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russischen Grenze (Min.-Erl. vom 19. Juni
1897). Die Legitimationskarten für auslän-
dische Arbeiter werden auf Grund der den Ar-
beitern verbleibenden Heimatspapiere an bestimm-
ten Grenzorten durch sprachkundige Beamte der
deutschen Feldarbeiterzentrale in deutscher Sprache
ausgefüllt und von der für das betreffende Grenz-
amt zuständigen Ortspolizeibehörde amtlich ge-
prüft und ausgefertigt. Sie müssen stets einen
bestimmten Arbeitgeber angeben und werden beim
Wechsel der Arbeitsstelle auf den neuen Arbeit-
geber umgeschrieben (Min.-Erl. vom 21. Dez.
1907, 4. Dez. 1908 und 30. Dez. 1908). Falls
der Arbeiter beim ÜUberschreiten der Grenze eine
feste Arbeitsstelle noch nicht besitzt, erhält er auf
dem Grenzamt eine Interimslegitimationskarte
mit 10tägiger Gültigkeitsdauer, die er durch
Vermittlung der Ortspolizeibehörde seiner dem-
nächstigen Arbeitsstelle innerhalb dieser Frist bei
dem Grenzamt, das sie ausgestellt hat, umtauschen
muß (Min.-Erl. vom 27. Nov. 1909).
Die Kosten eines Passes dürfen an Stempel-
abgaben und Ausfertigungsgebühren zusammen
den Betrag von 3 M nicht übersteigen (8 8 des
Paßgesetzes). Im übrigen ist ihre Festsetzung dem
Landesrecht überlassen. Preußen erhebt seit der Ab-
änderung des Stempelsteuergesetzes vom 30. Juni
1909 für Pässe und Paßkarten grundsätzlich den
gleichen Stempelbetrag von 3 M, von Handwerks-
burschen, Dienstboten, Lohnarbeitern und Per-
sonen „ähnlichen Standes“ jedoch nur 1 M (Tarif-
stelle 49). Eine Ausfertigungsgebühr (vgl. Min.=
Erl. vom 10. Dez. 1857, 30. Dez. 1867 und
21. Mai 1896) kommt somit nur noch insoweit
zur Erhebung, als nicht schon der Stempel von
3 M erhoben wird; sie beträgt im übrigen 25
oder 50 Pfennig je nach dem Stand des Paß-
inhabers.
Die Paßpflicht kann durch Kaiserliche Verord-
nung im ganzen Reichsgebiet, für einen bestimm-
ten Bezirk oder für Reisen aus und nach bestimm-
ten Ländern vorübergehend eingeführt werden,
wenn die Sicherheit des Reichs oder eines Bundes-
staats oder die öffentliche Ordnung durch Krieg,
innere Unruhen oder sonstige Ereignisse bedroht
erscheint (§ 9 des Paßgesetzes). Von dieser Er-
mächtigung ist unter dem 14. Juni 1879 gegen
Rußland Gebrauch gemacht worden. Jeder von
dorther kommende Reisende muß sich durch einen
von der deutschen Botschaft in St Petersburg oder
einer deutschen Konsularbehörde visierten Paß
ausweisen. Die weitere Verpflichtung, den Paß
der deutschen Grenzbehörde zur Visierung vorzu-
legen, ist durch die Verordnung vom 30. Juni
1894 wieder beseitigt.
Die Vorschriften über die in Vollziehung einer
Ausweisung von den Ortspolizeibehörden ausge-
stellten Zwangspässe, die in jedem Nachtquartier
visiert werden müssen (Min.-Erl. vom 2. April
1828; von Kamptz, Annalen der preuß. innern
Staatsverwaltung (18281 466 f), und über die
Paßwesen.
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Reiserouten hat das Paßgesetz (8 10) unberührt
gelassen.
2. In Österreich bedarf der Inländer zu
Reisen im Inland einer auf 1 Jahr gültigen
Legitimationskarte, die der Paßkarte nachgebildet
ist, oder eines mit Legitimationsklausel versehenen,
auf 3 Jahre gültigen Dienst= oder Arbeits-
buchs, zu Reisen ins Ausland eines Passes, einer
Paßkarte oder (Grenzbewohner) eines Grenz-
zertifikats. Ausländer müssen mit einem Paß,
einer Paßkarte oder einem andern hinreichenden
Ausweis versehen sein. Diese auf den Paßzwang
hinauslaufenden Bestimmungen werden jedoch sehr
milde gehandhabt. Eine Verpflichtung, das Reise-
papier visieren zu lassen, besteht nicht; sie kann
aber in unruhigen Zeiten im Verordnungsweg
eingeführt werden.
3. Die übrigen Staaten teilt man am
besten kurz in die Länder des Paßzwangs und
die der Paßfreiheit, a) Paßzwang herrscht
rechtlich und tatsächlich in Rußland, Rumänien
und in der Türkei, sowie für Einwanderer in Vene-
zuela (Fremdenges. vom 11. April 1903, Dekret
vom 28. Mai 1902 und Erl. vom 6. Okt. 1904
[Preuß. Min.Bl., Min. d. J., 1904, 244.);
nur dem Recht nach, ohne angewandt zu werden,
in Frankreich, Belgien, Griechenland und, in
seiner Anwendung auf die Fälle der Vergeltung
beschränkt, in Dänemark. Die für Rußland gel-
tenden sehr scharfen Bestimmungen werden jedem
nach Rußland reisenden Reichsangehörigen mit dem
Paß ausgehändigt. Rumänien gestattet die ÜUber-
schreitung seiner Grenze nur gegen Vorlegung eines
mit dem Visum eines rumänischen Gesandten oder
Konsuls versehenen Passes (Erl. vom 31. Juli,
3. Aug. 1891 (Min.Bl. 1891, 170); Regl. vom
31. März, 13. April 1904 (Monitor ofticial
1904, Nr 110). Für die Zeit vom 1./14. Mai
bis 1./14. Nov. eines jeden Jahres gelten diese
Vorschriften nicht; die Vorlegung eines Passes
soll in dieser Zeit von ausländischen Reisenden
nicht verlangt werden (Rundschreiben des rum.
Min. des Innern vom 29. April 1906). Auch
die Türkei verlangt das Visum eines Konsuls.
Besitzt der Reisende gar keinen oder einen nicht
ordnungsmäßig visierten Paß, so wird er poli-
zeilich überwacht und muß ihn binnen 48 Stun-
den beschaffen, widrigenfalls er das türkische
Gebiet sofort verlassen muß (Erl. vom 7. Sept.
1868 (Min.Bl. 1868, 2501, 2. Nov. 1895
(Reichsanz. Nr 263] und 12. Aug. 1907
[Min. Bl. 1907, 278l). In Frankreich gilt
noch die oben für Elsaß-Lothringen erwähnte
scharfe Gesetzgebung; im Verkehr mit Deutsch-
land kommt sie jedoch nicht in Anwendung; der
deutsche Reisende hat nur die Verpflichtung, sich
über seinen Namen und seine Staatsangehörig-
keit auszuweisen (Erl. vom 14. Jan.1873 (Min.=
Bl. 1873, 14 fl). Für ausländische Arbeiter
und Gewerbetreibende dagegen besteht seit dem
Gesetz vom 8. Aug. 1893 die Pflicht, sich zu