Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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I: 1844/71, II: 1871/1900 (1907); Kindermann, 
Parteiwesen in ihren Wirkungen auf die Kultur 
der modernen Völker (1907); P. Zimmermann, 
Das Zentrum, Entstehung, Wesen u. polit. Tätig- 
keit (vom nationallib. Standpunkt, 1909); Partei- 
wesen, deutsches, dargestellt von Freunden des Na- 
tionalvereins, Hft 1 ff (1909 ff, München). — Kol- 
mer, Parlament u. Verfassung in Österr. (5 Bde, 
1902/09); Vogel, Die dritte französ. Republik 
(1895); Ostrogorski, Democracy and the Organi- 
Zzation of Political Parties (2 Bde, Lond. 1903). 
II u. II Jul. Bachem, III Dresemann.)] 
Paßwesen. Begriff; Geschichte; Geltendes 
Recht 
I. Begriff. Unter Paßwesen versteht man den 
Inbegriff aller Vorschriften, die für die Über- 
wachung und Beaussichtigung des Fremdenver- 
kehrs, zugleich aber auch zur eignen Sicherung des 
Fremden durch Gewährung von Ausweispapieren 
erlassen sind. Fremd im Sinne des Paßwesens ist 
jeder, der sich außerhalb seines ständigen Aufent- 
haltsorts befindet. Kommt er dort in die Lage, sich 
über seine Person ausweisen zu müssen, so wird er 
sich regelmäßig auf ortsanwesende, der Behörde be- 
kannte Dritte als Auskunftspersonen nicht berufen 
können. Hier muß ihm ein mit öffentlichem Glau- 
ben ausgestattetes Ausweispapier helfen. Als sols 
ches kommt in erster Linie der Paß in Betracht. 
Er ist begrifflich eine von der zuständigen Behörde 
ausgestellte öffentliche Urkunde, die dazu bestimmt 
und ihrem Inhalt nach geeignet ist, dem Inhaber 
auf einer Reise als Ausweis über seine Persön-- 
lichkeit zu dienen und der Behörde die Aussicht 
über den Fremdenverkehr zu erleichtern. Er ent- 
hält deshalb eine genaue Beschreibung der Person 
des Inhabers und dessen eigenhändige Unterschrift. 
Daneben gibt er regelmäßig Aufschluß über die 
Dauer und Richtung und über den Zweck der F 
Reise. Er ist unbedingt nötig in den Ländern, die 
noch den Paßzwang haben, d. h. in denen dem 
Reisenden die Verpflichtung obliegt, sich insbe- 
sondere beim Überschreiten der Grenze, aber auch 
sonst auf Verlangen der Behörde durch einen Paß 
auszuweisen. Seine Mitnahme ist jedoch bei jeder 
Auslandsreise zu empfehlen, da er jeder Behörde 
gegenüber als Ausweis hinreicht (vgl. unten III). 
Neben diesem eigentlichen Reisepaß dienen als 
Ausweispapiere Paßkarten, die nur bezeugen, 
daß der Inhaber unverdächtig ist, Arbeits= und 
Wanderbücher und andere öffentliche Urkunden, die 
aber sämtlich den Paß nicht zu ersetzen vermögen. 
II. Geschichte. In ältester Zeit war der Fremde 
völlig rechtlos. Erst allmählich bildete sich ein 
Rechtsschutz für ihn heraus, meist in der Form, 
daß ein eingeborner Gastfreund ihn unter seinen 
Schutz nahm. Noch im Mittelalter finden wir 
diesen Rechtszustand, allerdings mit dem Unter- 
schied, daß die Landesherren den Schutz der Frem- 
den als Ausfluß des Rechts, über den Landfrieden 
zu wachen, für sich in Anspruch nahmen und aus 
ihm durch Auferlegung von Abgaben gegen die 
Ausfertigung des „Geleitscheins" nicht unbeträcht- 
Paßwesen. 
  
1620 
lichen Nutzen zogen. Vielfach wurde aus diesem 
„Geleitsrecht“ sogar ein „Geleitszwang“, insbe- 
sondere für Fuhrleute und reisende Kaufleute. Erst 
im Anfang des 19. Jahrh., nach der Auflösung 
des Reichs, wurde das Geleitsrecht in den einzelnen 
deutschen Staaten abgeschafft. 
Als Vorläufer des Paßwesens ist diese Entwick- 
lung nur insoweit anzusehen, als auch der Paß zum 
Schutz des Fremden dienen soll. Seine andere 
Wurzel ist, wenn auch die litterae relatoriae des 
Cod.Theod. XIII, 5, Salseine Art Pässeangesehen 
werden können, erheblich jünger; sie geht nur bis 
auf die Mitte des 16. Jahrh. zurück. Bettler und 
Landstreicher in großer Zahl machten damals die 
Straßen unsicher, so daß der Staat zu schärferem 
Vorgehen gegen alle Fremden gezwungen wurde, 
woraus sich für harmlose Reisende die dringende 
Notwendigkeit ergab, sich über ihre Person stets 
hinreichend ausweisen zu können. Als Mittel dazu 
diente ihnen der zunächst freiwillig mitgeführte 
Paß. Noch nach dem Reichsabschied von 1551 
durfte jedoch im deutschen Reich ein solcher nicht 
jedem, insbesondere keinem Zigeuner, erteilt wer- 
den. Später forderten die Behörden selbst die Vor- 
legung der Pässe zur Einsicht und Visierung, an- 
fangs freilich nur in Kriegszeiten, von einzelnen 
Klassen von Personen, wie den Handwerksgesellen 
(für die allerdings bald das Wanderbuch als Ver- 
bindung von Paß und Arbeitsbuch aufkam) und 
Juden und von solchen, die aus verdächtigen oder 
durch Krankheiten verseuchten Orten kamen, bald 
aber ganz allgemein zwecks Uberwachung der Frem- 
den (preuß. Instruktionen vom 19. Jan. 1725 
und 20. Nov. 1730; sächs. Mandate vom 7. Dez. 
1715 und 14. Dez. 1753). Daneben erlangten 
die Pässe unter dem Einfluß des aus Anlaß der 
lucht des Adels während der Revolution er- 
lassenen französischen Gesetzes vom 28. März 1792 
die weitere Bedeutung eines Ausweises über die 
Erlaubnis zu reisen, insbesondere die Grenze zu 
überschreiten: der dem Inländer erteilte Paß ge- 
währte die Erlaubnis, ins Ausland zu gehen, der 
dem Ausländer erteilte die, ins Staatsgebiet ein- 
zutreten (Paßedikt für die preuß. Monarchie vom 
22. Juni 181716.S. 1817, 152ffl). Mit der Zu- 
nahme des Reiseverkehrs, den die Paßvorschriften 
zudem sehr belästigten, wurde deren strenge Durch- 
führung immer mehr erschwert, so daß nach dem 
Vorgang Preußens, das 1841 für den Verkehr 
im Inland und mit Nachbarstaaten einige Erleich- 
terungen eingeführt hatte, fast sämtliche deutsche 
Bundesstaaten in dem Dresdner Vertrag vom 
21. Okt. 1850, dem sich 1859 auch Osterreich 
anschloß, an Stelle der Pässe für ihre Staatsange- 
hörigen im ganzen Vertragsgebiet auf ein Jahr 
gültige Paßkarten treten ließen, deren Visierung 
nicht erforderlich war. Die gänzliche Beseitigung 
des Paßzwangs erfolgte in den deutschen Bundes- 
staaten jedoch erst durch das Bundesgesetz „Uber 
das Paßwesen“ vom 12. Okt. 1867, nachdem 
allerdings schon die vorbereitende Paßübereinkunft
	        
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