28 Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 13.)
und Arbeiterinnen und zur Beseitigung des Trucksystems. Die eine Form
der Beschäftigung der Arbeiterinnen sei die in den Fabriken, die andere die
in den Werkstätten. Hier hätten sich vielfach traurige Zustände entwickelt.
Der niedrige Lohn lasse sich auch auf den großen Andrang zur Konfektions-
branche zurückführen, namentlich solcher Frauen, welche diese Arbeiten nur
als Nebenerwerb betreiben. Da sei es sehr schwer, ein menschenwürdiges
Preisniveau zu erzielen. Die Kommission für Arbeiterstatistik sei mit Er-
mittelungen beauftragt und zwar, ob das Trucksystem gänzlich beseitigt ist,
ferner ob das Arbeitsverhältnis zu unsittlichen Zwecken mißbraucht wird.
Es solle festgestellt werden, ob das Abhängigkeitsverhältnis der Mädchen
ausgebeutet wird, ob die bisherige Produktionsweise geändert und die Haus-
industrie beschränkt werden könne. Es gebe Mittel, die bessernde Hand
anzulegen, z. B. eine Vorschrift des Bundesrats, einen Arbeitsvertrag
schriftlich abzuschließen und darin alle Verbindlichkeiten genau zu fixieren.
Ferner eine Vorschrift, die sittlichen Verhältnisse durch Ausschluß unge-
eigneter Zwischenmeister zu bessern, auch die Arbeitszeit herabzumindern.
Aber es könne nur mit voller Mitwirkung der Arbeitgeber auf diesem Ge-
biete vorgegangen werden. In der weiteren Besprechung sprechen sich die
Redner aller Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, für weiteres
Vorgehen der Gesetzgebung aus.
13. Februar. (Bayerischer Landtag.) Abgeordneten-
kammer. Handwerk und Gefängnisarbeit; Strafkolonien.
Abg. Lutz stellt einen Antrag, der sich gegen die Beeinträchtigung
des Handwerks durch den Verkauf von Gefängnisarbeiten wendet, die Ver-
wendung der Sträflinge zu landwirtschaftlichen Kulturarbeiten fordert und
die Einrichtung überseeischer Strafkolonien in Anregung bringt. Ein
Gegenantrag des Zentrums fordert die Regierung auf, ihre bisherigen Be-
strebungen zum Schutze des Handwerks gegen die Konkurrenz der Gefängnis=
arbeit fortzusetzen und mit den übrigen Bundesstaaten Vereinbarungen zu
gleichmäßiger Regelung des Absatzes von Gefängnisarbeiten zu treffen.
Gegen den Gedanken überseeischer Strafkolonien wenden sich Redner aller
Parteien. Justizminister Dr. v. Leonrod betont, daß noch gestern der in
München weilende frühere Gouverneur von Kamerun, Zimmerer, es als die
unglücklichste Idee bezeichnet habe, überseeische Strafkolonien zu begründen,
weil dadurch das Prestige der weißen Rasse erheblich leide. — Der Zentrums-
antrag wird einstimmig angenommen.
13. Februar. (Reichstag.) Etat des Auswärtigen Amts.
Debatte über die Transvaalfrage (vgl. S. 26).
Abg. Hammacher (nul.) dankt der Regierung für die energische
Wahrung der deutschen Interessen in der Transvaalangelegenheit. Staats-
sekr. v. Marschall: Um die Anfrage des Herrn Vorredners, wie sich auf
Grund der jüngsten Vorgänge im Transvaalgebiete unser Verhältnis zu
England gestaltet habe, zu beantworten, muß ich einen kurzen Rückblick
werfen auf die Entwicklung, welche unsere Beziehungen zum einstigen
Transvaalstaat, der heutigen Südafrikanischen Republik, von Beginn an
bis heute genommen haben. Die rechtliche Stellung jener Republik ist fest-
gelegt in der Konvention, welche sie mit England im Jahre 1884 geschlossen
hat. In derselben ist der Republik bezüglich der inneren Angelegenheiten
unbedingte Selbständigkeit gewahrt, dagegen hat sich England bezüglich der
auswärtigen Angelegenheiten, obgleich auch hier gegenüber dem früheren
Zustand eine erhebliche Erweiterung der Befugnisse der Republik eingetreten
ist, eine Kontrolle insofern vorbehalten, als nach Art. 4 der Konvention