Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

alliierten Heerführern; dann die Schmähungen gegen unsere Armee und 
unsere Marine; die Forderung nach der Einstellung des verschärften 
U. Bootkrieges; und zum Schluß in dunklen und vieldeutigen Worten der 
Appell an das deutsche Volk, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, 
um dadurch erst die Vorbedingung für die Herbeiführung des Friedens 
zu schaffen. 
Die Note Wilsons verwandelte die deutsche Situation bis auf die Fun- 
damente. Der neubeschworene Burgfriede ging in Trümmer. Nach unserem 
Angebot war die Sehnsucht nach Frieden die beherrschende Leidenschaft 
der Massen geworden. Millionen stauten ihre Angeduld nur zu kurzfristiger 
Selbstbeherrschung. Einzig und allein die eingebildete Nähe des Friedens 
hielt sie von unpatriotischen Worten oder Taten zurück. Nun wirkte die 
Enttäuschung wie ein Dammbruch. 
Die Anabhängigen hatten freie Bahn. Am 16. Oktober wird bereits in 
den Fabriken Berlins von der Regierung Haase-Oedebour als von dem 
kommenden Ereignis gesprochen. Zwar warnt der „Vorwärts“" die Arbeiter: 
Dumme Streiche machen wir nicht mit. Die sozialistische Ordnung durch 
Droklamationen aufrichten, hieße eine Taschenuhr mit Hammer und Säge 
reparieren. So würde eine Regierung der Anabhängigen sich einführen 
müssen. „Wer den Mut hat, diese Aufgabe zu übernehmen, der trete vor.“ 
Das klang ganz selbstsicher. In Wahrheit aber täuschten sich die Mehr- 
beitssozialdemokraten über ihre Macht, die damals schon im Sinken war. 
Die Anabhängigen gewannen ständig Boden dadurch, daß sie gegen einn 
neue nationale Erhebung arbeiteten. Gestützt auf das den Parteiführer- 
erstattete Gutachten der Obersten Heeresleitung vom 2.Oktober! und aller 
hand erlogene Berichte über Außerungen des Generalfeldmarschalls gaben 
sie über ganz Deutschland hin die Darole aus: Die nationale Verteidigung 
ist boffnungslos. 
Aus der Schweiz kam noch gefährlichere Botschaft: Die nationale Ver- 
teidigung ist unnötig. Die in der Schweiz lebenden Pazifisten waren zu 
einer öffentlichen Macht geworden, seit wir Wilson zu Hilfe gerufen und 
damit vor aller Welt ihre Illusionen als Wirklichkeit anerkannt hatten. 
Ihre Stimmungen färbten die Berichte der Berner Diplomaten. Privat= 
briefe strömten nach Deutschland, die uns beschworen, Wilson zu Willen 
zu sein und nur noch auf ihn und nicht mehr auf unsere militärische Kraft 
zu bauen. Der Dichter Fritz v. Unruh schickte mir aus Zürich ein Exposé, 
darin er eigentlich forderte, daß wir uns ergeben sollten: er fand es sünd- 
haft und rückfällig, jetzt noch an eine Volkserhebung zu denken. 
1 Vortrag Bussches siehe oben S. 342. 
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