Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

Patentrecht. I. Allgemeines und Ge- 
schichtliches. 1. Die Patentgesetzgebung hat den 
Schutz des Erfinderrechts zum Gegenstande. Was 
unter „Erfindung“ zu verstehen sei, wird von 
unserer Gesetzgebung, im Einklang mit der Taktik 
der Urheberrechtsgesetze, welche ebenfalls mit un- 
definierbaren Begriffen (Schriftwerk, Kunstwerk, 
Muster, Modell) operieren, absichtlich nicht er- 
klärt; die Definition ist der Wissenschaft und der 
Rechtsprechung vorbehalten. Das Wort deckt so- 
wohl die Tatsache des Erfindens als auch das 
Resultat des Erfindens, das Erfundene; in beiden 
Beziehungen ist die Erfindung etwas Geistiges. 
Sie ist „ein neuer Gedanke, der durch eine bisher 
unbekannte Kombination der Naturkräfte einen 
wesentlichen Fortschritt der Technik schafft“, oder 
auch „die durch eine Verbindung von Naturkräften 
geschaffene Möglichkeit der Herstellung neuer, eigen- 
artiger Erzeugnisse oder die auf gleichem Weg 
gefundene neue Methode zur Herstellung von Pro- 
dukten oder der Erzeugung von Wirkungen". Die 
Erfindung ist zu unterscheiden von der Entdeckung, 
welche vorhandene, aber bisher unbekannte Natur- 
erzeugnisse oder verborgene Naturgesetze oder-kräfte 
zur Erscheinung bzw. zur Wahrnehmung bringt; 
die Erfindung ist die Schöpfung eines Neuen, die 
Entdeckung das Erkennen eines Bestehenden. Die 
Erfindung ist auch verschieden von der Konstruk- 
tion als der „praktischen Gestaltung eines technischen 
Gedankens auf Grund der bekannten Gesetze der 
Technik und der bekannten Erfahrung und Rou- 
tine". Entdeckung und Konstruktion sind von dem 
Patentschutz ausgeschlossen. Da es sich bei der 
Erfindung also um einen technischen Fortschritt 
unter Verwendung von Naturkräften handeln muß, 
so fallen eine rein wissenschaftliche Entdeckung, die 
Auffindung unbekannter Naturprodukte, die Ent- 
deckung unbekannter Produktivkräfte, z.B. die Ent- 
deckung der Röntgenstrahlen, die Aufstellung neuer 
Methoden des Ackerbaues oder des Bergbaues oder 
der kaufmännischen Buchführung u. dgl., die Auf- 
stellung einer wissenschaftlichen Hypothese, die 
Erkenntnis von Eigenschaften organischer oder 
anorganischer Wesen oder von Stoffen oder ins- 
besondere neuer Eigenschaften oder neuer Nützlich- 
keiten einer von einem andern gemachten Erfindung 
u. dgl. m. nicht unter den Patentschutz. Nach 
Grundsätzen, welche übereinstimmend in allen 
Staaten ausdrücklich oder durch die Praxis an- 
erkannt sind, ist ferner der Patentschutz nur auf 
Erfindungen beschränkt, welche eine gewerbliche 
Verwertung gestatten. 
2. Uber das Wesen des Erfinderrechts und 
seine juristische Konstruktion herrscht in der Wissen- 
schaft keine Ubereinstimmung. Von einigen wird 
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl. 
  
ihm die Eigenschaft eines positiven Rechts über- 
haupt bestritten, in ihm vielmehr nur der Wider- 
schein, der Rückschlag von Verbotsgesetzen gesehen; 
andere reihen es mit Rücksicht auf die staatliche 
Mitwirkung bei Gestaltung seines Schutzes un- 
mittelbar unter die Privilegien oder die Monopole, 
die ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, ein. 
Eine weitere Ansicht unterstellt das Erfinderrecht 
neben Namen= und Zeichenrecht sowie Urheber- 
recht den Persönlichkeitsrechten, Individualrechten, 
während ihr gegenüber manche es für ein reines 
privates Vermögensrecht ansprechen, das die aus- 
schließliche gewerbliche Verwertung des von dem 
Erfinder neu geschaffenen Gutes zum Gegenstand 
habe. Als Unterart der letzteren Ansicht konstruiert 
endlich eine Anschauung in analoger Anwendung 
des sachenrechtlichen Eigentumsbegriffs und in 
Umbildung der Theorie des „geistigen Eigentums“ 
das Erfinderrecht als ein Immaterialgüterrecht, 
d.h. als ein Recht an einem nicht körperlichen Ge- 
nußgut der Menschheit (Kohler), ein Vollrecht 
absoluten Charakters an einem abstrakten Verkehrs- 
gut (Alexander-Katz). Das Erfinderrecht wird 
mit der vollendeten Erfindungstat geboren und 
hat zum ursprünglichen Inhalt (wie das Ur- 
heberrecht) die alleinige Befugnis, über das Ob, 
Wann und Wie der Veröffentlichung des eignen 
Geisteserzeugnisses zu entscheiden, die ausschließ- 
liche Befugnis, die eigne Erfindung wirtschaft- 
lich zu nutzen. Der Erfindungsvorgang ist zwar 
etwas geistig Individuelles, die Erfindung, das 
Geschaffene, aber ist darum kein unantastbares 
Persönlichkeitsrecht, wie etwa Ehre und Leben. 
Obgleich etwas Geistiges, Unkörperliches, „ob- 
jektiviert sich und löst sich“ das durch den Er- 
findungsvorgang Geschaffene von dem Schöpfer 
ab wie das körperlich Geschaffene. An ihm als 
immateriellem Gut steht dem Erfinder das Er- 
finderrecht mit dem erwähnten Inhalt zu. Mit 
dem Urheberrecht zwar verwandt, hat das Er- 
finderrecht nicht wie dieses das in bestimmter 
Form verkörperte Geisteserzeugnis, sondern „die 
Idee als solche“ zum Gegenstand. Es hat aber 
darum doch einen positiven Inhalt und ist nicht 
lediglich ein Verbotsrecht. Den Inhalt empfängt 
das Erfinderrecht bereits mit dem vollendeten Er- 
findungsvorgang und durch ihn allein, woraus 
sich der Unterschied von den Privilegien usw. er- 
gibt, deren positiver Inhalt in einem von außen, 
durch die staatliche Verleihung, zugewiesenen Tätig- 
keitsbereich besteht. Obgleich vererblich und ver- 
äußerlich und mit einer Reihe von geschützten 
Befugnissen ausgestattet, kann das Erfinderrecht 
doch noch nicht als ein vollständig ausgewachsenes 
Vermögensrecht bezeichnet werden, indem es in 
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