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Petrus übergeben, der daher auch der Apostelfürst
heißt. Zunächst hat er ihm den Primat verheißen.
Denn nach einem herrlichen Glaubensbekenntnis
an Christus als den Sohn des lebendigen Gottes
sprach dieser zu Petrus: „Selig bist du, Simon,
Sohn des Jonas; denn nicht Fleisch und Blut hat
dir dies geoffenbart, sondern mein Vater, der im
Himmel ist. Und ich sage dir: Du bist Petrus (der
Fels), und auf diesen Felsen will ich meine Kirche
bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht
überwältigen. Und ich werde dir die Schlüssel des
Himmelreichs geben, und was immer du binden
wirst auf Erden, soll gebunden sein im Himmel,
und was immer du lösen wirst auf Erden, soll
auch gelöst sein im Himmel"“ (Matth. 16, 17—19).
Mit diesen Worten hat Christus Petrus nach der
übereinstimmenden katholischen Exegese die höchste
Gewalt über seine Kirche verheißen. Doch wurde
der Primat Petrus nicht bloß verheißen, sondern
auch verliehen. Denn bei der letzten Erscheinung
nach seiner Auferstehung gab Christus demselben
den Auftrag, seine Lämmer und seine Schafe zu
weiden (Joh. 21, 15 ff), d. h. seine Herde zu
leiten und zu regieren, wirkliche Herrschergewalt
über alle diejenigen auszuüben, welche in Christus
ihren Hirten haben und zu dessen Schafen gehören.
Vgl. noch Luk. 22, 31 f.
Petrus hat dann auch den Primat nach Christi
Himmelfahrt tatsächlich ausgeübt, wie er schon zu
Christi Lebzeiten immer als der Erste unter den
Aposteln erscheint (Matth. 4, 18; 10. 2; 14. 28;
16, 16. 22; 17, 1; 18, 21; 19, 27. Mark.
1, 16; 3, 16. Luk. 5, 4; 6, 14. Joh. 1, 42;
6, 67 usw.). Er veranlaßt die Wahl des Apostels
Matthias (Apg. 1, 15 ff), verkündigt zuerst den
Juden Christus den Gekreuzigten am ersten
Pfingstfest (Apg. 2, 14 ff), heilt den Lahmgebor-
nen (Apg. 3, 1 ff), ergreist das Wort vor dem
Hohen Rat (Apg. 4. 1 ff; 5, 29 ff), vollzieht das
Strafgericht über Ananias und Saphira (Apg.
5, 1 ff), schließt den Simon Magus aus der Kirche
aus (Apg. 8, 14 ff), besucht zuerst alle Gemeinden
in Judäa, Galiläa, Samaria (Apg. 9, 32 ff),
öffnet den Heiden die Pforten der Kirche (Apg.
10, 1 ff), spricht auf dem Apostelkonzil das ent-
scheidende Wort (Apg. 15, 7 ff). Für den von
Herodes Agrippa gefangen Gesetzten betet die ganze
irche (Apg. 12, 1 ff). Den Apostel Petrus sucht
der neubekehrte Paulus zuerst auf (Gal. 1, 18).
Und wenn Paulus ihm dann aus Gründen wider-
spricht (Gal. 2, 11 ff), ist das kein Beweis gegen
seine leitende Stellung. Auf Grund der angeführten
Stellen der Heiligen Schrift hat die Kirche immer-
sort in Petrus ihren ersten obersten Lehrer, Prie-
ster und Hirten verehrt. Daher verwirft das Dekret
„Lamentabili sane exitu“ vom 3. Juli 1907
in These 55 den Satz, daß Petrus keine Ahnung
von dem ihm übertragenen Primat gehabt habe.
II. Fortdauer des Primats. Die von Chri-
stus gegründete Kirche soll nach göttlichem Willen
in der ihr ursprünglich verliehenen Gestalt bis an
Papst.
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das Ende der Zeit fortdauern. Da konnte auch
die Petrus übertragene Primatialgewalt als ein
wesentliches Stück der Verfassung dieser bis ans
Ende der Zeiten dauernden Kirche beim Tod des-
selben nicht aufhören, sondern mußte nach gött-
lichem Willen weiter bestehen. Da aber Christus
über die Art der Ubertragung des Primats nichts
bestimmt hat, so ging derselbe in notwendigem,
naturgemäßem Verlauf auf denjenigen Bischof
über, welcher der Nachfolger des hl. Petrus als
Bischof von Rom war, also auf den jeweiligen
Bischof von Rom. Daß also Petrus einen Nach-
folger im Primat hat, beruht auf göttlichem Recht
(Conc. Vatic. De eccl. c. 2). Auf göttlichem
Recht auch beruht es schließlich, daß nachdem
Petrus als Bischof von Rom gestorben ist, der
Bischof von Rom sein Nachfolger auch im Primat
wurde (Vatic. a. a. O.). Daß aber Petrus auf
göttlichen Befehl seinen Sitz in Rom gründete,
das wollte das Vatikanum nicht entscheiden. Also
könnte der Papst oder ein allgemeines Konzil in
Verbindung mit dem Papst den Primat auch auf
eine andere Stadt (als Rom) übertragen. Nicht
aber könnte das ein allgemeines Konzil ohne den
Papst (Syllabus Nr 35).
Daß nämlich Petrus als Bischof von Rom
starb, ist eine durchaus beglaubigte Tatsache. Rom
wohl ist zu verstehen unter dem Erepos v##, an
den Petrus vor Herodes Agrippa flüchtete (Apg.
12, 17), und sicher unter „Babylon“, von wo
aus er seinen ersten Brief schrieb (1 Petr. 5, 13).
Bei der Schilderung der Neronischen Christen-
verfolgung zu Rom bemerkt Klemens von Rom
noch vor Schluß des 1. Jahrh. im engsten Zu-
sammenhang mit den andern geschilderten Ereig-
nissen in Rom, daß Petrus und Paulus zusammen
als Opfer des Neides und der Eifersucht gestorben
seien (Ad Corinth. 1, c. 5, 6). Ungefähr ein
Dezennium später schreibt der Bischof Ignatius
von Antiochien an die Römer, daß er nicht wie
Petrus und Paulus ihnen befehlen könne (Ad
Rom. c. 4, 3). Um das Jahr 170 schreibt der
Bischof Dionysius von Korinth an die Römer,
Petrus und Paulus seien zu gleicher Zeit in
Rom hingerichtet worden (Euf., Hist. eccl. 2,
c. 25). Um das Jahr 180 bezeugt der Bischof
Irenäus von Lyon, daß Petrus und Paulus in
Rom das Evangelium verkündet und die dortige
Kirche gegründet haben (Adv. haer. 3, c. 3).
Um 200 erwähnt der römische Presbyter Cajus
die Gräber (2pôn#a#a) der beiden Apostel in Rom
(Eus., Hist. eccl. 2, c. 25). Um dieselbe Zeit
bezeugt Tertullian die Wirksamkeit des Apostels
Petrus in Rom (De praescr. c. 32; Scorp.
. 15). Und je weiter man heruntergeht, desto
mehr häufen sich die freilich ebendamit an Be-
weiskraft verlierenden Zeugnisse für den Episkopat
Petri in Rom. Es ist die Überzeugung der ge-
samten Kirche aller Jahrhunderte, daß Petrus unter
Leitung der göttlichen Vorsehung nach Rom ge-
kommen sei, die dortige Kirche gegründet, den