Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Kirchengut. 
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samt seinen Erträgnissen nur zu kirchlichen und religiöser Korporationen, z. B. geistlicher Orden, 
frommen Zwecken verwendet werden soll; aber 
darum ist noch nicht alles Vermögen, das heiligen 
und kirchlichen Zwecken zu dienen bestimmt ist, 
auch Kirchengut. So fallen z. B. jene Liegen- 
schaften, denen die Last anhaftet, daß ihre Erträg- 
nisse zu gottesdienstlichen Zwecken verwendet wer- 
den, wenn sie nicht in das Eigentum der Kirche 
übergegangen sind, sondern sich noch in dem von 
Privatpersonen befinden, nicht unter den Begriff 
Kirchengut. Ebenso gehören auch Stolgebühren, 
die kirchlichen Personen für bestimmte geistliche 
Verrichtungen zufließen, Meßstipendien für die 
Darbringung des heiligen Opfers, Zehnten und 
ähnliche Abgaben, die Pfründeninhabern entrichtet 
werden, Oblationen, die bestimmten Personen 
zufallen, nicht zum Kirchengut im eigentlichen 
Sinne, da sie eben nicht in das Eigentum der 
Kirche übergehen, sondern unmittelbar kirchlichen 
Personen zukommen. Wohl aber bildet das Recht, 
solche Einkünfte zu beziehen, einen Teil des Kirchen- 
gutes, da es zeitliches Vermögen zum Gegenstande 
hat und ein kirchliches Institut Inhaber dieses 
Rechtes ist. 
Unter den Einteilungen, welche das kirch- 
liche Vermögen betreffen, sind besonders hervor- 
zuheben: 1) jene, welche es mit dem Profan- 
vermögen gemein hat. Die Kirche kann nämlich 
zeitliche Güter von was immer für einer Art er- 
werben. Darum wird auch das Kirchenvermögen 
eingeteilt in unbewegliches und bewegliches, in 
körperliches und unkörperliches, vertretbares und 
nicht vertretbares, verbrauchbares und nicht ver- 
brauchbares Gut usw. — 2) Mehr dem Kirchen- 
gute eigen ist die Einteilung in geweihte und un- 
geweihte Sachen. Allerdings dient das gesamte 
Kirchengut heiligen Zwecken und trägt darum den 
Charakter einer res sacra. Aber einzelne kirch- 
liche Sachen, teils Immobilien, wie Kirchen, Ora- 
torien, Begräbnisplätze, teils Mobilien, wie Kelche, 
Paramente, Glocken usw., werden unter liturgi- 
schen Gebeten und Zeremonien im besondern Gott 
geweiht, dadurch dem Profangebrauch entzogen und 
frommen, vornehmlich gottesdienstlichen Zwecken 
ausschließlich gewidmet. Das sind die res ecclesia- 
sticae cConsecratae aut benedictae zum Unter- 
schied von den res ecclesiasticae nec consecra- 
tae nec benedictae. Es verdient jedoch bemerkt zu 
werden, daß auch im Privateigentum befindliche 
Sachen durch die kirchliche Weihe dem Profange- 
brauchentzogen und ausschließlich gottesdienstlichen 
Zwecken gewidmet werden können, ohne daß sie 
damit aufhören, Privateigentum zu sein. So 
hindert nichts, daß konsekrierte Kelche, geweihte 
Paramente Eigentum eines einzelnen Priesters 
oder auch eines Laien bleiben. — 3) Vorzüglich 
bemerkenswert ist die Einteilung des Kirchengutes 
je nach dessen verschiedenen unmittelbaren Eigen- 
tumsträgern. Man unterscheidet danach das 
Pfründenvermögen (dos, bona beneficü), Kir- 
chenfabrikvermögen (bona fabricae), Vermögen 
  
Diuderschaften, und Vermögen wohltätiger Stif- 
tungen und Anstalten, wie Unterrichtsanstalten, 
Spitäler, Waisenhäuser usw. Alles kirchliche Ver- 
mögen pflegt nämlich sich im Besitze der einzelnen 
von der Kirche als juristische Personen ins Leben 
gerufenen Institute zu befinden und hat an diesen 
seinen unmittelbaren oder nächsten Eigentümer. 
II. Notwendigkeit. Als eine aus Menschen 
und unter Menschen bestehende Gesellschaft, die 
zur Erreichung eines bestimmten Zweckes gegründet 
ist, bedarf die Kirche zeitlichen Vermögens. Die 
überaus umfangreiche Aufgabe aber, welche ihr 
göttlicher Stifter ihr gesetzt hat, macht den Besitz 
auch zeitlicher Güter notwendig. Es bedarf die 
Kirche derselben zum standesgemäßen Unterhalt 
der höheren und niederen Vorsteher, denen die 
Vollziehung der Aufgabe der Kirche vorzüglich 
obliegt, zur würdigen Feier des Gottesdienstes, 
zur Hilfeleistung für Arme und Verlassene. Ihr 
Bedürfnis und ihre Berechtigung zum Besit zeit- 
lichen Vermögens hat die Kirche deshalb zu jeder 
Zeit behauptet und mit allen ihr zur Verfügung 
stehenden Mitteln gegen Angriffe verteidigt. Die 
Notwendigkeit wurde vorzüglich von schwärme- 
rischen Sekten bestritten, die Berechtigung von 
übermäßigen Verehrern der Staatsgewalt. Daß 
dann die Sekten eben dem Staate das Recht bei- 
legten, die Kirchengüter sich anzueignen, kann 
nicht wundernehmen. In den ersten Jahrhunderten 
trat gegen den Besitz der Kirche die Sekte der sog. 
Apostoliker auf; auch zur Zeit der großen Kirchen- 
väter, im 4. und 5. Jahrh. zeigte sich vereinzelt der- 
selbe Irrtum. Mehr Anhang wußte im 12. Jahrh. 
Arnold von Brescia für diese Lehre zu gewinnen, 
die nachher auch die Sekte der Waldenser annahm. 
Im 13. Jahrh. bestritt Marsilius von Padua 
(s. d. Art.) der Kirche das Recht, zeitliches Ver- 
mögen zu besitzen; sein Irrtum wurde mit mehreren 
andern, die er in seinem Buche Defensor pacis 
aussprach, von Johannes XXII. im Jahre 1327 
verworfen. Im 14. Jahrh. stellte Wiclif die 
Sätze auf: Papa cum omnibus clericis suis 
possessionem habentibus sunt haeretici, eo 
duod possessiones habent, et consentientes 
eis videlicet domini saeculares et ceteri 
laici. Imperator et domini saechulares sunt 
seducti a diabolo, ut ecclesiam ditassent 
bonis temporalibus. Dieselben wurden von 
Hus angenommen, der in Böhmen eine ähnliche 
kirchliche Revolution verursachte wie Wiclif in 
Schottland. 
III. Perwaltung. 1. Das Recht der Ver- 
waltung ist ebenso wie das Nutzungsrecht seiner 
Natur nach ein Ausfluß des Eigentumsrechts. Der 
Staat ist berechtigt, wenn das allgemeine Wohl 
es verlangt, für die Vermögensverwaltung seiner 
Untertanen Vorschriften zu geben. Der Kirche aber 
kann der Staat, weil sie ihm nicht unterworfen 
ist, solche Vorschriften nicht geben. Mit der Grün- 
dung der katholischen Kirche hat ihr göttlicher
	        
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