1387
gerichtlichen Spruch als Verletzung der Standes-
ehre mit Verabschiedung des Offiziers bestraft.
Der Fall der drei Grafen Schmising-Kerssenbrock,
welche im Jahr 1864 aus der preußischen Armee
ausgeschlossen wurden, nicht etwa weil sie ein Duell
abgelehnt, sondern weil sie sich zu den diesbezüg-
lichen katholischen Grundsätzen bekannt hatten, er-
öffnete eine traurige Reihe solcher Vergewalti-
gungen des Gewissens und des geschriebenen Ge-
setzes. Es ist klar, welche Bedeutung dieses seither
zur Regel gewordene Vorgehen gewinnen mußte
für das aktive Offizierkorps, für die zahlreichen
Reserveoffiziere sowie für die ähnlichen Aufsfas-
sungen folgenden Gesellschaftskreise und damit für
die Erstarkung der Duellsitte überhaupt, um so
mehr, als die Studentenschaft hinter so leuchten-
dem Vorbild nicht zurückbleiben wollte und die
Zugehörigkeit zu schlagenden Verbindungen von
Wichtigkeit wurde für das Fortkommen im späteren
Leben. In Deutschland wird somit dem Offizier
das Duell von der militärischen Obrigkeit auf-
getragen, dessen Unterlassung vom militärischen
Ehrengericht unnachsichtlich mit Ausstoßung aus
dem Heer geahndet, sein Stattfinden aber und
schon die Herausforderung zum Zweikampf in
jedem Fall von den Strafgerichten und den Kriegs-
gerichten mit den gesetzlichen Strafen belegt. In
Osterreich unterbleibt die militärgerichtliche Ahn-
dung, weil der dazu als Gerichtsherr berechtigte
General in solchen Fällen die Erhebung der An-
klage unterläßt. Die Wirkung dieser Verhöltnisse
zeigt sich weiter darin, daß die gerichtlichen Ver-
urteilungen sich duellierender Zivilpersonen durch
Begnadigung aufgehoben und damit die Absichten
des Gesetzes vereitelt werden. In Osterreich ersolgt
auf ein Gnadengesuch verurteilter Zivilpersonen
regelmäßig die gänzliche Einstellung des Ver-
fahrens durch allerhöchste Verfügung (Abolition).
Dieser Widerspruch zwischen militärischer Vor-
schrift und ehrengerichtlichem Vorgehen einerseits
und staatlichem, ja militärischem Strafgesetz ander-
seits ist die schärsste Antinomie, die in einem
Rechtsstaat denkbar ist, sie geht wie ein unheil-
voller Riß durch unser Rechtsleben, der für viele
einzelne und ganze Familien empfindliche Folgen
nach sich zieht und für die Allgemeinheit, da das
Duell einer wirklichen und aufrichtigen Lösung
der Ehrenfragen aus dem Weg geht, das Auf-
kommen eines vernunftgemäßen Ehrenschutzes ver-
hindert und zugleich eine fortschreitende Veräußer-
lichung und Verflachung der Ehrbegriffe bewirkt.
Was durch alle Jahrhunderte noch nicht da ge-
wesen, hat das 19. Jahrh. gebracht: die Fest-
legung und Festsetzung der Duellsitte durch eine
staatliche Einrichtung.
. Infolge dieser Verhältnisse ist die Duell-
krankheit in unserer Zeit neuerdings in ein akutes
Stadium getreten. Zur Kennzeichnung der Lage
seien noch einige Vorgänge der jüngsten Ver-
gangenheit erwähnt. Ein im Frühjahr 1896
zwischen den preußischen Zeremonienmeistern
Zweikampf.
1388
v. Kotze und v. Schrader stattgefundener Zwei-
kampf, welcher für letzteren einen tödlichen Aus-
gang hatte, veranlaßte den deutschen Reichstag
am 20. und 21. April 1896, sich eingehend mit
dem Duellunwesen zu befassen. Von der Zentrums-
fraktion wurde hierbei der Antrag gestellt, insbe-
sondere darauf hinzuwirken: 1) daß zur Verhütung
der Zweikämpfe für alle Stände, bei welchen dies
erforderlich erscheint, namentlich für Offiziere,
Beamte und Studenten, Schiedsgerichte mit der
Aufgabe endgültiger Entscheidung aller Ehren-
streitigkeiten unter Ausschluß jeglichen Zweikampfs
geschaffen und mit den nötigen Befugnissen aus-
gestattet würden, um ihren Entscheidungen unbe-
dingte Achtung zu verschaffen; 2) daß zur wirk-
samen Bestrafung von Verleumdungen und Be-
leidigungen dem Reichstag ein Gesetzentwurf
vorgelegt werde, durch welchen die betreffenden
Bestimmungen des Strafgesetzbuchs verschärft wür-
den; 3) daß zur wirksamen Bestrafung des Zwei-
kampfs dem Reichstag ein Gesetzentwurf vorgelegt
werde, durch welchen die den Zweikampf sowie die
Beihilfe und Anstiftung zu demselben bevorzugen-
den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs abgeän-
dert würden. Um ein möglichst einheitliches Votum
des Reichstags zu ermöglichen, wurde dieser An-
trag schließlich zurückgezogen, worauf vom Reichs-
tag einstimmig der Beschluß gefaßt wurde: „die
verbündeten Regierungen zu ersuchen, mit allen zu
Gebote stehenden Mitteln dem mit den Straf-
gesetzen in Widerspruch befindlichen Duellwesen
mit Entschiedenheit entgegenzuwirken“. Staats-
minister v. Bötticher hielt es in der damals ge-
pflogenen Erörterung „für eine selbstverständliche
und unabweisliche Forderung des öffentlichen
Rechtsbewußtseins“, daß auch auf dem Gebiet
des Duellwesens in allen Kreisen der Bevölkerung
ohne Unterschied des Stands oder Berufs den
Gesetzen Achtung und Befolgung zu sichern sei.
Der Reichskanzler sei „in ernstliche Erwägung
darüber eingetreten, welche Maßregeln zu ergreifen
sein werden, um eine solche Sicherung wirksamer
als bisher zu erweisen“.
Da bis zum Herbst 1896 über das Ergebnis
dieser Erwägungen nichts verlautete, wurde im
Reichstag an den Reichskanzler die Anfrage ge-
richtet, welche Anordnungen zur Ausführung des
einstimmigen Reichstagsbeschlusses vom 21. April
1896 getroffen worden seien. Reichskanzler Fürst
zu Hohenlohe wiederholte hierauf in der Reichs-
tagssitzung vom 17. Nov. 1896 die von seinem
Stellvertreter am 20. April abgegebene vorer-
wähnte Erklärung und teilte mit, daß die Regie-
rung die ernstlichen Erwägungen bezüglich der auf
dem Gebiet des Duellwesens zu ergreifenden Maß-
regeln ohne Verzug weiter fortgeführt habe. Ins-
besondere habe die preußische Militärverwaltung
Vorschriften vorbereitet, welche darauf abzielten,
den Zweikampf, wenn nicht völlig zu beseitigen,
so doch auf ein Mindestmaß zurückzuführen. Auch
auf dem Gebiet des bürgerlichen Strafrechts seien