht wie 
Petrus und Paulus ihnen befehlen könne (Ad 
Rom. c. 4, 3). Um das Jahr 170 schreibt der 
Bischof Dionysius von Korinth an die Römer, 
Petrus und Paulus seien zu gleicher Zeit in 
Rom hingerichtet worden (Euf., Hist. eccl. 2, 
c. 25). Um das Jahr 180 bezeugt der Bischof 
Irenäus von Lyon, daß Petrus und Paulus in 
Rom das Evangelium verkündet und die dortige 
Kirche gegründet haben (Adv. haer. 3, c. 3). 
Um 200 erwähnt der römische Presbyter Cajus 
die Gräber (2pôn#a#a) der beiden Apostel in Rom 
(Eus., Hist. eccl. 2, c. 25). Um dieselbe Zeit 
bezeugt Tertullian die Wirksamkeit des Apostels 
Petrus in Rom (De praescr. c. 32; Scorp. 
. 15). Und je weiter man heruntergeht, desto 
mehr häufen sich die freilich ebendamit an Be- 
weiskraft verlierenden Zeugnisse für den Episkopat 
Petri in Rom. Es ist die Überzeugung der ge- 
samten Kirche aller Jahrhunderte, daß Petrus unter 
Leitung der göttlichen Vorsehung nach Rom ge- 
kommen sei, die dortige Kirche gegründet, den
	        
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