Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Man stellt bei den Vorwürfen gegen die Ara Michaelis immer die 
Papstnote in den Vordergrund. 
Es ist gewiß erstaunlich, daß auf die feierliche Anfrage des Papstes 
vom 1. August die öffentliche Antwort Deutschlands erst nach mehr als 
sechs Wochen erfolgte und dann, ohne die verlangte Erklärung über Belgien 
zu enthalten. Und es ist noch unbegreiflicher, daß der vertrauliche Brief 
des Nuntius Pacelli vom 30. August, darin erneut eine Erklärung über 
Belgiens Wiederherstellung beinahe mit Inbrunst erbeten wurde, auch erst 
nach einem Monat eine Antwort erhielt, die wieder auf eine Absage 
binauslief.! Aber die gerade in letzter Zeit noch verschärfte Polemik geht 
von falschen Voraussetzungen aus, gibt Unrecht, wo keins liegt, und schont, 
wo Tadel verdient wird. Ich wende mich insbesondere gegen drei Be- 
bauptungen, die immer wieder aufgestellt werden: 
Erstens: Der Reichskanzler Michaelis habe in Abhängigkeit von der 
Obersten Heeresleitung die Friedensaktion des Papstes sabotiert. 
Demgegenüber kann man beweisen: 
a) Im Spätsommer und Herbst 1917, als General Ludendorff aus dem 
Kriege herauswollte, hätte man die Vollmacht, zum mindesten das still. 
schweigende Einverständnis der Obersten Heeresleitung erreichen können, 
die öffentliche und uneingeschränkte Erklärung über Belgien abzugeben.3 
b) Die damalige Reichsleitung allerdings wäre außerstande gewesen, 
bis zur letzten Grenze der Bereitwilligkeit der Obersten Heeresleitung vor- 
zudringen: sie arbeitete nämlich immer nur auf eine diplomatische Verwer- 
tung der belgischen Erklärung hin. Die „Moral“ des englischen Volkes konnte 
aber nur durch eine öffentlich ausgesprochene Erklärung über Belgiengetroffen 
werden, und so war Michaelis gar nicht in der Lage, bei seinen Verhandlungen 
mit den Soldaten das wirksamste Argument ins Treffen zu führen: wenn 
wir auch nicht den Frieden bringen, so erleichtern wir den deutschen Krieg. 
c) Der berufene Berater des Kanzlers, der verantwortliche Leiter 
unserer auswärtigen Holitik, Herr v. Kühlmann, lehnte grundsägtzlich und 
hartnäckig die öffentliche Erklärung über Belgien ab, um nicht sein bestes 
Dfandobjekt vor den Friedensverhandlungen aus der Hand zu geben. 
d) Es gelang Kühlmann am 10. September, die Vertreter der Majori- 
tätsparteien so weit gefügig zu machen, daß sie in die Absendung der 
inhaltlosen Note an den Dapst willigten. 
1 VUgl. Bredt, Der Deutsche Reichstag im Weltkriege. Das Werk des Unter- 
suchungsausschusses. 1926. 8. Band. Kapitel „Die Papstnote“. 
*„ Vgl. Friedrich Ritter von Lama, Der vereitelte Friede, Augsburg 1926. 
* Vgl. Haeftens Außerungen vor dem Untersuchungsausschuß am 2. u. 3. März 
1922, Das Werk des Untersuchungsausschusses, 3. Bd., 1925, S. 266 ff. 
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