Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

genaue Kenntnis der Frontstimmung und auf seine dauernde 
Fühlung mit der Front der Dberzeugung Ausdruck, daß die 
Armee fest hinter dem Kaiser stehe, daß jedenfalls die preu- 
Bischen Truppen treu zu ihrem König hielten, ihn nicht ver- 
lassen und seine Abdankung nicht verstehen würden, und daß 
der Kaiser mindestens als König von Preußen weiterregieren 
und seine Preuen um sich scharen müsse, dann könne man ja 
sehen, was das Reich machen werde. Auf die Zwischenfrage des 
Herrn v. Hintze, ob sich denn die Truppen für ihren König 
gegen die Heimat schlagen würden, mußte Graf Schulenburg 
allerdings zugeben, daß sie dies nicht tun würden, vertrat aber 
weiter die Ansicht von der Notwendigkeit, daB der Kaiser an 
der Krone Preuhbßens festhalte. Er wies darauf hin, daß im Falle 
einer völligen Abdankung des Kaisers viele Berufsoffiziere, vor 
allem die Mehrzahl der höheren COffiziere, ihren Abschied nehmen 
würden, so daß die Armee führerlos sein werde. Für den Zu- 
sammenhalt der Armee könne alsdann keine Verantwortung 
mehr übernommen werden. 
„„Während der Kaiser vordem schon ganz bereit war, den Ver- 
hältnissen Rechnung zu tragen und sich zurückzuziehen, boten 
die Ausführungen des Grafen Schulenburg die wohl nicht un- 
willkommene Handhabe für ein Kompromiß. Die aus den klaren 
und besrimmten Darlegungen des Generals Gröner sich von selbst 
ergebenden politischen Folgerungen wurden nicht gezogen.“ 
Der Kaiser hatte selbst das Gefühl, daß der Reichskanzler 
über diese neue plötzlich aufgetauchte Wendung orientiert werden 
müsse: er gab dem Staatssekretär v. Hintze den Auftrag, dem 
Reichskanzler zu telephonieren, daß er als Deutscher Kaiser ab- 
danken wolle, um Blutvergießen zu vermeiden, dalß er aber König 
von Preußen bleibe und sein Heer nicht verlassen werde. 
Da griff nach seinen eigenen Worten Graf Schulenburg ein und 
verhinderte die Orientierung des Reichskanzlers: 
„Ich forderte, daß diese wichtige Entschließlung Seiner Majestöt 
zunächst schriftlich festgelegt werden müsse und erst dann an 
den Reichskanzler telephoniert werden dürte, wenn sie von 
Seiner Majestät genehmigt und unterschrieben sei.“ 
Es blieb aber nicht nur bei dieser Unterlassung. Tatsächlich 
kam eine Mitteilung an die Reichskanzlei zustande, die unab- 
Sichtlich auf eine Irreführung hinauslief. 
Graf Schulenburg selbst berichtet darüber: 
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