Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Ich hatte in jedem Falle vorgesehen, den Geheimrat Simons im Laufe 
des Tages zu empfangen, um ihm das Amt des Chefs der Reichskanzlei 
anzubieten. Nun schickte ich ihm Botschaft, daß ich ihn sobald als mög- 
lich zu sprechen wünschte. Simons war damals noch Vortragender Nat 
im Auswärtigen Amt. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber hatte seit 
Jahren von ihm gehört und von seiner Stellung zum Kriege, zu unserem 
Einmarsch in Belgien, zur feindlichen Blockade, zum U-Boorkrieg, zur 
Schuldfrage. Sein Nationalgefühl war von der Art, daß er unerträglich 
darunter litt, wenn er glaubte, sein Vaterland tue Anrecht, und daß er 
es andererseits für eine große Sünde hielt, wenn Deutschland kampflos 
AInrecht und Verleumdungen hinnahm. Er war ein hervorragender Jurist, 
aber sein Scharfsinn verleitete ihn nicht zur Dialektik, sondern wurde durch 
sein Rechtsgefühl gezügelt, dem er siegreichen Ausdruck zu geben verstand. 
Simons trat mir mit großer, ich möchte beinahe sagen, vorwurfsvoller 
Traurigkeit entgegen. Er sprach sofort vom Angebot mit jener scharfen 
Präzision, die seine gesprochenen und geschriebenen Worte kennzeichnet. 
Er glaubte, alles sei verloren. Ich bat ihn, mir zu helfen, um zu retten, 
was zu retten sei. Er zögerte, das ihm angebotene Amt anzunehmen, und 
wollte eine Bedenkzeit haben, aber er war sofort bereit, an der Rede mit- 
zuarbeiten, durch die ich den Rahmen der 14 Punkte mit klar umrissenen 
Bedingungen erfüllen wollte. 
Das deutsche Volk, so sagte Simons, muß wissen, was die 14 Punkte 
bedeuten — es darf nicht blind an den Verhandlungstisch geführt werden; 
und die Feinde müssen wissen, daß wir so weit und nicht weiter gehen 
wollen. 
Wir sprachen die 14 Punkte durch: die meisten trugen eine deutliche 
Spitze gegen Deutschland, aber das Recht, das sie verkündeten, bedrohte 
1 Die 14 Punkte lauteten (Wilson, Das staatsmännische Werk des DPräsiden- 
ten in seinen Reden, Berlin 1919, S. 222 ff.): 
1. Offentliche und öffentlich zustande gekommene Friedensverträge, denen keine 
geheimen internationalen Vereinbarungen irgendwelcher Art folgen dürfen. Die 
Diplomatie soll immer offen und vor aller Welt getrieben werden. 
2. Vollkommene Freiheit der Schiffahrt auf See außerhalb der Hoheitsgewässer 
im Frieden wie im Krieg, mit Ausnahme jener Meere, die ganz oder teilweise durch 
eine internationale Handlung zwecks Durchsetzung internationaler Verträge ge- 
schlossen werden. 
3. eseitigung aller wirtschaftlichen Schranken, soweit sie möglich ist, und Her- 
stellung gleicher Handelsbedingungen unter allen Staaten, die sich dem Frieden an- 
schließen und sich zu seiner Aufrechterhaltung vereinigen. 
4. Austausch angemessener Bürgschaften dafür, daß die Rüstungen der Bölker auf 
das niedrigste, mit der inneren Sicherheit zu vereinbarende Maß herabgesetzt werden. 
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