Patentrecht. I. Allgemeines und Ge-
schichtliches. 1. Die Patentgesetzgebung hat den
Schutz des Erfinderrechts zum Gegenstande. Was
unter „Erfindung“ zu verstehen sei, wird von
unserer Gesetzgebung, im Einklang mit der Taktik
der Urheberrechtsgesetze, welche ebenfalls mit un-
definierbaren Begriffen (Schriftwerk, Kunstwerk,
Muster, Modell) operieren, absichtlich nicht er-
klärt; die Definition ist der Wissenschaft und der
Rechtsprechung vorbehalten. Das Wort deckt so-
wohl die Tatsache des Erfindens als auch das
Resultat des Erfindens, das Erfundene; in beiden
Beziehungen ist die Erfindung etwas Geistiges.
Sie ist „ein neuer Gedanke, der durch eine bisher
unbekannte Kombination der Naturkräfte einen
wesentlichen Fortschritt der Technik schafft“, oder
auch „die durch eine Verbindung von Naturkräften
geschaffene Möglichkeit der Herstellung neuer, eigen-
artiger Erzeugnisse oder die auf gleichem Weg
gefundene neue Methode zur Herstellung von Pro-
dukten oder der Erzeugung von Wirkungen". Die
Erfindung ist zu unterscheiden von der Entdeckung,
welche vorhandene, aber bisher unbekannte Natur-
erzeugnisse oder verborgene Naturgesetze oder-kräfte
zur Erscheinung bzw. zur Wahrnehmung bringt;
die Erfindung ist die Schöpfung eines Neuen, die
Entdeckung das Erkennen eines Bestehenden. Die
Erfindung ist auch verschieden von der Konstruk-
tion als der „praktischen Gestaltung eines technischen
Gedankens auf Grund der bekannten Gesetze der
Technik und der bekannten Erfahrung und Rou-
tine". Entdeckung und Konstruktion sind von dem
Patentschutz ausgeschlossen. Da es sich bei der
Erfindung also um einen technischen Fortschritt
unter Verwendung von Naturkräften handeln muß,
so fallen eine rein wissenschaftliche Entdeckung, die
Auffindung unbekannter Naturprodukte, die Ent-
deckung unbekannter Produktivkräfte, z.B. die Ent-
deckung der Röntgenstrahlen, die Aufstellung neuer
Methoden des Ackerbaues oder des Bergbaues oder
der kaufmännischen Buchführung u. dgl., die Auf-
stellung einer wissenschaftlichen Hypothese, die
Erkenntnis von Eigenschaften organischer oder
anorganischer Wesen oder von Stoffen oder ins-
besondere neuer Eigenschaften oder neuer Nützlich-
keiten einer von einem andern gemachten Erfindung
u. dgl. m. nicht unter den Patentschutz. Nach
Grundsätzen, welche übereinstimmend in allen
Staaten ausdrücklich oder durch die Praxis an-
erkannt sind, ist ferner der Patentschutz nur auf
Erfindungen beschränkt, welche eine gewerbliche
Verwertung gestatten.
2. Uber das Wesen des Erfinderrechts und
seine juristische Konstruktion herrscht in der Wissen-
schaft keine Ubereinstimmung. Von einigen wird
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl.
ihm die Eigenschaft eines positiven Rechts über-
haupt bestritten, in ihm vielmehr nur der Wider-
schein, der Rückschlag von Verbotsgesetzen gesehen;
andere reihen es mit Rücksicht auf die staatliche
Mitwirkung bei Gestaltung seines Schutzes un-
mittelbar unter die Privilegien oder die Monopole,
die ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, ein.
Eine weitere Ansicht unterstellt das Erfinderrecht
neben Namen= und Zeichenrecht sowie Urheber-
recht den Persönlichkeitsrechten, Individualrechten,
während ihr gegenüber manche es für ein reines
privates Vermögensrecht ansprechen, das die aus-
schließliche gewerbliche Verwertung des von dem
Erfinder neu geschaffenen Gutes zum Gegenstand
habe. Als Unterart der letzteren Ansicht konstruiert
endlich eine Anschauung in analoger Anwendung
des sachenrechtlichen Eigentumsbegriffs und in
Umbildung der Theorie des „geistigen Eigentums“
das Erfinderrecht als ein Immaterialgüterrecht,
d.h. als ein Recht an einem nicht körperlichen Ge-
nußgut der Menschheit (Kohler), ein Vollrecht
absoluten Charakters an einem abstrakten Verkehrs-
gut (Alexander-Katz). Das Erfinderrecht wird
mit der vollendeten Erfindungstat geboren und
hat zum ursprünglichen Inhalt (wie das Ur-
heberrecht) die alleinige Befugnis, über das Ob,
Wann und Wie der Veröffentlichung des eignen
Geisteserzeugnisses zu entscheiden, die ausschließ-
liche Befugnis, die eigne Erfindung wirtschaft-
lich zu nutzen. Der Erfindungsvorgang ist zwar
etwas geistig Individuelles, die Erfindung, das
Geschaffene, aber ist darum kein unantastbares
Persönlichkeitsrecht, wie etwa Ehre und Leben.
Obgleich etwas Geistiges, Unkörperliches, „ob-
jektiviert sich und löst sich“ das durch den Er-
findungsvorgang Geschaffene von dem Schöpfer
ab wie das körperlich Geschaffene. An ihm als
immateriellem Gut steht dem Erfinder das Er-
finderrecht mit dem erwähnten Inhalt zu. Mit
dem Urheberrecht zwar verwandt, hat das Er-
finderrecht nicht wie dieses das in bestimmter
Form verkörperte Geisteserzeugnis, sondern „die
Idee als solche“ zum Gegenstand. Es hat aber
darum doch einen positiven Inhalt und ist nicht
lediglich ein Verbotsrecht. Den Inhalt empfängt
das Erfinderrecht bereits mit dem vollendeten Er-
findungsvorgang und durch ihn allein, woraus
sich der Unterschied von den Privilegien usw. er-
gibt, deren positiver Inhalt in einem von außen,
durch die staatliche Verleihung, zugewiesenen Tätig-
keitsbereich besteht. Obgleich vererblich und ver-
äußerlich und mit einer Reihe von geschützten
Befugnissen ausgestattet, kann das Erfinderrecht
doch noch nicht als ein vollständig ausgewachsenes
Vermögensrecht bezeichnet werden, indem es in
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