1621
vom 7. Febr. 1865 die Paßfreiheit grundsätzlich
anerkannt hatte.
III. Geltendes Recht. 1. Im Deutschen
Reich gilt auf Grund der Gesetze vom 16. und
22. April 1871 „betr. die Verfassung des Deut-
schen Reichs“ und „betr. die Einführung nord-
deutscher Bundesgesetze in Bayern“ das Bundes-
gesetz „Uber das Paßwesen“ vom 12. Okt. 1867
als Reichsgesetz unverändert fort. Nur in Elsaß-
Lothringen und Helgoland ist es nicht eingeführt.
In Elsaß-Lothringen ist noch die alte französische
Gesetzgebung der Revolutionszeit (Ges. vom 2.Okt.
1795 und 19. Okt. 1797), die Verordnung vom
20. April 1817 und das Gesetz vom 5. Mai 1855
mit vollem Paßzwang in Kraft, ohne allerdings
im innern Verkehr und im Verkehr mit deutschen
Staaten angewendet zu werden. Dagegen war
dieses Recht seit der Verordnung vom 22. Mai 1888
in voller Schärfe allen aus Frankreich kommenden
Reichsausländern gegenüber in Übung, bis die
Verordnung vom 20. Sept. 1891 seine Anwend-
barkeit auf aktive Militärpersonen und Zöglinge
militärischer Schulen des Auslandes sowie solche
beschränkte, die die deutsche Reichsangehörigkeit
vor Erfüllung der Wehrpflicht verloren und das
45. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. In
Helgoland gilt zurzeit noch das englische Paßrecht
mit Paßfreiheit, da eine Kaiserliche Verordnung,
wie sie § 6 des Gesetzes „betr. die Vereinigung
von Helgoland mit dem Deutschen Reich“ vom
15. Dez. 1890 (R.G.Bl. 1890, 207 f vorsieht,
zur Einführung des Bundesgesetzes vom 12. Okt.
1867 noch nicht ergangen ist.
Das Paßgesetz vom 12. Okt. 1867 bestimmt
in § 1, daß Reichsangehörige „zum Ausgang aus
dem Bundesgebiet, zur Rückkehr in dasselbe sowie
zum Aufenthalt und zu Reisen innerhalb desselben“
akeines Reisepapieres bedürfen“. Auf ihren Antrag
sollen ihnen jedoch Pässe oder sonstige Reisepapiere
mit Gültigkeit für das ganze Reichsgebiet (8 4)
erteilt werden, wenn „ihrer Befugnis zur Reise
gesetzliche Hindewusfe nicht entgegenstehen“ (§ 1,
Abs. 2). Das Gesetz selbst zählt diese Hindernisse
nicht auf; in Betracht kommen hauptsächlich Mili-
tärpflicht (Wehr-O. 8 107; bei Offizieren Beschei-
nigung des Generalkommandos über die Unbe-
denklichkeit der Erteilung dem Antrag beizufügen),
Polizeiaufsicht und gerichtliche Untersuchung (vgl.
preuß. Min.-Erl. vom 30. Dez. 1867). Reichs-
ausländern solken Pässe „nur ausnahmsweise beim
Vorliegen besonderer Gründe“ erteilt werden. Nur
solchen, die ehemals die Reichsangehörigkeit be-
sessen und eine neue Staatsangehörigkeit noch nicht
erworben haben, oder deren Staatsangehörigkeit
zweifelhaft ist, darf ein Paß auf längstens 1 Jahr
ausgestellt werden, in den aber ein Vermerk über
die Frage der Staatsangehörigkeit aufzunehmen
ist (Min.-Verf. vom 1. Dez. 1892, in Verbindung
mit Min.-Verf. vom 2. April 1890). Eine
Vorschrift über die Gültigkeitsdauer der Pässe gibt
das Gesetz nicht; in Preußen ist sie auf Grund der
Paßwesen.
1622
Min.-Verf. vom 20. Juni 1853, 27. März 1868
und 12. Okt. 1899 bei gänzlichem Verbot der
Verlängerung auf 1, höchstens 2 Jahre beschränkt.
Auch von Ausländern soll weder beim Eintritt
in das Reichsgebiet noch beim Aufenthalt daselbst
oder beim Austritt aus ihm ein Reisepapier ge-
fordert werden (§ 2). Auf Verlangen haben sich
jedoch Inländer wie Ausländer über ihre Person
hinreichend auszuweisen (§ 3). Zur Vorlegung der
Reisepapiere zwecks Visierung sind sie dagegen nicht
verpflichtet (§ 5). Zuständig für die Erteilung von
Pässen zum Eintritt in das Reichsgebiet sind die
Gesandten und Konsuln des Reichs und der
Bundesstaaten, für die Erteilung von Auslands-
pässen und sonstigen Reisepapieren die vom Landes-
recht dazu bestimmten Behörden (8 6), in Preußen
auf Grund des Min.-Erl. vom 30. Dez. 1867 die
Regierungen, jetzt die Regierungspräsidenten und
die von ihnen besonders ermächtigten städtischen
Polizeibehörden, sowie die Landräte. Daneben
gibt es Ministerialpässe, die vom Minister des
Innern, und sog. Kaiserpässe, die vom Aus-
wärtigen Amt ausgestellt werden, für besondere
Ausnahmefälle, in denen ein über das Maß des
Gewöhnlichen hinausgehendes öffentliches Interesse
an dem Schutz und an der Person des Paßinhabers
im Ausland besteht (Paßedikt vom 22. Juni 1817
und Min.-Verf. vom 12. März 1900 über das
Verfahren). Für die Pässe und sonstigen Reise-
papiere sind übereinstimmende Formulare ein-
geführt (67 und Min.-Verf. vom 30. Dez. 1867),
in denen eine Unterscheidung zwischen Inlands-
und Auslandspässen nicht mehr gemacht wird.
„Sonstige Reisepapiere“ im Sinne des Paß-
gesetzes sind die auf Grund des Dresdner Ver-
trags vom 21. Okt. 1850 für den Reiseverkehr
im Reich und in Osterreich-Ungarn ausgegebenen
Paßkarten, ferner in Preußen die Halbpässe oder
Grenzkarten für den russischen Grenzverkehr
(Min.-Erl. vom 19. Juni 1897) und in Preußen
und Sachsen die Legitimationskarten für auslän-
dische Arbeiter (Min.-Erl. vom 16. Jan. 1907,
21. Dez. 1907 und 27. Nov. 1909). Die Legi-
timationskarte des reisenden Kaufmanns (65 44 a
Gew.O.), der Wandergewerbeschein des umher-
ziehenden Gewerbetreibenden (§ 53 Gew.O.) und
das Arbeitsbuch des minderjährigen Arbeiters
(§J107 Gew.O. gehören nicht hierher. Die Paß-
karte ist ein bequemeres Ausweispapier als der
Paß; eine Visierungspflicht besteht auch für sie
nicht. Für ihre Ausstellung gilt im ganzen das-
selbe wie für die Erteilung des Passes; doch darf
sie Personen unter 18 Jahren, Dienstboten, Arbeit-
suchenden aller Art und Personen, die ein Ge-
werbe im Umherziehen betreiben, nicht erteilt
werden (Art. 2 und 4 des Dresdner Vertrags
vom 21. Okt. 1850; Min.-Erl. vom 31. Dez.
1850 und 29. Okt. 1878). Der Halbpaß
oder die Grenzkarte wird mit 28tägiger oder
Zmonatlicher Gültigkeitsdauer ausgestellt; er er-
mächtigt zum beliebig häufigen Überschreiten der