Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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leiten sind, wohl aber den Schutz und die Achtung 
des Staats in dessen wohlverstandenem eignen 
Interesse beanspruchen. Diese Erwägungen führen 
dazu, die Aufgaben des Staats noch von all- 
gemeineren Gesichtspunkten aus zu berühren. 
Taine (Origines de la France. Le régime 
moderne 1 11891)) stellt als Hauptaufgabe des 
Staats hin: II en est un principal, la protec- 
tion de la communauté contre I’étranger et 
des particuliers des uns contre les autres. 
Er entwickelt dann, wie aus dieser Aufgabe bereits 
eine ganze Menge von Staatseinrichtungen sich 
als notwendig herausstellen. Er weist aber dann 
darauf hin, wie der Staat, nicht zufrieden mit der 
ihm gestellten Hauptaufgabe, sich damit belastet, 
de gouverner le culte, I’éducation ou la bien- 
faisance, de diriger les sciences ou les beaux- 
arts, de conduire I’ceuvre industrielle, agri- 
cole, commerciale, municipale, provinciale 
ou domestique. Nach allen Richtungen hin ist 
allerdings ein Eingreifen des Staats im Sinn des 
oben aufgestellten Prinzips in gewissem Umfang 
möglich und berechtigt; aber der Staat darf nicht 
so weit gehen, sich an die Stelle der andern Kör- 
perschaften hinsichtlich deren Aufgabe zu setzen. 
Walter (Naturrecht und Politik 53) sagt: „So 
vollzieht sich die irdische Bestimmung und fort- 
  
schreitende Entwicklung der Menschheit in den 
Staaten, weil es eine andere Erscheinungsform 
des Menschlichen nicht gibt. Alle Aufgaben und 
Interessen des Menschen und der Menschheit fallen 
daher auch in den Bereich des Staats: Gerech- 
tigkeit, Sittlichkeit, Wissenschaft, Kunst, bis zu 
Staatshaushalt. 
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treten ließ wie die spätere zentralisierende Rich- 
tung, durch die angedeutete korporative Organi- 
sation und durch die Durchdringung des Ganzen 
mit christlichen Anschauungen vielfach gesunde und 
befriedigende Zustände hervorbrachte. 
Es wird aus den nachfolgenden Abschnitten er- 
sichtlich sein, welche Aufgaben sich die Staaten 
stellen. Es ist schon erwähnt, daß bei der Teilung 
der Aufgaben zwischen dem Staat und den Unter- 
verbänden große Verschiedenheiten obwalten. Ge- 
wisse Aufgaben sind aber fast ausschließlich überall 
dem Staat vorbehalten: die Sorge für die Sicher- 
heit nach außen, dadurch die Ausgaben für das 
Heerwesen und die Marine; die Aufgabe der 
Vertretung des Staats nach außen, daher die 
Ausgaben für die Gesandtschaften und das aus- 
wärtige Ministerium überhaupt, während die 
Sorge für die Sicherheit im Innern, die Aus- 
übung der Polizeigewalt, wohl im Auftrag des 
Staats, aber nicht auf Staatskosten allein durch- 
geführt zu werden pflegt, daher auch nicht voll- 
ständig auf die Höhe der Staatsausgaben ein- 
wirkt. Eine besondere Stellung nimmt das Deutsche 
Reich ein, welches in der Vereinigung souveräner 
Staaten eine Reihe wichtigster Aufgaben über- 
nommen und dementsprechend Ausgaben im Reichs- 
haushalt zu leisten hat. 
b) Staatseinnahmen. Aus den Artikeln 
Besteuerung, Domänen, Fiskus, Gebühren, Mo- 
nopol, Staatseigentum, Staatsschulden, Steuern 
ist ersichtlich, wie sich die Staatseinnahmen, ent- 
  
sprechend den durch die vermehrten Ausgaben des 
Staats erhöhten Ansprüchen, von dem beschränkten 
einem gewissen Grad selbst die Religion."“ Verhältnis der Einnahmen aus dem Eigentum 
Cathrein (Moralphilosophie II1 435 ff, 506 ff) des Herrschers bzw. des herrschenden Hauses, aus 
faßt die Darlegung über den Staatszweck wie dem Eigentum des Staats, aus vorübergehenden 
solgt zusammen: „Der unmittelbare Zweck des Subsidien der Staatsangehörigen, zur Ergänzung 
Staats ist die öffentliche Wohlfahrt."“ „Unter solcher Einnahmen, mehr und mehr zu in der 
öffentlicher Wohlfahrt verstehen wir die Gesamt- l Hauptsache regelmäßigen, mehr oder weniger 
heit der Bedingungen, die erforderlich sind, damit dauernd gesetzlich begründeten steuerlichen Bei- 
nach Möglichkeit alle Glieder des Staats frei und trägen herausbilden, welche unter Berücksichtigung 
selbsttätig ihr wahres irdisches Glück erreichen der Leistungsfähigkeit des Landes behufs der 
können.“ In diesen Bedingungen ist zu unter- 
scheiden: „Schutz der Rechte und Freiheit aller 
Glieder“, „die positive Förderung der Privat- 
tätigkeit oder der Rechtsschutzzweck und der Wohl- 
fahrtszweck“. „Der Privattätigkeit soll aber über- 
lassen bleiben, was ohne staatliches Eingreifen 
genügend besorgt wird.“ „Fördern und unter- 
stützen heißt nicht beseitigen, überflüssig machen 
oder unterdrücken.“ Der sozialistische Volksstaat 
auf der einen Seite, mit seiner das gesamte Eigen- 
tum und alle selbständige, frei gewählte Tätigkeit 
vernichtenden Organisation, auf der andern Seite 
der Staat der Manchesterschule mit seinem laisser 
faire, laisser passer, bezeichnen die krankhaften 
Ausschreitungen hinsichtlich der Idee von den 
Aufgaben des Staats, während das viel ge- 
schmähte Mittelalter, in dem das nach allen Rich- 
tungen hin entwickelte korporative Leben allerdings 
die staatliche Fürsorge nicht so in den Vordergrund 
Deckung der Ausgaben vermehrt zu werden pflegen, 
fwährend große Staatsbetriebe erhebliche Ein- 
nahmen zur Erfüllung der Staatsaufgaben liefern; 
wie endlich auch der Staatskredit herangezogen 
wird, soweit die gewöhnlichen Mittel nicht reichen. 
Es findet naturgemäß eine Wechselwirkung zwi- 
schen diesen Faktoren: Staatsausgaben, Staats- 
einnahmen, Leistungsfähigkeit des Landes, statt. 
Die zweckmäßige Ordnung dieser Verhältnisse ge- 
schieht durch den Staatshaushalt. Der Etat des 
Staatshaushalts (Voranschlag, Budget) ist die 
Form, in welcher die gesamten Ausgaben und 
Einnahmen vorher zusammengestellt werden; die 
Rechnung weist nach, wie sie sich dann tatsächlich 
ergeben haben. 
II. Staafshaushaltsefat, Voranschlag, 
Budget. Die Darstellung betrachtet den Etat 
zunächst als reine Verwaltungsangelegenheit, ohne 
auf die politische Seite der Mitwirkung von Stän- 
 
	        
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