Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Welt die Anklagen nicht mehr gefallen ließen, die gegen uns als böswilligen 
Urheber des Krieges geschleudert wurden. Er hatte soeben auf der Stock- 
holmer Konferenz tapfer für Deutschlands guten Namen gestritten. 
Es war mir überaus lehrreich, gerade diesen Mann reden zu hören. 
Hier war kein Verdacht mangelnder patriotischer Gesinnung. Er versicherte 
mich, es müsse nach innen reformiert, nach außen auf den Verständigungs- 
frieden weithin sichtbar hingearbeitet werden. Die Alternative sei: Ma- 
schinengewehre gegen das eigene Volk und ein verlorener Krieg. 
Einen tiefen Eindruck erhielt ich von Friedrich Naumannz auch im 
Gespräch konnte man sich dem Jauber seiner Rede nicht entziehen. Für 
ihn war die „Zuverlässigkeit“ in Macht- und Menschheitsfragen eine 
Selbstverständlichkeit. Er trat mit Entschiedenheit auf meinen Stand- 
punkt. 
Diplomaten, konservativ gerichtete Minister, Männer des Wirtschafts- 
lebens versicherten mich ihrer Abereinstimmung. 
Ich hatte die Freude, einen Abend bei Hans Delbrück zu verbringen. 
Harnack, Meinecke, Troeltsch — mir von Heidelberg her wohlbekannt 
— waren anwesend, ich glaube auch Schiffer. Hans Delbrück hatte deutlich 
die Führung: es war nicht allein sein rascher Blick für das Wirkliche 
und sein kühner Griff nach dem Wesentlichen, was ihn aus dieser erlesenen 
Gesellschaft heraushob. Aus jedem seiner Blicke und Worte leuchtete 
eine Liebe zu Deutschland, die ich nicht anders als „zärtlich“ nennen kann. 
Es waren wahrlich nur hingebende Patrioten zugegen, aber mir war, als 
ginge Deutschland Hans Delbrück auf eine ganz besondere Weise an, als 
gäbe es für ihn keine Zuflucht mehr, weder im eigenen Familienglück noch 
in seiner ehrwürdigen Wissenschaft, sollten Schicksal und Verblendung das 
Vaterland ins Anglück stürzen. 
Ind daß es so kommen würde, damit rechneten die Versammelten fast 
alle. Seit der Behandlung der Reichstagskrisis waren sie von der AUn- 
belehrbarkeit der Obersten Heeresleitung und der öffentlichen Meinung 
überzeugt. Als ich aber im Vertrauen auf Haeftens richtigen Blick ver- 
sicherte, daß die Oberste Heeresleitung sehr wohl für den Verständigungs- 
1 Bgl. E. H. R. David, Wer trägt die Schuld am Kriege (Reden, gehalten vor 
dem holländisch-skandinavischen Friedenskomitee in Stockholm 1917), Berlin 1917. 
Es ist ein gutes klares Buch nach dem damaligen Stand der deutschen Forschung. 
David und seine engeren Parteifreunde haben als „Kaisersozialisten“ die häßlichsten 
Angriffe nicht nur von ausländischen Genossen — die sich keineswegs scheuten, ihrer- 
seits für den Ententekrieg zu agitieren —, sondern auch von den deutschen Unabhän-= 
gigen zu erdulden gehabt. In den ersten Tagen nach der Revolution haben seine 
Freunde für sein Leben gefürchtet. 
119
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.