Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1541 
Episkopat derselben bis zu seinem Martertod 
innegehabt und den Primat seinen Nachfolgern 
auf der Cathedra Petri übertragen habe. 
Die Primatialstellung der Bischöfe von Rom 
wurde auch zu jeder Zeit geübt und anerkannt, 
freilich anfänglich nicht gleich in dem späteren 
Umfang und in dem von heute. Aber als Prinzip 
der Einigung und der autoritativen Beherrschung 
der ganzen Kirche erweist sich der Primat von den 
frühesten Zeiten an. Noch vor Ende des 1. Jahrh., 
also wohl noch zu Lebzeiten des Apostels Johannes, 
gab die römische Kirche der durch innern Zwist zer- 
rissenen Gemeinde von Korinth Ermahnungen zum 
Frieden in einem Ton, der das Bewußtsein von 
Autoritätsstellung verrät (Klemens von Rom, Ad 
Corinth. 1). Ignatius von Antiochien nennt die 
römische Kirche „die Vorsteherin des Liebesbun- 
des“ (nporahntern #sdi##; Ad Rom. 
inser.); denn mit „Liebesbund“, nicht mit „Liebes- 
tätigkeit“ ist cckun zu übersetzen nach den Par- 
allelstellen Ad Trall. 13, 1; Ad Philad. 11, 2; 
Ad Smyrn. 12, 1, und das um so mehr, als 
###0 ße immer ein „Vorstehen“ oder „Re- 
gieren“, nicht aber ein „Sichauszeichnen“ be- 
deutet (F.K. Funk, Patres Apostolici L (219011 
252). Irenäus aber schreibt Adv. haer. 3, 
c. 3: Ad hanc enim ecclesiam propter po- 
tiorem (al. potentiorem) principalitatem 
necesse est omnem convenire ecclesiam, boc 
est eos, qdui sunt undique fideles, in qua 
semper ab bis, qui sunt undique, conservata 
est ab Apostolis traditio. Das heißt, um von 
vielen versuchten anderweitigen Interpretationen 
abzusehen: „Denn mit dieser Kirche muß jede 
Kirche wegen ihres höheren Vorrangs übereinstim- 
men, d. h. die Gläubigen von überallher, weil in 
ihr immer von denjenigen, welche von allen Seiten 
her sind, die apostolische Tradition bewahrt wor- 
den ist.“ Nach Cyprian ist die römische Kirche die 
Cathedra Petri, die Hauptkirche, das Prinzip 
der Einheit des Priestertums und der Gesamt- 
kirche (Ep. 59, 14; De cath. eccl. unit. c. 5). 
Tertullian aber macht darauf aufmerksam, daß 
alle Häretiker und Schismatiker sich um die Ge- 
meinschaft der römischen Kirche bewerben, in der 
Meinung, daß die Gemeinschaft mit Rom gleich 
sei jener mit der Gesamtkirche (Adv. Prax. 
c. 1). Tatsächlich haben denn auch die Pänpste 
durch alle Jahrhunderte herauf die Reinheit des 
Glaubens gewahrt, indem sie gegen Häretiker und 
Schismatiker einschritten. So trat Viktor I. auf 
gegen die Quartodezimaner, Kornelius gegen die 
Novatianer, Stephan I. gegen Cyprian im Ketzer- 
taufstreit. Der größte Bischof der Kirche von 
Alexandrien zwischen dem Evangelisten Markus 
und dem hl. Athanasius, Dionysius, mußte sich 
vor dem gleichnamigen Bischof von Rom von dem 
Vorwurf des Sabellianismus reinigen. In den 
arianischen Wirren waren es die Päpste Julius I., 
Liberius und Damasus I., in den pelagianischen, 
nestorianischen, eutychianischen und monotheleti- 
Papst. 
  
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schen Streitigkeiten die Päpste Innozenz I., Cö- 
lestin I., Leo I., Agatho, welche die Reinheit des 
Glaubens verteidigten. Ebenso taten sie dies 
gegenüber den Einmischungen der oströmischen 
Kaiser in Sachen des Glaubens, so Gregor II. 
und III. sowie Nikolaus I. usw. 
III. Wesen des Primats. Die Einsetzung 
des Primats durch Christus, seine Fortdauer wur- 
den oft bestritten, das Wesen desselben seines In- 
halts zu entleeren gesucht. 
So wurde schon auf den Synoden von Kon- 
stantinopel 381 (c. 3) und Chalcedon 451 (c. 28) 
behauptet, die römische Kirche verdanke ihren Vor- 
rang der politischen Stellung Roms als Reichs- 
hauptstadt. Aber die Päpste haben den Kanon 28 
jederzeit zurückgewiesen. Wäre derselbe haltbar, 
dann hätte der Primat an den Patriarchen von 
Konstantinopel übergehen müssen, nachdem Kon- 
stantinopel die Hauptstadt des römischen Reichs 
geworden war. Oder es wird gesagt, die römischen 
Kaiser hätten den Primat Roms durch ihre Gesetze 
geschaffen. Man meint damit Gesetze wie das von 
Gratian, Valentinian II. und Theodosius I. aus 
dem Jahre 380 des Inhalts, daß die Bewohner 
des römischen Reichs den Glauben haben sollten, 
den der Apostel Petrus verkündigt habe und den 
die Bischöfe Damasus von Rom und Petrus von 
Alexandrien festhielten (C. 1, C. de summa tri- 
nit. I, 1). Aber die Kaiser berufen sich für ihr 
Gesetz gerade auf den vom Apostel Petrus be- 
gründeten Glauben oder auf den Primat Petri. 
Und wenn etwa noch gesagt wird, die Päpste 
hätten den Primat durch Herrschsucht erlangt, so 
ist offenkundig das Motiv ihres Handelns in den 
schwierigsten Fällen nicht Ehr= und Herrschsucht 
gewesen, sondern die Sorge um Reinerhaltung der 
geoffenbarten Wahrheit. Wäre Herrschsucht und 
Ehrgeiz die Triebfeder für die Tätigkeit der Päpste, 
so hätten sie anders handeln müssen, angefangen 
von den Märtyrerpäpsten der drei ersten Jahr- 
hunderte bis zu denen von heute. Das Dekret 
„Lamentabili sane exitu“ vom 3. Juli 1907, 
These 56, verwirft daher mit Recht den Satz, daß 
Rom die erste Stelle in der Kirche aus politischen 
Gründen erhalten habe. 
Die heftigsten Gegner erstanden dem Primat, 
abgesehen von Friedrich II. dem Staufer, Philipp 
dem Schönen von Frankreich und der um Ludwig 
den Bayer gescharten Opposition eines Marsilius 
von Padua, Johann Janduno, Ubertino von Ca- 
sale, Wilhelm von Occam und der Fraticellen, und 
auch abgesehen von der Reformation, in den Re- 
formkonzilien des 15. Jahrh., im Gallikanismus, 
Jansenismus, Febronianismus, Josephinismus 
und in der Aufklärung. Nach Sessio V der Synode 
von Konstanz im Jahre 1415 und Sessio II ber 
Synode von Basel im Jahre 1432 steht der Papst, 
wenn er auch immerhin mehr ist als bloßer pri- 
mus inter pares, unter dem allgemeinen Konzil, 
so daß dieses den Papst absetzen, daß vom Papst 
an ein allgemeines Konzil appelliert werden kann 
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