Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Drofessorenwinkels in Freiburg — hier mußte ich lächeln —, keine Kon- 
servativen. Die badischen Nationalliberalen gingen unter Rebmann, die 
Zentrumsleute unter Fehrenbach mit; die badischen Sozialdemokraten, von 
Franck und Kolb erzogen, gingen so sicher mit, wie er für seine badischen 
Parteifreunde garantieren könne. Ich würde also alle badischen Parteien 
auf meiner Seite haben und dem Parteikampf entrückt sein, wenn ich dem 
Ruf der Stunde und des Neichsinteresses folgte und eine neue deutsche 
Dolitik machte. Daß das Föderative dabei nicht zu kurz kommen werde, 
darauf könne man bei mir als Badener und Thronfolger wohl rechnen. 
Nun brachte ich meine politischen Vorbehalte vor: Die Scheidung zwi- 
schen Bolk und Krone müsse im Interesse beider überwunden werden, und 
das sei nur möglich durch ehrliche Zulassung der Volksvertretung zu den 
Negierungsgeschäften. Aber ich sei nicht nur durch Geburt, sondern auch 
aus Aberzeugung Monarchist und müßte die Frage stellen: Würden alle 
die Darteien, auf die ich mich stützen müßte, diesen Standpunkt aufrichtig 
gelten lassen? Bei den Sozialdemokraten würden doch immer, wenigstens 
stillschweigend, auf diesem Punkte Vorbehalte gemacht werden. 
Ich wandte mich an Dayer: „In Ihrer gestrigen Rede war mir das 
Wort „Deutscher Parlamentarismus“ besonders sympathisch. Ich meine, 
wir dürfen nicht kritiklos den westlichen Darlamentarismus übernehmen.“ 
Die Reichsregierung sollte wohl Parlamentarier, aber nicht nur solche 
enthalten. Wir brauchen tüchtige Männer aus der Beamtenschaft und den 
freien Berufen an leitenden Stellen. In der Grundrichtung der olitik 
müßte natürlich Abereinstimmung unter den Staatssekretären herrschen. 
Unter keinen Umständen dürfe die Führung durch den Neichskanzler ver- 
lorengehen. 
Payer stimmte zu: er würde große Sorge haben, wenn wir uns nach 
westlichem Muster parlamentarisierten; das ginge auf Kosten der Tüchtig- 
keit und des Sachverstandes.1 
Ich hatte nach diesem Gespräch das Gefühl, daß es Zeit wäre, beschleu- 
nigt abzureisen. Meine näheren Gesinnungsgenossen waren wie von der 
idée fixe besessen, daß meine Kanzlerschaft die einzige Rettung wäre. 
AUnter diesen Amständen war eine fortgesetzte Diskussion der Personen= 
frage unvermeidlich, und ich haßte nichts so sehr wie den Gedanken, auch 
nur an die Grenze des Intrigierens heranzukommen. Ich fand bei über- 
eifrigen Freunden nicht das genügende Verständnis für diesen Gesichts- 
punkt. Das Ministerium Michaelis mußte seine Chance haben. Ich hatte 
1 Ich gebe dieses Gespräch wieder nach meiner persönlichen Erinnerung und unter 
Benutzung einer Niederschrift, die Haußmann im Juli 1917 angefertigt und mir 
später zur Verfügung gestellt hat. 
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