Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

e) Für die Beurteilung der Friedenschancen interessierte Kühlmann 
allein die Haltung des amtlichen England; über sie glaubte er sich auf 
eigenen Wegen Gewißheit verschaffen zu können, und im Falle die Erkun- 
dung günstig verlief, war er vom Kaiser und Kanzler bevollmächtigt, die 
uneingeschränkte Wiederherstellung der belgischen Souveränität und Inte- 
grität zuzusagen. 
Herr v. Kühlmann unterschätzte die Abhängigkeit der englischen NRe- 
gierung von der öffentlichen Meinung und ebenso unsere Macht, diese 
öffentliche Meinung zu beeinflussen. 
f) Aus dieser Verachtung eines jeden Weges, der über die Köpfe der 
Diplomaten binweg direkt zum englischen Volke führen würde, weit mehr 
als aus den hemmenden Einflüssen der Obersten Heeresleitung und des 
Reichskanzlers, ist die Behandlung der Papstnote zu erklären. 
Zweitens wird behauptet, es habe ein ernsthafter englischer Friedens- 
fühler vorgelegen. — Daran glaube ich nicht; auf Grund von genauen 
Tarbestandaufnahmen, die ich damals über die englische Situation erhielt. 
Zweifellos hatte im Juli und August der eine oder andere Kollege von 
HLloyd George einen Schwächeanfall erlitten, der ihn vernünftigen Er- 
wägungen zugänglich machte.: Mag sein, daß die Demarche von de Salis? 
1 Siehe „Observer“ Anfang August. 
2 Die Depesche vom 21. August 1917 über die Vorbedingungen jeder Friedens- 
besprechung, die der britische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Graf de Salis, dem 
Kardinalstaatssekretär überreichte, lautete in der #bersetzung: „Wir haben noch 
nicht Gelegenheit gehabt, uns mit unseren Alliierten über die Note Seiner 
Heiligkeit zu beraten und sind nicht in der Lage, eine Antwort auf die Vorschläge 
Seiner Heiligkeit in betreff der Bedingungen zu geben, die einen dauerhaften 
Frieden sicherstellen können. AUnserer Meinung nach ist keinerlei Annäherung an 
dieses Ziel wahrscheinlich, solange nicht die Zentralmächte und ihre Verbündeten 
offiziell die Ziele erklärt haben werden, die sie mit dem Kriege verfolgen, ebenso 
wie die Wiederherstellungen und Entschädigungen, zu denen sie bereit sind, und die 
Mittel, welche in Zukunft die Welt gegen die Erneuerung der Greuel sichern könnten, 
unter denen sie jetzt leidet. Selbst was Belgien angeht — und in diesem Fall haben 
jene Mächte selbst anerkannk, daß sie im Anrecht sind — haben wir niemals Kennt- 
nis von einer bestimmten Erklärung erhalten, über ihre Absichten, Belgiens völlige 
Unabhängigkeit wiederherzustellen und die Schäden wieder gutzumachen, die sie es 
haben erdulden lassen. Eure Eminenz haben zweifellos die Erklärungen nicht aus 
dem Auge verloren, welche die Alliierten in Beantwortung der Note des Dräsi- 
denten Wilson gegeben haben. Weder von Osterreich noch von Deutschland ist je- 
mals eine gleichwertige Erklärung erfolgt. Ein Versuch, die Kriegführenden in #ber- 
einstimmung zu bringen, würde so lange nutzlos erscheinen, als wir die Punkte nicht 
deutlich kennen, in denen ihre Ansichten auseinandergehen.“ (Nach dem französischen 
Text bei Michaelis, a. a. O., S. 343f.) Diese Depesche wurde am 30. August von 
PacMelli mit zuversichtlichen Erläuterungen an den Reichskanzler weitergeleitet. 
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