Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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zuerst, so daß die Päpste von Anfang an und immer 
wieder in der gezwungenen Defensive und nicht in 
der willkürlichen Offensive sich befanden. Schon 
die sächsischen und fränkischen Könige hatten, wie 
dereinst Karl d. Gr., den Versuch gemacht, die 
Kirche, Bischöfe und Papst dem Staat vollständig 
zu unterwerfen. Dadurch erst war die Theorie und 
der Widerstand Gregors VII. geweckt worden. 
Die Staufer sodann fast alle suchten zäsaropapi- 
stische Ideen zu verwirklichen und das Papsttum 
durch Erwerb und Besitz von Unteritalien zu 
fesseln. Ludwig der Bayer setzte Johann XXII. 
ab und erhob einen Gegenpapst. Solches hatte 
seit beinahe 300 Jahren kein Kaiser mehr gewagt. 
Und in dem zugleich literarisch geführten Kampf, 
in welchem Ludwig von Marsilius von Padua, 
dem Verfasser der revolutionären Schrift „De- 
fensor pacis“, Wilhelm von Occam und andern 
vom Papst abgefallenen Minoriten unterstützt 
ward, wurde geradezu der Satz aufgestellt, daß 
alle Gewalt, auch die päpstliche, vom Kaiser 
stamme und dieser die Päpste ein= und absetzen 
könne. 
Folge dieser schweren, fortdauernven Kämpfe 
zwischen Papsttum und Kaisertum war die größte 
beiderseitige Schädigung. Das unterliegende Kai- 
sertum konnte die Oberherrschaft über die christliche 
Welt nicht mehr festhalten. Die andern christlichen 
Nationen, vor allem die Franzosen und Engländer, 
stellten sich als frei und gleichberechtigt neben den 
deutschen Kaiser. Das Papsttum aber mußte 
gegenüber den aufrührerischen italienischen Städten 
und Untertanen bei den Franzosen in Avignon 
während 70 Jahren Schutz und Unterstand suchen, 
woran sich das 50jährige Schisma schloß. Da 
hatte die römische Kaiserkrone ihren Wert so gut 
wie verloren. Der letzte Kaiser, der sich in Rom 
krönen ließ, war Friedrich III. im Jahre 1452, 
und der letzte, der sich überhaupt vom Papst krönen 
ließ, war Karl V. im Jahre 1530, aber in Bo- 
logna. Vgl. d. Art. Kaiser, wo auch viele Lite- 
ratur. Weitere bei: Werminghoff, Geschichte der 
Kirchenverfassung Deutschlands im Mittelalter 1 
(1905) 99 f 149 f; Sägmüller, Lehrbuch des 
katholischen Kirchenrechts (21909) 49 ff. 
2. Entsprechend dem primatus iurisdictionis 
kommen dem Papst eine Reihe von Ehrenrechten, 
der primatus honoris zu. 
Dazu gehören vor allem auszeichnende Be- 
nennungen. In den ersten christlichen Jahrhun- 
derten wurde der Bischof von Rom wie die andern 
Bischöfe als Heiligkeit, Heiligster Vater, Papst 
(papa) bezeichnet, und die römische Kirche hieß, 
wie jede andere bischöfliche, Apostolischer Stuhl. 
Seit dem 5. Jahrh. aber wurden diese Bezeich- 
nungen mehr und mehr dem römischen Bischof 
und der römischen Kirche reserviert. Auch andere 
Titulaturen, die ursprünglich größtenteils gemein- 
gebräuchlich gewesen waren, wurden im Verlauf 
des Mittelalters nur noch auf den römischen Bi- 
schof angewandt, wie Pontifer Summus, Pon- 
Papst. 
  
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tifex Maximus, Apostolicus, Domnus Apo- 
stolicus, Vicarius Christi, Vicarius Petri, 
Vicarius Dei. Heute wird der Papst allein noch 
angeredet als: Sanctissime (Beatissime) Pater, 
Sanctitas Vestra, Sanctitas Tua. Er selbst 
nennt die Bischöfe fratres und die übrigen Gläu- 
bigen üilii, füliae. Sich selbst nennen die Päpste: 
Papst, Bischof, zu welch letzterer Bezeichnung seit 
Gregor I. in feierlichen Dokumenten der Zusatz 
Servus servorum Dei tritt. 
Als tägliche Kleidung trägt der Papst einen 
weißseidenen Talar, das Pektorale, purpurseidene 
Schuhe mit eingestickten goldnen Kreuzen, außer- 
halb der Wohnung roten Mantel und Hut. Beie 
feierlichen Gelegenheiten ist er angetan mit Chor- 
rock, rotem, hermelinbesetztem Schultermantel (moz- 
zetta), goldgestickter Stola, weißem Käppchen 
(ucchetto, solideo, pileolum) oder, im Winter, 
mit dem pelzverbrämten Camauro. Bei gottes- 
dienstlichen Funktionen trägt er die bischöfliche 
Kleidung und das Pallium. Bei gewissen außer- 
gottesdienstlichen feierlichen Veranlassungen er- 
scheint der Papst mit der Tiara (regnum, tri- 
regnum, mitra turbinata cum corona), einer 
Bischofsmitra mit drei Kronen, von denen die 
erste durch Gregor VII., die zweite durch Bo- 
nifaz VIII. und die dritte durch Benedikt XI. 
hinzugefügt wurde. Weitere päpstliche Insignien 
sind der Fischerring (annulus piscatoris), der ge- 
rade, in die Form eines Kreuzes auslaufende 
Hirtenstab (pedum rectum) und das Kreuz, das 
bei Solennitäten dem Papst vorangetragen wird. 
Auf Reisen nimmt er das Allerheiligste mit sich. 
Außer dem Gebet für den Papst, welches be- 
sonders durch Nennung des Namens im Kanon 
der Messe verrichtet wird, schulden ihm die Gläu- 
bigen Huldigung. Bis in die neueste Zeit herein 
erfolgte sie nach orientalischer Sitte durch Fußkuß 
(rpos#o#cts, adoratio). Bischöfe küssen Fuß 
und Knie, Kardinäle Fuß und Hand, regierende 
Fürsten und deren Vertreter die Hand. 
V. Der Papft als Patriarch, Primas, 
Metropolit und Wischof. Der Papst ist der 
einzige Patriarch des Abendlandes und der Pri- 
mas von Jtalien, welche beiden Stellungen jedoch 
schon sehr früh hinter dem Primat über die Ge- 
samtkirche zurückgetreten sind. Wenn der Bischof 
von Rom im Kanon 6 der Synode von Nicäa im 
Jahre 325 als Patriarch den andern Patriarchen 
von Alexandrien und Antiochien als gleichgeordnet 
erscheint, so ist hieraus, da an der betreffenden 
Stelle nur vom Patriarchat die Rede ist, gegen 
den Primat nichts zu folgern (Hefele, Konzilien- 
geschichte I I21873| 388 ff). Ferner ist der Bi- 
schof von Rom, nachdem seit dem 4. Jahrh. auch 
in Italien Metropolitansprengel, so der von Mai- 
land und Ravenna, aufgekommen waren, Metro- 
polit über die zwischen Pisa und Capua gelegenen 
Bistümer, zusammen 43. Unter diesen nehmen 
die 6 suburbikarischen, d. h. die in der nächsten 
Umgebung von Rom befindlichen Bistümer Ostia.
	        
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