die Sozialdemokratische Partei wegen der Bewilligung der Kriegs-
kredite durch eine solche Behauptung in eine schiefe Lage kommen würde.
Aber gerade er gab auch dem allgemeinen Gefühl lebhaften Ausdruck:
Persönlich empfinde er es als schmachvoll, daß man alle die
freiheitlichen Änderungen jetzt unter dem Druck der Feinde
vornehmen müsse.
Über den Punkt war also Einstimmigkeit: wie Wilsons Einmischung
in unsere inneren Angelegenheiten zu deuten und sachlich zu beantworten
sei. Ferner stand wohl bei uns allen fest, daß wir nicht die einmal begonnene
Waffenstillstandsaktion jetzt abbrechen durften, nur um des verschärften
U-Bootkriegs willen.
Der Vertreter der Obersten Heeresleitung in Berlin gab beruhigende
Auskunft über die neue, an der Flandernfront entstandene Lage; selbst
wenn sie nicht zu halten sei, brauchten wir keine militärische Katastrophe
zu besorgen. Es bestünde ein festes Programm, die Truppe in drei Nächten
in eine neue starke Stellung zurückzuführen, die sich rechts an Seeflandern
anlehne. Die flandrische Küste hätte nur noch Prestigewert, da U. Boot=
basis und Werften schon geräumt seien.
Wieviel Spielraum hatten wir für die Verhandlungen mit Wilson?
Davon hing alles ab. Wir wollten natürlich die Besprechungen des 17.
abwarten, ehe wir urteilten; aber schon heute ging die allgemeine Auf-
fassung dahin: werden die angedrohten Bedingungen der Kapitulation
wirklich präsentiert, so muß der Krieg weitergehen.
Haußmann sprach allen aus der Seele, als er sagte: „Wie der hier
anwesende Vertreter der Obersten Heeresleitung erkennen muß, liegt uns
nichts mehr am Herzen als die Ehre der Armee. Sie ist ein höchstes staat-
liches Bedürfnis.“ 1
Am Schluß der Sitzung wurde mir wiederum der lebhafte Wunsch
entgegengebracht, wir sollten über die militärische Lage nicht nur das
Gutachten des Generals Ludendorff hören. Ich hatte bereits in diesem
Sinne dem Kaiser Vortrag gehalten. Die Antwort erhielt ich noch im
Laufe des Tages. Der Kaiser entschied, daß neben dem General Luden-
dorff noch andere Heerführer zu befragen seien.
Ich bereitete mit meinen militärischen Beratern die Besprechungen des
folgenden Tages vor:
Kann die Westfront so verstärkt werden, daß sie steht, und zwar recht-
zeitig, und woher? Aus der Heimat, aus Rußland? Kann die Räumung
des Ostens militärisch und wirtschaftlich verantwortet werden? Wir
1 Haußmann, a. a. O., S. 255 f.
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