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Lippe (Gesetz vom 11. Dez. 1849 und zahl-
reiche Nachträge) sind die Schulen evangelisch-
konsessionell. Ein Entwurf zu einem neuen
Volksschulgesetz, der u. a. die geistliche Ortsschul-
aussicht beseitigen wollte, wurde von der Regie-
rung 1908 eingebracht, aber zurückgezogen, als
der Landtag die Aufsicht über den Religionsunter-
richt dem Ortsgeistlichen nicht zugestehen wollte.
In Sachsen-Weimar-Eisenach (Gesetz
vom 24. Juni 18744, neue Fassung vom 5. Dez.
1903, Novelle dazu 1904 und 1905) sind die
Schulen konfessionell, und zwar evangelisch oder
katholisch je nach dem Uberwiegen der Bevölke-
rung des betreffenden Bekenntnisses. In Sach-
sen-Meininger ist durch Gesetz vom 6. Nov.
1908 die Trennung von Kirche und Schule so
schroff durchgeführt, daß den Ortsgeistlichen nicht
einmal das Aussichtsrecht über den Religions-
unterricht gewährt wurde. In Sachsen-Alten-
burg wurde die geistliche Schulaussicht durch Ge-
setz vom 27. Dez. 1907 aufgehoben, in Schwarz-
burg ist die Beseitigung vom Landtag 1909 ge-
fordert worden. In Sachsen -Coburg und
Gotha besteht eine vollständige Trennung zwi-
schen Schule und Kirche schon seit 1863. Die
beiden Reuß haben evangelisch-lutherische Volks-
schulen. Waldeck (Schulordnung vom 9. Juli
18555) besitzt ein konfessionelles Schulwesen. In
Schaumburg-Lippe (Gesetz vom 4. März
1875) sind die Volksschulen lutherisch; wenn die
Mehrheit der Gemeindemitglieder aufhört, luthe-
risch zu sein, soll auch der gesetzliche Religions-
unterricht nicht mehr lutherisch sein. In den
Hansestädten ist der kirchliche Einfluß fast
vollständig ausgeschaltet.
Elsaß-Lothringen besitzt durch Gesetz
vom 12. Febr. 1873 die konfessionelle Schule als
Regel. „Eine Ausnahme ist nur dann zulässig.
wenn die Anzahl der Kinder anderer Konfessionen
so gering ist, daß schultechnisch die Einrichtung
von konfessionellen Schulen unmöglich ist“ (ogl.
Staatssekretär Dr Delbrück im deutschen
Reichstag am 23. Mai 1911; Stenographi-
scher Bericht S. 7068 B). — Neben den öffent-
lichen Gemeindeschulen bestehen viele Privat-
schulen. An diesen, aber auch an den öffentlichen
Schulen, wirken zahlreiche geistliche Lehrer und
Lehrerinnen. Die Schulpflicht beginnt mit dem
6. Lebensjahr. Die Entlassung ist von dem Be-
stehen einer Prüfung abhängig, in der der Nach-
weis der Entlassungsreife erbracht werden muß.
Knaben dürfen erst nach vollendetem 14., Mäd-
chen nach vollendetem 13. Lebensjahr zu dieser
Prüfung zugelassen werden. Die Unterrichts-
sprache ist meist deutsch, Ausnahmen regelt der
Statthalter (§ 4 des Gesetzes von 1873. — Re-
gulativ vom 4. Jan. 1874. — Ministerialerlaß
vom 26. März 1910). Diese Regulative sind
durch § 26, Abs. 2 der Verfassung Elsaß-Lothrin-
gens vom 31. Mai 1911 (R.G.Bl. 225) auf-
rechterhalten. „In Zukunft wird der Statthalter
Volksschulen.
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durch die Gesetzeswerte entsprechend der bisherigen
Übung“ weiter gehende Ausnahmen als bisher
nicht zulassen können. Er wird aber auf der an-
dern Seite, soweit es das Bedürfnis erfordert,
d. h. soweit der in den bestehenden Regulativen
angenommene Prozentsatz der das Französische
als Muttersprache sprechenden Kinder gegeben
ist, auch verpflichtet sein, die Ausnahmen in
dem bisherigen Umfang zuzulassen“ (so Dr Del-
brück a. a. O. Stenogr. Bericht S. 70680).
Außer den Volksschulen werden zahlreiche Klein-
kinder= und Fortbildungsschulen unterhalten.
Auch diese sind meist konfessionell gegliedert.
Als oberste Schulbehörde besteht ein Oberschul-
rat unter dem Vorsitz des Staatssekretärs seit
1882; vorher wurden die Schulangelegenheiten
von einer Abteilung im Ministerium des Innern
verwaltet. 1880 wurden Bezirksunterrichtsräte
errichtet; Ortsschulvorstände bestehen nach deut-
schem Muster. Die Geistlichen sind insbesondere
mit Beaufsichtigung des Religionsunterrichts be-
traut, in der Regel beaussichtigen sie den gesamten
Unterricht, der Eintritt in die Schule steht ihnen
jederzeit frei.
Das Volksschulwesen Osterreichs erhielt
seine erste gesetzliche Ordnung durch den von
Maria Theresia berufenen Abt Felbiger, der die
Schulordnung vom 6. Dez. 1774 ausarbeitete.
Diese setzte die Schulpflicht vom 6. bis 12. Jahr
fest und schrieb den Besuch der Wiederholungs-
schule für zwei weitere Jahre vor. Infolge des
Toleranzedikts Josephs II. (1781) entstanden
zahlreiche Schulen der religiösen Minderheiten.
Länger als ein halbes Jahrhundert stand dann
das österreichische Schulwesen unter den Bestim-
mungen der Politischen Schulverfassung vom
11. Aug. 1805. Sie unterschied die Volksschulen
in niedere (Trivialschulen) und höhere (Mädchen-
und Hauptschulen). Die Trivialschulen umfaßten
zwei Klassen, an denen ein Lehrer wirkte, der,
wenn es notwendig schien, Gehilfen erhielt. Auf
jede Lehrkraft wurden 80 Kinder gerechnet. Die
Trivialschulen sollen „das ganze Gedankensystem
(der Kinder) auf die Erfüllung ihrer moralischen
Pflichten und auf die kluge und emsige Erfüllung
ihrer häuslichen und Gemeindeobliegenheiten ein-
schränken“; dagegen soll alles ausgeschlossen sein,
was die Kinder mit ihrem Zustand unzufrieden
machen könnte. Lesen, Schreiben und Rechnen
sind außer Religion die einzigen Lehrgegen-
stände. Die Hauptschulen waren vierklassig. Sie
besaßen vier Lehrer. Ihr Unterricht berücksich-
tigte auch die Realien. Durch Verordnung vom
20. Febr. 1820 waren die Schulen in katho-
lische und akatholische scharf getrennt. Die let-
teren mußten von den Kultusgemeinden unter-
halten werden und durften keine katholischen
Schüler aufnehmen. Da es an Bestimmungen
über die Unterhaltung der Schulen fehlte, so stieß
die Errichtung neuer Anstalten auf außerordent-
liche Schwierigkeiten. Deshalb wurden zahlreiche
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