stellen; die nötigen Befehle waren bereits erteilt. Meine Vorschläge wies
er entrüstet und heftig zurück. Ich bat den Kaiser, mich sofort zu ent-
lassen und einen neuen Reichskanzler zu ernennen, da ich sein Vertrauen
nicht mehr besitze. Der Kaiser lehnte ab mit der Begründung: „Du haft
das Waffenstillstandsangebot hinausgegeben, du mußt auch die Be.
dingungen entgegennehmen.“
Ich erklärte mich bereit, noch bis zur Anterzeichnung des Waffenstill
stands zu bleiben.
Meinem Gespräch sandte ich die Depesche nach:
„VBerlin, den 8. November 1918.
Euere Majestät bitte ich, im Anschluß an meine heutigen GBerichte zur Lage auf
folgende neueren Ereignisse aufmerksam machen zu dürfen:
1. Seine Moajestät der König von Bayern hat dem CThron entsagt.
2. Dasselbe hat Seine Königliche Hoheit der Herzog von Braunschweig getan.
3. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin hat
die Forderungen des Arbeiter- und Soldatenrates angenommen.
4. Das Kabinett, dessen Mitglieder bis gestern in der Mehrzahl gegen die
Thronentsagung Euerer Majestät waren, hält heute ganz überwiegend diesen
Schritt für das einzige Mittel, um Deutschland vor blutigem Bürgerkrieg
zu bewahren.
5. Exzellenz v. Payer hat mir erklärt, im Falle meines Rücktritts das Amt
des Wizekanzlers, das für den Vertrauensmann der Mehrheit geschaffen ist,
nicht weiterführen zu können; sämtliche Mitglieder des Kriegskabinetts
werden folgen. Die Neubildung einer Regierung ist unmöglich, weil auch
nach Ansicht der Zentrumsführer eine arbeitsfähige Mehrheit im Reichs.
tag nicht zu finden ist. Das Reich steht dann ohne Kanzler, ohne NRegie-
rung, ohne feste Reichstagsmehrheit verhandlungsunfähig da.
Alleruntertänigst
Max, Prinz von Baden.“
Ich hatte keine Hoffnung auf Erfolg. Der Kaiser glaubte fest daran,
daß die Fronttruppen zuverlässig sein würden, auch wenn es galt, für seine
Derson gegen die Heimat zu kämpfen. An diesem Abend konnte ich nichts
anderes annehmen, als daß die Oberste Heeresleitung diesen Optimismus
teilte, zumal ein erneuter Versuch Payers, die Unterstützung Gröners zu
gewinnen, gescheitert war.
Heute weiß ich, daß bereits eine Stunde nach meinem Telephongespräch
der Generalfeldmarschall und General Gröner in gemeinsamer Beratung
zu dem Ergebnis kamen: die von dem Kaiser am Morgen gegen die
Heimat befohlene Operation ist aussichtslos. Das Versagen der Ersat
formationen war es nicht, das diese Einsicht herbeiführte: die Oberste
Heeresleitung hatte Kenntnis von einer neuen, alle Berechnungen um-
Prinz Max von Baden 40 625