1547
von Legaten und Haltung stehender Nuntien (val.
d. Art. Gesandte), durch Einforderung von perio-
dischen mündlichen und schriftlichen Berichten
seitens der Bischöfe über den Zustand ihrer Diö-
zesen (Visitatio liminum ss. Apostolorum, Re-
latio status).
d) Weiterhin ist der Papst der oberste kirchliche
Richter. Demgemäß können alle kirchlichen Rechts-
sachen schon in erster Instanz vor das päpstliche
Forum gebracht oder dorthin gezogen werden.
Besonders geschieht dies mit den causae maiores
(difficiliores, graviores, arduae), deren Zahl
keineswegs genau bestimmt ist, zu welchen aber
vor allem die causae criminales graviores
contra episcopos gehören. In den gewöhnlichen
Rechtssachen aber soll der geordnete Instanzen-
gang vom Bischof an den Metropoliten und Papst
eingehalten werden. Doch kann aus wichtigen
Gründen auch gleich an den Papst gegangen
werden. Der Papst wird entweder selbst oder
durch seine Organe in Rom oder durch delegierte
Richter in den betreffenden Gegenden (iudices im
Partibus oder iudices synodales, weil sie auf
der Diözesan- bzw. Provinzialsynode vorgeschlagen
werden sollen, oder iudices prosynodales, weil
sie vom Bischof an Stelle der nicht mehr oder
selten mehr stattfindenden Synoden ernannt wer-
den) entscheiden (Trid. sess. XXV de ref. c. 10).
Die Entscheidung durch iudices delegati ist dann
um so notwendiger, wenn etwa der Staat die
Entscheidung durch ein ausländisches kirchliches
Gericht nicht anerkennt und zu deren Exekution
das brachium Saeculare verweigert (vgl. d. Art.
Gerichtsbarkeit, kirchliche). Von der Entscheidung
des Papstes gibt es keine Appellation mehr. Da-
her ist unmöglich die Appellation an die weltliche
Gewalt oder der recursus ab abusu und die Be-
rufung an ein allgemeines Konzil (Conc. Vatic.
De eccl. c. 3). Auf letztere ist die ipso facto
eintretende, dem Papst in spezieller Weise reser-
vierte Exkommunikation gesetzt („Apostolicae
Sedis moderationi“ vom 12. Okt. 1869, I, 4).
Mit der Gerichtsbarkeit ist es auch gegeben, daß
der Papst Strafen und Zensuren verhängen kann.
Auch hat sich der Papst die Lossprechung von be-
stimmten Sünden und die Dispensation von ge-
wissen Gelübden vorbehalten.
e.) Zuletzt ist der Papst der souveräne Repräsen-
tant der ganzen katholischen Kirche. Er hat die
kirchlichen Rechte der Katholiken der einzelnen
Länder gegenüber den weltlichen Regierungen zu
vertreten und mit ihnen darüber eventuell Ver-
träge abzuschließen. Diese geistliche Souveränität
des Papstes findet namentlich durch den Abschluß
von Konkordaten (vgl. d. Art.), Haltung gegen-
seitiger Gesandten und etwaige Aufstellung des
Papstes als Schiedsrichter in völkerrechtlichen
Streitigkeiten, z. B. im Streit um die Karolinen-
inseln, von seiten der Staaten Anerkennung. Von
dieser auf geistlicher Grundlage beruhenden Sou-
veränität ist wohl zu unterscheiden die rein welt-
Payst.
1548
liche, die auf dem Besitz des Kirchenstaats (ogl.
d. Art.) beruhte. Doch erkennt auch das italienische
Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 dem Papst die
Ehrenrechte eines Souveräns zu.
f) Im Mittelalter waren im primatus iuris-
dictionis noch andere, aber heute verschwundene
Rechte enthalten: die Kaiserkrönung, die Leistung
des Obedienzeides und des officium strepae
et stratoris seitens des Kaisers, die Absendung
einer Obedienzgesandtschaft an den Papst durch
den neugewählten Kaiser und von Obedienz-
gesandtschaften seitens der Fürsten an den neu-
gewählten Papst, die Verleihung des Königstitels
und die Stellung des Papstes als internationalen
Schiedsrichters.
Das durch die Krönung Karls d. Gr. zum
römischen Kaiser an Weihnachten 800 seitens
Leos III. begründete Verhältnis zwischen Papst
und Kaiser war, wenn auch nicht durchweg klar
bestimmt, im wesentlichen ein doppeltes. Schon
bisher war der fränkische König als patricius
Romanorum der berufene Schützer des Kirchen-
staats gewesen. Der. nunmehrige Kaiser aber
besaß wie über die andern christlichen Fürsten des
Abendlandes, so auch über den Papst als Inhaber
des Kirchenstaats die Oberherrlichkeit. In der
Papstwahl kam ihm bald auch nach dem Vor-
gang der oströmischen Kaiser die Bestätigung
des Gewählten zu, und dieser hatte dem Kaiser
vor der Konsekration den Treueid zu schwören.
Anderseits hatte der Papst als das geistliche
Oberhaupt der ganzen Christenheit allein das Recht
der Kaiserkrönung. Die dem Kaisertum zugrunde
liegende Idee war die der Einheit des Reiches
Christi auf Erden. Alle christlichen Völker sollten
wie zu einer Familie verbunden, deren geistliches
Haupt der Papst, deren weltliches der Kaiser sein.
Die weltliche Macht sollte durch die kirchliche eine
höhere Weihe, die geistliche durch die wellliche
Schutz und Hilfe erhalten. Wer nicht mit der
Kirche verbunden war, sollte auch im Reich keine
rechtliche Stellung haben, der Reichsfeind auch als
Feind der Kirche gelten. Namentlich war es die
Aufgabe des Kaisers, das Christentum gegen die
äußern Feinde zu schützen und unter den nationes
barbarae verbreiten zu helfen.
Freilich wurde dieses ideal gedachte Verhältnis
gleich von Anfang an nie vollständig realisiert.
Schon Karl d. Gr. übte eine sehr weitgehende
Herrschaft in kirchlichen Dingen aus. Ahnlich war
es nach einer kurzen Präponderanz des Papsttums
durch Nikolaus I. (858/867) und Johann VIII.
(872/882) infolge der Auflösung des Karolinger-
reichs auch in den folgenden Jahrhunderten. Das
Papsttum befand sich in dieser Zeit vielfach in
den Händen römischer Adelsparteien und auch
persönlich unwürdiger Träger, so Johann XII.
(955/964) und Benedikt IX. (1032/1044), und
sank so öfters tief herab. Demgegenüber stieg
die Macht der meist tüchtigen deutschen Könige,
die in Otto d. Gr. 962 das römische Kaisertum