reif für den Frieden. Das ist ein furchtbares Wort. Es bedeutet, daß
man den Zermürbungsprozeß nicht nur bei den Feinden, sondern beim
eigenen Volk abwarten will, ehe man den Ausweg zeigt, den man für
richtig hält.
„Dieses eine aber ist sicher: der englische Liberalismus zieht heute seine
moralische Unterstützung aus dem Kriege heraus. Nicht aus einem
Kriege, der notwendig wäre für Englands Ehre und Sicherheit, wohl
aber aus dem Kriege Lloyd Georges. Diese Pro-Boers und Mensch-
heitsfreunde haben nicht nur ihre Söhne zu Tausenden ins Feld geschickt,
— sie sind auch die besten Werber des englischen Krieges gewesen, in
England selbst und in der ganzen Welt. Sie waren schuld an Englands
gutem Namen und haben uns überall großen moralischen Schaden getan.
Immer von neuem haben Männer wie Gilbert Murray und Lord Bryce
die Neutralen mit der englischen Gewaltpolitik, ja mit dem englisch-
russischen Bündnis versöhnt, dadurch, daß sie ihr gutes Gewissen der
Sache der Alliierten zur Verfügung gestellt haben. Ihr ehrliches BVoka-
bularium ist England Armeen wert gewesen.
„Nun wird der englische Krieg ein anderer werden. Nichts mehr von
„Im Belgiens willen haben wir das Schwert gezückt“, nichts mehr von
„Befreiung kleiner Nationen-, „Vom Agäischen Meere nordwärts bis
an den Ostrand des Baltischen Meeres“ — ich zitiere Lord Bryce.
Nichts von internationalen Konferenzen zur Schlichtung von Streitig-
keiten und vom „Areopag der Völker“; der englische Krieg wird häßlich
und zynisch werden, ein Raub- und Handelskrieg; er wird nicht einmal
mehr dem Anstandsgefühl der Welt die Konzession machen, sich zu ver-
schleiern.
„Wie es diesem Kriege in England gehen wird, darüber kann ich von
hier aus nichts sagen. Aber daran ist kein Zweifel: in der Welt wird
das England Lloyd Georges gehaßt werden, wie das Zerrbild Deutsch-
lands gehaßt worden ist. Oderint, dum metuant mag ein Motto sein,
gut genug für kleine Staaten, die sich mit den Nachbarn raufen, oder eine
kleine Großmacht, auf deren Machtzuwachs die Welt noch nicht auf-
merksam geworden ist, sei es, daß er noch zu bescheiden ist, sei es, daß ein
genialer Staatsmann die Welt zu beruhigen wußte. Aber, wenn eine
Weltmacht der ganzen übrigen Welt zuruft: Oderint, dum metuant;,
dann wird sie früher oder später unter dem Haß der Welt zusammen-
brechen, wie Sir Edward Grey in seiner Rede am 27. Ja-
nuar 1916 den Scharfmachern zurief, da sie die schonungs-
lose Ausübung der Seemacht auch gegen die Neutralen
verlangten.“
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