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Episkopat derselben bis zu seinem Martertod
innegehabt und den Primat seinen Nachfolgern
auf der Cathedra Petri übertragen habe.
Die Primatialstellung der Bischöfe von Rom
wurde auch zu jeder Zeit geübt und anerkannt,
freilich anfänglich nicht gleich in dem späteren
Umfang und in dem von heute. Aber als Prinzip
der Einigung und der autoritativen Beherrschung
der ganzen Kirche erweist sich der Primat von den
frühesten Zeiten an. Noch vor Ende des 1. Jahrh.,
also wohl noch zu Lebzeiten des Apostels Johannes,
gab die römische Kirche der durch innern Zwist zer-
rissenen Gemeinde von Korinth Ermahnungen zum
Frieden in einem Ton, der das Bewußtsein von
Autoritätsstellung verrät (Klemens von Rom, Ad
Corinth. 1). Ignatius von Antiochien nennt die
römische Kirche „die Vorsteherin des Liebesbun-
des“ (nporahntern #sdi##; Ad Rom.
inser.); denn mit „Liebesbund“, nicht mit „Liebes-
tätigkeit“ ist cckun zu übersetzen nach den Par-
allelstellen Ad Trall. 13, 1; Ad Philad. 11, 2;
Ad Smyrn. 12, 1, und das um so mehr, als
###0 ße immer ein „Vorstehen“ oder „Re-
gieren“, nicht aber ein „Sichauszeichnen“ be-
deutet (F.K. Funk, Patres Apostolici L (219011
252). Irenäus aber schreibt Adv. haer. 3,
c. 3: Ad hanc enim ecclesiam propter po-
tiorem (al. potentiorem) principalitatem
necesse est omnem convenire ecclesiam, boc
est eos, qdui sunt undique fideles, in qua
semper ab bis, qui sunt undique, conservata
est ab Apostolis traditio. Das heißt, um von
vielen versuchten anderweitigen Interpretationen
abzusehen: „Denn mit dieser Kirche muß jede
Kirche wegen ihres höheren Vorrangs übereinstim-
men, d. h. die Gläubigen von überallher, weil in
ihr immer von denjenigen, welche von allen Seiten
her sind, die apostolische Tradition bewahrt wor-
den ist.“ Nach Cyprian ist die römische Kirche die
Cathedra Petri, die Hauptkirche, das Prinzip
der Einheit des Priestertums und der Gesamt-
kirche (Ep. 59, 14; De cath. eccl. unit. c. 5).
Tertullian aber macht darauf aufmerksam, daß
alle Häretiker und Schismatiker sich um die Ge-
meinschaft der römischen Kirche bewerben, in der
Meinung, daß die Gemeinschaft mit Rom gleich
sei jener mit der Gesamtkirche (Adv. Prax.
c. 1). Tatsächlich haben denn auch die Pänpste
durch alle Jahrhunderte herauf die Reinheit des
Glaubens gewahrt, indem sie gegen Häretiker und
Schismatiker einschritten. So trat Viktor I. auf
gegen die Quartodezimaner, Kornelius gegen die
Novatianer, Stephan I. gegen Cyprian im Ketzer-
taufstreit. Der größte Bischof der Kirche von
Alexandrien zwischen dem Evangelisten Markus
und dem hl. Athanasius, Dionysius, mußte sich
vor dem gleichnamigen Bischof von Rom von dem
Vorwurf des Sabellianismus reinigen. In den
arianischen Wirren waren es die Päpste Julius I.,
Liberius und Damasus I., in den pelagianischen,
nestorianischen, eutychianischen und monotheleti-
Papst.
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schen Streitigkeiten die Päpste Innozenz I., Cö-
lestin I., Leo I., Agatho, welche die Reinheit des
Glaubens verteidigten. Ebenso taten sie dies
gegenüber den Einmischungen der oströmischen
Kaiser in Sachen des Glaubens, so Gregor II.
und III. sowie Nikolaus I. usw.
III. Wesen des Primats. Die Einsetzung
des Primats durch Christus, seine Fortdauer wur-
den oft bestritten, das Wesen desselben seines In-
halts zu entleeren gesucht.
So wurde schon auf den Synoden von Kon-
stantinopel 381 (c. 3) und Chalcedon 451 (c. 28)
behauptet, die römische Kirche verdanke ihren Vor-
rang der politischen Stellung Roms als Reichs-
hauptstadt. Aber die Päpste haben den Kanon 28
jederzeit zurückgewiesen. Wäre derselbe haltbar,
dann hätte der Primat an den Patriarchen von
Konstantinopel übergehen müssen, nachdem Kon-
stantinopel die Hauptstadt des römischen Reichs
geworden war. Oder es wird gesagt, die römischen
Kaiser hätten den Primat Roms durch ihre Gesetze
geschaffen. Man meint damit Gesetze wie das von
Gratian, Valentinian II. und Theodosius I. aus
dem Jahre 380 des Inhalts, daß die Bewohner
des römischen Reichs den Glauben haben sollten,
den der Apostel Petrus verkündigt habe und den
die Bischöfe Damasus von Rom und Petrus von
Alexandrien festhielten (C. 1, C. de summa tri-
nit. I, 1). Aber die Kaiser berufen sich für ihr
Gesetz gerade auf den vom Apostel Petrus be-
gründeten Glauben oder auf den Primat Petri.
Und wenn etwa noch gesagt wird, die Päpste
hätten den Primat durch Herrschsucht erlangt, so
ist offenkundig das Motiv ihres Handelns in den
schwierigsten Fällen nicht Ehr= und Herrschsucht
gewesen, sondern die Sorge um Reinerhaltung der
geoffenbarten Wahrheit. Wäre Herrschsucht und
Ehrgeiz die Triebfeder für die Tätigkeit der Päpste,
so hätten sie anders handeln müssen, angefangen
von den Märtyrerpäpsten der drei ersten Jahr-
hunderte bis zu denen von heute. Das Dekret
„Lamentabili sane exitu“ vom 3. Juli 1907,
These 56, verwirft daher mit Recht den Satz, daß
Rom die erste Stelle in der Kirche aus politischen
Gründen erhalten habe.
Die heftigsten Gegner erstanden dem Primat,
abgesehen von Friedrich II. dem Staufer, Philipp
dem Schönen von Frankreich und der um Ludwig
den Bayer gescharten Opposition eines Marsilius
von Padua, Johann Janduno, Ubertino von Ca-
sale, Wilhelm von Occam und der Fraticellen, und
auch abgesehen von der Reformation, in den Re-
formkonzilien des 15. Jahrh., im Gallikanismus,
Jansenismus, Febronianismus, Josephinismus
und in der Aufklärung. Nach Sessio V der Synode
von Konstanz im Jahre 1415 und Sessio II ber
Synode von Basel im Jahre 1432 steht der Papst,
wenn er auch immerhin mehr ist als bloßer pri-
mus inter pares, unter dem allgemeinen Konzil,
so daß dieses den Papst absetzen, daß vom Papst
an ein allgemeines Konzil appelliert werden kann
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