1551
zuerst, so daß die Päpste von Anfang an und immer
wieder in der gezwungenen Defensive und nicht in
der willkürlichen Offensive sich befanden. Schon
die sächsischen und fränkischen Könige hatten, wie
dereinst Karl d. Gr., den Versuch gemacht, die
Kirche, Bischöfe und Papst dem Staat vollständig
zu unterwerfen. Dadurch erst war die Theorie und
der Widerstand Gregors VII. geweckt worden.
Die Staufer sodann fast alle suchten zäsaropapi-
stische Ideen zu verwirklichen und das Papsttum
durch Erwerb und Besitz von Unteritalien zu
fesseln. Ludwig der Bayer setzte Johann XXII.
ab und erhob einen Gegenpapst. Solches hatte
seit beinahe 300 Jahren kein Kaiser mehr gewagt.
Und in dem zugleich literarisch geführten Kampf,
in welchem Ludwig von Marsilius von Padua,
dem Verfasser der revolutionären Schrift „De-
fensor pacis“, Wilhelm von Occam und andern
vom Papst abgefallenen Minoriten unterstützt
ward, wurde geradezu der Satz aufgestellt, daß
alle Gewalt, auch die päpstliche, vom Kaiser
stamme und dieser die Päpste ein= und absetzen
könne.
Folge dieser schweren, fortdauernven Kämpfe
zwischen Papsttum und Kaisertum war die größte
beiderseitige Schädigung. Das unterliegende Kai-
sertum konnte die Oberherrschaft über die christliche
Welt nicht mehr festhalten. Die andern christlichen
Nationen, vor allem die Franzosen und Engländer,
stellten sich als frei und gleichberechtigt neben den
deutschen Kaiser. Das Papsttum aber mußte
gegenüber den aufrührerischen italienischen Städten
und Untertanen bei den Franzosen in Avignon
während 70 Jahren Schutz und Unterstand suchen,
woran sich das 50jährige Schisma schloß. Da
hatte die römische Kaiserkrone ihren Wert so gut
wie verloren. Der letzte Kaiser, der sich in Rom
krönen ließ, war Friedrich III. im Jahre 1452,
und der letzte, der sich überhaupt vom Papst krönen
ließ, war Karl V. im Jahre 1530, aber in Bo-
logna. Vgl. d. Art. Kaiser, wo auch viele Lite-
ratur. Weitere bei: Werminghoff, Geschichte der
Kirchenverfassung Deutschlands im Mittelalter 1
(1905) 99 f 149 f; Sägmüller, Lehrbuch des
katholischen Kirchenrechts (21909) 49 ff.
2. Entsprechend dem primatus iurisdictionis
kommen dem Papst eine Reihe von Ehrenrechten,
der primatus honoris zu.
Dazu gehören vor allem auszeichnende Be-
nennungen. In den ersten christlichen Jahrhun-
derten wurde der Bischof von Rom wie die andern
Bischöfe als Heiligkeit, Heiligster Vater, Papst
(papa) bezeichnet, und die römische Kirche hieß,
wie jede andere bischöfliche, Apostolischer Stuhl.
Seit dem 5. Jahrh. aber wurden diese Bezeich-
nungen mehr und mehr dem römischen Bischof
und der römischen Kirche reserviert. Auch andere
Titulaturen, die ursprünglich größtenteils gemein-
gebräuchlich gewesen waren, wurden im Verlauf
des Mittelalters nur noch auf den römischen Bi-
schof angewandt, wie Pontifer Summus, Pon-
Papst.
1552
tifex Maximus, Apostolicus, Domnus Apo-
stolicus, Vicarius Christi, Vicarius Petri,
Vicarius Dei. Heute wird der Papst allein noch
angeredet als: Sanctissime (Beatissime) Pater,
Sanctitas Vestra, Sanctitas Tua. Er selbst
nennt die Bischöfe fratres und die übrigen Gläu-
bigen üilii, füliae. Sich selbst nennen die Päpste:
Papst, Bischof, zu welch letzterer Bezeichnung seit
Gregor I. in feierlichen Dokumenten der Zusatz
Servus servorum Dei tritt.
Als tägliche Kleidung trägt der Papst einen
weißseidenen Talar, das Pektorale, purpurseidene
Schuhe mit eingestickten goldnen Kreuzen, außer-
halb der Wohnung roten Mantel und Hut. Beie
feierlichen Gelegenheiten ist er angetan mit Chor-
rock, rotem, hermelinbesetztem Schultermantel (moz-
zetta), goldgestickter Stola, weißem Käppchen
(ucchetto, solideo, pileolum) oder, im Winter,
mit dem pelzverbrämten Camauro. Bei gottes-
dienstlichen Funktionen trägt er die bischöfliche
Kleidung und das Pallium. Bei gewissen außer-
gottesdienstlichen feierlichen Veranlassungen er-
scheint der Papst mit der Tiara (regnum, tri-
regnum, mitra turbinata cum corona), einer
Bischofsmitra mit drei Kronen, von denen die
erste durch Gregor VII., die zweite durch Bo-
nifaz VIII. und die dritte durch Benedikt XI.
hinzugefügt wurde. Weitere päpstliche Insignien
sind der Fischerring (annulus piscatoris), der ge-
rade, in die Form eines Kreuzes auslaufende
Hirtenstab (pedum rectum) und das Kreuz, das
bei Solennitäten dem Papst vorangetragen wird.
Auf Reisen nimmt er das Allerheiligste mit sich.
Außer dem Gebet für den Papst, welches be-
sonders durch Nennung des Namens im Kanon
der Messe verrichtet wird, schulden ihm die Gläu-
bigen Huldigung. Bis in die neueste Zeit herein
erfolgte sie nach orientalischer Sitte durch Fußkuß
(rpos#o#cts, adoratio). Bischöfe küssen Fuß
und Knie, Kardinäle Fuß und Hand, regierende
Fürsten und deren Vertreter die Hand.
V. Der Papft als Patriarch, Primas,
Metropolit und Wischof. Der Papst ist der
einzige Patriarch des Abendlandes und der Pri-
mas von Jtalien, welche beiden Stellungen jedoch
schon sehr früh hinter dem Primat über die Ge-
samtkirche zurückgetreten sind. Wenn der Bischof
von Rom im Kanon 6 der Synode von Nicäa im
Jahre 325 als Patriarch den andern Patriarchen
von Alexandrien und Antiochien als gleichgeordnet
erscheint, so ist hieraus, da an der betreffenden
Stelle nur vom Patriarchat die Rede ist, gegen
den Primat nichts zu folgern (Hefele, Konzilien-
geschichte I I21873| 388 ff). Ferner ist der Bi-
schof von Rom, nachdem seit dem 4. Jahrh. auch
in Italien Metropolitansprengel, so der von Mai-
land und Ravenna, aufgekommen waren, Metro-
polit über die zwischen Pisa und Capua gelegenen
Bistümer, zusammen 43. Unter diesen nehmen
die 6 suburbikarischen, d. h. die in der nächsten
Umgebung von Rom befindlichen Bistümer Ostia.