Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Stadtkreisen hat der Stadtausschuß (Bürgermeister, 
vier vom Magistrat gewählte Mitglieder) die sonst 
dem Kreisausschuß als Beschlußbehörde und Kreis- 
verwaltungsgericht zufallenden Obliegenheiten. 
Die Gemeinden sind Stadt= oder Land- 
gemeinden, letztere wieder Dorfgemeinden oder 
Gutsbezirke. Im allgemeinen steht an der Spitze 
der Landgemeinde (verschiedene Landgemeinde- 
ordnungen; die vom 3. Juli 1891 gilt für die 
sieben östlichen Provinzen und mit einigen Ande- 
rungen seit 4. Juli 1892 auch für Schleswig- 
Holstein) der Gemeindevorsteher (Schulze) mit 
zwei oder mehr Schöffen (Beigeordneten); sie 
werden von der Gemeindeversammlung oder der 
gewählten Gemeindevertretung bestellt und vom 
Landrat bestätigt. Die Amtmänner in Westfalen 
und Landbürgermeister im Rheinland verwalten 
eine Mehrzahl von Einzelgemeinden (Samtge- 
meinde) und werden vom Oberpräsidenten ernannt. 
Die Ortspolizei verwalten in den östlichen Pro- 
vinzen (außer Posen) und in Schleswig-Holstein 
die Amtsvorsteher, in Posen die Distriktskom- 
missare (besoldete Hilfsbeamte des Landrats), in 
Westfalen die Amtmänner, im Rheinland die 
Landbürgermeister, in Hannover die Landräte, in 
Hessen -Nassau und Hohenzollern die Bürger- 
meister bzw. Gemeindevorsteher. — In den Guts- 
bezirken hat der „Gutsvorsteher“ dieselben Rechte 
und Pflichten wie sonst der Ortsvorsteher. — In 
den Städten (verschiedene Städteordnungen; die 
vom 30. Mai 1853 gilt für die sieben östlichen 
Provinzen mit Ausnahme von Neuvorpommern 
und Rügen) werden de Gemeindeangelegenheiten 
durch Magistrat und Stadtverordnete wahrge- 
nommen. Der Magistrat besteht aus dem Bürger- 
meister, einem Beigeordneten und den Schöffen 
(Stadträten, Ratsherren, Ratsmännern). Der 
Bürgermeister wird von den Stadtverordneten 
gewählt und vom König bzw. dem Regierungs- 
präsidenten bestätigt. Die Stadtverordneten wer- 
den nach dem Dreiklassensystem auf die Dauer von 
6 Jahren bestellt. Die Ortspolizei wird in den 
Städten regelmäßig von den Bürgermeistern und 
nur in Hannover von den Magistraten verwaltet; 
in den Großstädten ist sie besondern königlichen 
Behörden (Polizeipräsidien oder Polizeidirektio- 
nen) übertragen. 
In den östlichen Provinzen (mit Ausnahme von 
Posen) und in Schleswig-Holstein ist jeder Kreis, 
mit Ausschluß der Städte, in Amtsbezirke ge- 
teilt, es sind das besondere Zweckverbände für Tra- 
gung der Polizeilast, ihre Organe Amtsvorsteher 
und Amtsausschuß. Ersterer wird vom Oberpräsi- 
denten auf 6 Jahre aus den Amtsangehörigen er- 
nannt, letzterer aus den Vertretern der im Amtsbezirk 
gelegenen Gemeinden und Gutsbezirke gebildet. 
Für Preußen bestehen 14 (mit Jena 15) Ober- 
landesgerichte in Berlin (Kammergericht), Breslau, 
Kassel (auch für Waldeck), Celle (Lippe, Schaum- 
burg-Lippe), Köln (Birkenfeld), Düsseldorf, Frank- 
furt a. M. (Hohenzollern), Hamm, Kiel (Helgo- 
Preußen. 
  
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land), Königsberg, Marienwerder, Naumburg 
(Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen), Posen 
und Stettin. Zu Jena gehören die Kreise Ziegen- 
rück und Schleusingen (Provinz Sachsen) und der 
Kreis Schmalkalden (Reg.-Bez. Wiesbaden). Der 
mit dem Kammergericht in Berlin verbundene Ge- 
heime Justizrat ist persönlicher Gerichtsstand der 
Mitglieder des königlichen Hauses und der fürst- 
lichen Familie Hohenzollern in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten. Den 14 Oberlandesgerichten unter- 
stehen 96 Landgerichte und 1110 Amtzsgerichte. 
Sondergerichte sind die auf Staatsverträgen be- 
ruhenden Rheinschiffahrts= und Elbzollgerichte, die 
Austrägalgerichte der Standesherren, die Gerichte 
in Ablösungssachen (Generalkommissionen und 
Oberlandeskulturgericht), die Gewerbe= und Kauf- 
mannsgerichte usw. 
Die Organisation der Handelskammern (ogl. 
diesen Art.) ist zuletzt geregelt durch Gesetz vom 
19. Aug. 1897, die Bildung von Landwirt- 
schaftskammern (vgl. diesen Art.) durch Gesetz 
vom 30. Juni 1894. Reichsrechtliche Einrich- 
tungen sind die Handwerkskammern (val. diesen 
Art.). Einen technischen Beirat des Landwirt- 
schaftsministers bildet das Landesökonomiekol- 
legium (s. d. Art. Landwirtschaftliche Vereine), 
Beiräte der Eisenbahnverwaltung sind der Landes- 
und die Bezirkseisenbahnräte (s. d. Art. Eisen- 
bahnen, Sp. 1536). 
Die Finanzen sind in guter Ordnung. Die 
Jahresbilanz stellt sich (ein Mill. A) wie folgt: 
  
  
  
  
  
  
  
  
1909 
18F7518831892 1901 1907 (Etat) 
Einnahmen 971,61297, 2 2209, 2 2926,8988,90 3495,4 
Ausgaben.12,6|1220, 7/2146, 52721,6 3733,0 3495,4 
Bestand 159,00 76, 5 67,7| 205, 2 255,891 — 
Die Einnahmen setzen sich in der Hauptsache 
zusammen aus Erwerbseinkünften und Steuern. 
Die bedeutendsten Erwerbseinkünfte werden erzielt 
aus den Staatseisenbahnen (Jahresdurchschnitt 
1903/07: 473 Mill. netto), aus den Forsten 
(61,6 Mill.), Domänen (8 Mill.), Bergwerken 
(18 Mill.), der Lotterie (9 Mill.), der Seehand- 
lung (3 Mill.) usw. Die Steuern sind direkte 
Steuern (durchschnittlicher Jahresertrag 1903/07: 
247,5 Mill. M, davon 206 Mill. Einkommen-, 
38 Mill. Ergänzungssteuern) und Verkehrs- 
(Stempel-ssteuern (49 Mill. M). Zu den Er- 
werbseinkünften und Steuern treten noch die Ge- 
bühren und Sporteln (115 Mill.), die Vergütungen 
für Erhebungs= und Verwaltungskosten der Reichs- 
steuern (44 Mill.), die Überweisungen aus der 
Reichskasse (174,3 Mill.) und eine Summe son- 
stiger kleinerer Einnahmen (174,2 Mill.) sowie 
außerordentliche Einnahmen (282,3 Mill.). Die 
Ausgaben zerfallen in den Bedarf für die Staats- 
verwaltung (Jahresdurchschnitt 1903/07: 796 
Mill. fortdauernde, 77 Mill. einmalige Ausgaben; 
darunter für das Ressort der Justizministers 132 
bzw. 10 Mill. M, für das des Kultusministers 
166 bzw. 20 Mill. M., für das des Finanz-
	        
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