Das war ein gefährlicher Trost, den heute in Bereitschaft zu halten die
letzte Entschlossenheit lähmen mußte.
Stresemann trat entschieden auf die Seite der Regierung und legte
besonderes Gewicht auf die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten:
„Hätte ein Bismarck jemals eine große, mächtige Ar-
beiterpartei zur Verfügung gehabt, die gewillt gewesen
wäre, in die Regierung einzutreten und staatliche Verant-
wortung auf sich zu nehmen, er wäre der erste gewesen, der
sich dieser Kräfte für seine Ziele mitbedient hätte .. Wir
sind und bleiben Monarchisten, deshalb sind wir überzeugt, daß wir
die Monarchie am besten schützen, wenn wir an dieser Neuordnung der
Verhältnisse jezt kräftig mitarbeiten."
Nach Stresemann sprach Westarp mit der Zurückhaltung, die ihm seine
bisherige Kriegspolitik auferlegte. Er griff das parlamentarische System
an, versprach aber, sich hinter die Regierung zu stellen, sowie sie das Volk
zur nationalen Verteidigung aufrief. Bedeutsam war sein Eingeständnis,
daß heute die Stimme der Konservativen Partei nicht weit genug trug
„vermöge mancher Verhetzung“ und „der bisherigen politischen Entwick.
lung“. Einmal entgleiste er. Er konnte es nicht lassen und mußte das
Wasffenstillstandsangebot als die erste Tat der Mehrheitsregierung be-
zeichnen, obgleich er den wahren Zusammenhang in allen Einzelheiten
kannte.
An diesem Abend erkrankte ich an Grippe; Simons, Wahnschaffe und
Haeften hielten mich während der nächsten Tage auf dem laufenden über
den Fortgang der Aussprache.
Am 23. Oktober kamen die Feinde des Reiches zu Wort. Wie verab-
redet, einer nach dem anderen, marschierten sie auf und kündigten Deutsch
land den Gehorsam. „Wir wollen und können offen sprechen“, mit
diesen und ähnlichen Worten leiteten sie ihre Absage ein.
Der Eindruck soll furchtbar gewesen sein. „Finis Germanige“, so be-
richtete mir ein Zeuge. Einer meiner Mitarbeiter sprach von dem Chor der
Schakale: „Alt-Deutschland, wir weben dein Leichentuch, wir weben hinein
den dreifachen Fluch.“" Haases Rede kam zuerst, sie war erfüllt von
Schadenfreude über die deutsche Niederlage, an der nichts mehr zu ändern
wäre.
„Jedes weitere Blutvergießen ist jett selbst von mili.
tärischen Gesichtspunkten aus völlig unnüt, völlig sinnlos.“
Höhnend fragte er: Ningsherum tun sich Republiken auf, „die Kronen
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