Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

1463 
in den andern Staaten nach und nach das sog. 
konstitutionelle System eingeführt. 
In England kann man (nach Gneist, Eng- 
lisches Verwaltungsrecht) die folgenden Perioden 
sammengefaßt. Die durch das Gesetz nicht fest- 
stehenden Ausgaben umfassen vier Gruppen: 
discher Reichsrat (Prälaten und Barone), steuer- 
bewilligender Körper zur Beschlußfassung über 
außerordentliche Hilfsgelder; es entsteht das House 
of Commons (Abgeordnete von jeder communi- 
zwischen einem sozusagen feststehenden, der jähr- 
lichen Bewilligung des Parlaments nicht unter- 
worfenen, und einem beweglichen Budget bildet 
unterscheiden. 1272/1485: Bildung der Körper- 
schaften; das Magnum Consilium ist ein perio- 
tas; Bewilligungsrecht im einzelnen). Noch be- 
steht kein Parlamentshaushalt, keine Einwirkung 
der Stände auf eine zusammenhängende Gestal- 
tung der Einnahmen und Ausgaben des Staats. 
Der Schwerpunkt der Finanzen liegt noch in der 
erblichen Revenue des Königs. Das Magnum 
Consilium wird zum erblichen Reichsrat. 1485 
bis 1603: Das Unterhaus hat das Recht parla- 
mentarischer Steuerbewilligung, welches aber viel- 
fach umgangen wird. 1603/88: Es entwickelt sich 
die Stellung der Gentry, Vertretung der Grund- 
besitzer und des Adels. Wahlberechtigt sind die 
Freisassen der Grafsschaft und die korporations- 
berechtigten Bürger der Städte; diese bilden den 
Mittelstand. Es folgt das parlamentarische Regi- 
ment des 18. Jahrh. bis zur Neuzeit. Die Reg- 
lung der Finanzhoheit beruht auf dem Unterschied 
einer ordentlichen und einer außerordentlichen Re- 
venue des Königs. Die ordinary revenue ist 
erbliches Einkommen, unabhängig von der Par- 
lamentsbewilligung; extraordinary revennue ist 
das durch die Parlamentsbewilligung fundierte 
Einkommen aus direkten Steuern, Zöllen, ex- 
cises. Im 18. Jahrh. waren alle Subsidien in 
permanente Steuern übergegangen, und diese 
wurden kraft Gesetzes zur Staatskasse erhoben. 
Die jährliche Steuerbewilligung erstreckte sich auf 
den beweglichen Teil des Staatshaushalts, d. h. 
auf einen mäßigen Teil der direkten Steuern und 
einzelner Artikel des Zolltarifs. „Die Staats- 
regierung ist in ihrer Aktion Jahr für Jahr ab- 
hängig von der parlamentarischen Bewilligung 
des Armeeverwaltungsgesetzes, des Budgets der 
diskretionären Staatsausgaben und der periodi- 
schen Steuereinnahmen, doch keineswegs aller Ein- 
nahmen und Ausgaben.“ 
Die Mitwirkung des Unterhauses bei Fesi- 
stellung des Etats der Staatsausgaben beruht auf 
dem Verfassungsgrundsatz, daß „die durch Gesetz 
festgelegte Ordnung in gleichem Maß das Parla= 
ment bindet wie die königliche Staatsregierung“. 
Die Übersicht über die Gesamtheit der Jahres- 
einnahmen und ausgaben geschieht zur Infor- 
mation, nicht zur Beschlußfassung. Auch heute 
noch gilt der Grundsatz: Gesetzlich feststehende 
Einnahmen der Krone aus den Domänen, Re- 
galien usw. (ordinary revenue) sowie die gesetz- 
lich feststehenden Steuern fließen kraft Gesetzes in 
die Staatskasse. Der Parlamentsbewilligung unter- 
liegen von den Einnahmen jetzt die Erneuerung 
der auf Jahresfristen sanktionierten property and 
Staatshaushalt. 
1464 
imcome tax und einige Posten des Zolltarifs. 
Diese jährlichen Bewilligungen geschahen früher 
durch besondere Finanzgesetze; seit 1866 werden 
ie in einem gemeinschaftlichen Finanzgesetz zu- 
  
Armee, Kriegemarine, Zivildienst, Revenue de- 
partements (Überschußverwaltungen); Krondota- 
tion dagegen, Zinsen der Staatsschuld, Richter- 
gehälter und anderes stehen fest. Diese Scheidung 
einen wesentlichen Unterschied zwischen dem eng- 
lischen Verfahren hinsichtlich des Staatshaushalts 
und dem anderer Staaten, welche angeblich nach 
englischem Vorbild die Mitwirkung des Parla- 
ments eingeführt haben. 
In Frankreich war bereits in der Zeit des 
Lehnsstaats eine gewisse Ordnung in der finan- 
ziellen Verwaltung vorhanden, aber nicht sowohl 
in dem Sinn, daß man nach Voranschlägen, 
Budgets, gewirtschaftet hätte, als in Hinsicht der 
Rechnung und Kontrolle. Es folgt die Zeit, wo 
durch die Kriegsbedürfnisse Bewilligungen der 
Stände nötig wurden und der Grundsatz Geltung 
erhielt, daß Steuern nur auferlegt werden können 
unter Zustimmung dessen, der dieselben bezahlen 
soll. Die ersten Anfänge von états de pré- 
voyance werden im Anfang des 14. Jahrh. er- 
wähnt. Seit dem 17. Jahrh. wird der Einfluß 
der Parlamente unterdrückt; die absolute Mon- 
archie verwaltet alles und entzieht dabei die finan- 
ziellen Angelegenheiten der öffentlichen Kenntnis. 
Seit dem Anfang des 17. Jahrh. wird eine Art 
von Etat entworfen (Bref état de revenu du 
roi); dieselben wurden nicht veröffentlicht, waren 
sehr summarisch und für niemand bindend, die 
einzelnen Etatsjahre wurden nicht klar geschieden, 
im Gegenteil durcheinander geworfen. Die Kon- 
trolle fehlte. 
Erst mit 1789 beginnt die Einführung eines 
Budgets nach modernen Grundsätzen. Art. 14 der 
Declaration des droits sagte: Tous les ci- 
toyéèns ont droit de constater par eux-memes 
ou par leurs représentants la nécessité de la 
contribution publique, de la consentir libre- 
ment, d'en suivre I’emploi et d'’en déter- 
miner la quotité, ’assiette, le recouvrement 
et la durée. Es hat somit der Geist der Revo- 
lution zur Durchführung der Volksherrschaft diesen 
Standpunkt begründet. Es wurde der Satz auf- 
gestellt, daß die Volksvertretung von Jahr zu Jahr 
nach freiem Ermessen alle Einnahmen und Aus- 
gqaben des Staats bewilligen oder versagen könne. 
Dieser Gedanke fand seinen Ausdruck in den 
Verfassungen, welche Ludwig XVIII. und Louis 
Philipp angenommen haben. Von dort ist er 
sauch in die belgische Verfassung übergegangen, 
wo es heißt: Art. 111. Les impöôts au profit 
de IEtat sont votes annuellement. Les lois
	        
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