Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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der Verfassung noch der Durchführung harren. 
Dem Schah-en-schah (König der Könige) ist von 
der früheren Machtfülle in weltlichen Dingen 
(geistliches Oberhaupt sind die Schahs seit dem 
Aussterben der Dynastie der Sefewiden nicht mehr) 
wenig übrig geblieben. Der Thron ist erblich in 
der Familie der Kadscharen; bei mehreren Kindern 
fällt die Thronfolge dem ältesten Sohn zu, dessen 
Mutter Perserin von Ursprung und Prinzessin ist. 
Hat der Schah keine männlichen Erben, so fällt 
der Thron dem Altesten der Herrscherfamilie unter 
Berücksichtigung der nächsten Verwandtschaft zu 
und vererbt sich auf dessen Sohn weiter. Für den 
minderjährigen Thronfolger (der mit vollendetem 
18. Jahr volljährig wird) führt ein vom Parla- 
ment und Senat gewählter Regent die Regierung. 
Vor der Krönung hat der Schah im Parlament 
in Anwesenheit des Parlaments, Senats und des 
Ministerkabinetts den Eid auf die Verfassung und 
seine Herrscherpflichten abzulegen, ebenso der Re- 
gent vor Ubernahme der Regentschaft. Ohne Zu- 
stimmung des Senats und Parlaments kann der 
Herrscher nicht persönlich die Regierung eines 
andern Landes übernehmen. Dem Schah steht 
die vollstreckende Gewalt zu, die er durch die der 
Kammer verantwortlichen Minister ausübt; er hat 
das Recht, die Minister zu ernennen und abzu- 
setzen, militärische Grade, Orden und Ehrenzeichen 
zu verleihen, die Vorstände der Reichsämter mit 
Zustimmung des zuständigen verantwortlichen 
Ministers außer in gesetzlich ausgenommenen 
Fällen zu wählen, die Befehle und Fermane zur 
Ausführung der Gesetze zu erlassen, ohne daß des- 
halb die Ausführung der Gesetze aufgeschoben oder 
aufgehoben werden darf. Er ist oberster Befehls- 
haber zu Wasser und zu Land, er erklärt Krieg 
und schließt Frieden, beruft das Parlament und 
den Senat zu außerordentlichen Sitzungen. Die 
Kosten der Unterhaltung des Hofstaates werden 
gesetzlich bestimmt. (Die Zivilliste beträgt seit 
1907: 500 000 Toman, 500 Charwar Getreide 
und 5000 Charwar Stroh.) Die gesetzgeberische 
Gewalt teilt der Schah mit dem Parlament und 
enat. 
Das Parlament (die Medschliß) besteht 
nach dem zweiten Wahlgesetz von 1908 aus 
120 Mitgliedern. Das aktive Wahlrecht haben 
alle männlichen persischen Untertanen, die wenig- 
stens 20 Jahre alt, in ihrer Gegend bekannt und 
sechs Monate vor der Wahl dort ansässig gewesen 
sind. Nicht wahlberechtigt sind Bankrotteure, 
Mörder, Diebe und die wegen dieser Verbrechen 
Angeklagten, Leute, die nach den Gesetzen des 
Islams bestraft worden sind oder deren schlechter 
Lebenswandel bekannt ist, sowie alle, die den 
Glauben Mohammeds verlassen und dies vor den 
Priestern bekannt haben, schließlich die aktiven An- 
gehörigen der Armee und Marine. Die Christen, 
Juden und Parsen haben das Recht, je einen Ab- 
geordneten in das Parlament zu wählen. Nur 
bedingt haben kein aktives Wahlrecht die Gouver- 
Persien. 
  
70 
neure und ihre Stellvertreter am Sitz des Gou- 
vernements, die Polizei und Gendarmerie am 
Ort ihres Wohnsitzes. Die Nomadenstämme 
sollen zur Ausübung des Wahlrechts sich in die 
nächstgelegene Provinzstadt begeben und dort 
wählen dürfen, als ob sie Einwohner der Stadt 
wären. Die zu Abgeordneten zu Wählenden müssen 
persische Untertanen sein, dem Islam angehören 
(außer den drei Vertretern der Christen, Juden 
und Parsen), persisch lesen und schreiben können, 
mit den Staatsangelegenheiten vertraut und an 
ihrem Ort gut bekannt sein; sie dürfen nicht jünger 
als 30 und nicht älter als 70 Jahre sein. Nicht 
wählbar sind alle, die das aktive Wahlrecht nicht 
haben, ferner die Brüder, Kinder und Onkel des 
regierenden Schahs. Regierungsbeamte müssen ihr 
Amt niederlegen, falls sie gewählt sind und ihr 
Mandat ausüben wollen. — Die Wahlen sind 
indirekt. In den Bezirken einer Stadt sowie in 
den Provinzstädten, in denen Wahlen abzuhalten 
sind, wird die dreifache Anzahl der zu erwählenden 
Abgeordneten gewählt; diese vereinigen sich in 
dem Zentrum des Wahlkreises und bestimmen aus 
ihrer Mitte die vorgeschriebene Anzahl der Abge- 
ordneten. Die Anzahl der Deputierten für die 
einzelnen Provinzen, der Wahlmänner sowie die 
Städte, die als Wahlkreiszentren gelten, sind im 
Wahlgesetz festgesetzt. Die Wahlen sind geheim. 
Das Parlament beginnt seine Tagungen, sobald 
mehr als die Hälfte aller Abgeordneten in Teheran 
anwesend ist. Neuwahlen finden alle zwei Jahre 
vom Tag der Parlamentseröffnung an gerechnet 
statt. Die Tagegelder der Abgeordneten setzt das 
Parlament selbst fest, ebenso erhalten sie (wie auch 
die Wahlmänner) Reiseentschädigung. 
Die Rechte des Parlaments sind sehr weit- 
gehend. Die Gesetzgebung teilt es mit dem Schah 
und dem Senat; die Gesetze betreffend Einnahmen 
und Ausgaben des Landes jedoch bedürfen nur 
der Annahme durch das Parlament. Die Aus- 
legung der Gesetze steht ihm ebenfalls allein zu. 
Das Parlament beschließt über den Staatshaus- 
halt, Annahme und Ablehnung von Steuern, 
über Veräußerung der Einkünfte und Besitztümer 
des Staats, über Abschluß von Staatsanleihen, 
über Veränderung der Grenzen und innere Ab- 
grenzung des Landes in Provinzen usw., über 
Konzessionen zur Bildung von Kompanien und 
allgemeinen Gesellschaften aller Art, über Ver- 
leihungen von Konzessionen und Monopolen auf 
dem Gebiet des Handels, des Gewerbes, der 
Landwirtschaft usw. an In= und Ausländer, über 
den Abschluß von Staatsverträgen mit Ausnahme 
der Verträge, deren Geheimhaltung im Interesse 
des Landes liegt (sie müssen aber, sobald sie frei- 
gegeben werden können und die Interessen des 
Landes es verlangen, dem Parlament und Senat 
bekannt gegeben werden). Die Mitglieder des 
Staatsrechnungshofes werden von ihm erwählt, 
womit es die Kontrolle über alle Staatsgelder 
besitzt. Das Parlament kann in jeder Angelegen- 
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