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seine Zweckmäßigkeit; das Rechtsgefühl empfindet!
eine Genugtuung, wenn eine gemeinschädliche
Handlung durch Gesetz als solche gebrandmarkt?
und gestraft wird, wenn auch die Strafe nicht in
jedem Fall zur Anwendung gebracht werden kann
(Caro S. 34 f; Lexis S. 908, 918). Übrigens
bleibt die Wirkung der strafrechtlichen Behandlung
des Wuchers auf die moralische Genugtuung für
die öffentliche Meinung nicht beschränkt. So wer-
den beispielsweise die Wirkungen des deutschen
Gesetzes als günstig bezeichnet, wenn es natürlich
auch den Wucher nicht völlig ausrotten konnte.
„Die wucherische Ausbeutung war doch wieder
gesetzlich gebrandmarkt, und die Gerichte hatten für
sie keine Schergendienste zu verrichten. Die jähr-
liche Zahl der Anklagen und Verurteilungen war
ohne Zweifel im Verhältnis zu den tatsächlich
vorkommenden Wucherfällen nur klein, aber es
war doch wohl als ein günstiges Anzeichen zu be-
trachten, daß sie ziemlich stetig abnahm“ (Lexis,
S. 918).
Wuchergesetze können ihrem Zweck nur ent-
sprechen, wenn sie dem Strafrichter eine möglichst
genaue Bestimmung des Wucherdelikts an die Hand
geben. Proteusartig und aalglatt wandelt und
windet sich der Wucher, um, in einer Rechtsform
gefaßt, eine andere einzugehen. Wenn irgendwo,
so ist hier eine möglichst genaue Determination
der abstrakten naturrechtlichen Prinzipien durch
die positive Gesetzgebung notwendig (Pesch, Zins-
grund 411). Nachdem in den meisten modernen
Staaten die staatliche Zinsgrenze beseitigt war,
mußte man für den Begriff des Wuchers andere
Merkmale als die Höhe des Zinsfußes zu gewinnen
suchen, die „unabhängig von diesem gewisser-
maßen mechanischen Merkmal“ (Lexis S. 908)
waren. Der Wucher wird in die Ausbeutung der
Notlage, des Leichtsinns usw. verlegt, die unter
Berücksichtigung des Risikos im einzelnen Fall in
der Uberschreitung des veränderlichen landes-
üblichen Zinsfußes erblickt oder aber als den wirt-
schaftlichen Ruin des Schuldners herbeizuführen
geeignet betrachtet wird.
Die Gegner der Zinsbeschränkungen machen
unter anderem geltend, der Zinsfuß bestimme sich
durch Angebot und Nachfrage auf dem Kapital-
markt; unter den heutigen Wirtschaftsverhältnissen
sei darum die Festlegung der Zinsgrenze unge-
rechtfertigt, die vielleicht angängig gewesen sei, so-
lange für die feste Anlage von Leihkapitalien nur
Rentenkauf und Hypothekdarlehen zur Verfügung
standen. Seitdem sich aber der moderne Börsen-
verkehr in Staatspapieren und andern börsen-
gängigen Schuldverschreibungen ausgebildet habe,
lasse sich mit den alten Beschränkungen nichts
mehr erreichen. Wenn auch der Börsenkurs völlig
sicherer Staatspapiere einen zuverlässigen Anhalt
für die Feststellung des Zinsfußes bei den besten
Kapitalanlagen biete, um das Zinsmaximum etwa
um den Satz von 1% höher als für erststellige
Hypotheken festzusetzen, so wäre doch nach Lexis
Wucher und Zins.
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eine solche Maßregel ohne praktische Bedeutung,
da der Wucherer sich mit derartigen soliden Ge-
schäften nicht befasse. „Wenn der Wucherer aber
die Unerfahrenheit des Kreditbedürftigen aus-
beutet, um von demselben trotz voller hypothe-
karischer Sicherheit des Darlehens einen über-
mäßigen Zins zu verlangen, so läßt sich die Uber-
vorteilung des Schuldners aus der Überschreitung
des tatsächlich berechtigten landesüblichen Zinses
für gute Anlagen ebenso gut beurteilen, als wenn
kn gese gesetzlicher Maximalsatz gegeben wäre“ (Lexis
07).
Vom Standpunkt der absoluten Freiwirtschaft
läßt sich kein Verständnis für ein Zinsmaximum
gewinnen. Nach dieser Theorie wird jeder um so
besser seinen Vorteil wahrnehmen, je weniger sich
die Staatsgewalt in seine wirtschaftliche Tätig=
keit einmischt. Deshalb meint Lexis (S. 906),
vom Standpunkt des „bürgerlichen“ Prinzips der
„Wirtschaftlichkeit" sei nichts einzuwenden, wenn
der Geldgeber sich für seine Leistung unter Be-
nützung aller ihm günstigen Umstände eine mög-
lichst hohe Gegenleistung verschaffe, auch wenn
diese durch das mit der Leistung verbundene Risiko
nicht gerechtfertigt sei. Aber auch das Prinzip der
Wirtschaftlichkeit hat seine Grenze, wo es mit der
moralischen Ordnung in Konflikt kommt.
Der entscheidende Einwand gegen die gesetzliche
Fixierung des ist aber nach Lexis der,
daß die große Verschiedenheit des
Risikos bei den gänzlich außer acht ge-
lassen werde. Bei aleatorischen Darlehen gebe es
gar keine Grenze für das Risiko, daher könne
selbst ein ganz enormer Zins nach dem Prinzip
der Gleichheit der Spieleinsätze und der Gewinn-
chancen noch vollberechtigt sein (ebd.). Aber solche
Ausnahmen machen das Zinsmaximum keineswegs
unberechtigt; bei allen Gesetzen kommt der große
Durchschnitt der Fälle in Betracht. Die Berech-
tigung einer exorbitant hohen Zinsforderung müßte
eben im speziellen Fall durch das ausnehmend
hohe Risiko begründet werden. Das wird, wo es
sich um Geschäftsunternehmungen handelt, wohl
nicht allzu schwierig sein. Ubrigens sällt es dem
Wucherer gar nicht ein, sein Geld aufs Spiel zu
setzen. Trotz hinreichender Deckung durch Pfand
usw. sucht er sein Opfer auszupressen. — Ebenso-
wenig kann gegen gesetzliche Zinsschranken geltend
gemacht werden, daß es unmöglich sei, ihre Um-
gehung zu verhindern. Denn jedes Gesetz muß
mit der Möglichkeit rechnen, daß manche sich seinen
Vorschriften zu entziehen suchen.
Aus der gesetzlichen Beschränkung des Zins-
sußes und der Bestrafung seiner Überschreitung
ergebe sich, so wird weiter eingewendet, der weitere
Übelstand, auf den die Gegner der Wuchergesetze
stets besonderes Gewicht gelegt haben, daß die an-
ständigen Kapitalisten sich von jenen Geschäften
zurückzögen, bei denen wegen des großen Risikos
ein den gesetzlichen Satz überschreitender Zinsfuß
vollkommen gerechtfertigt sei, und daß sich nun die