Mir war der Name des Oberstleutnants v. Haeften kein unbekannter.
Durch meinen Vetter, den Fürsten Ernst Hohenlohe, der an der Spitze
des Roten Kreuzes bei Ober- Ost stand, wußte ich von einem leuchtenden
Beispiel seiner Zivilcourage.
Rachdem Haeften zu Anfang des Krieges Ia (erster Generalstabs-
offizier) bei Gallwitz gewesen war, wurde er Mitte Dezember 1914 zu
Ober-Ost kommandiert; gleichzeitig sollte er für besondere Aufgaben dem
Chef des Stellvertretenden Generalstabs v. Moltke zur Verfügung stehen.
Haeften sieht es selbst, er hört es von allen Seiten: Hindenburg wird mit
Truppen ausgehungert, der Feldmarschall könnte Entscheidendes voll-
bringen, wenn man ihm nur die nötigen Machtmittel in die Hand gäbe.
m die Jahreswende erheben Hindenburg und Ludendorff dringende Vor-
stellungen bei dem Chef des Generalstabes v. Falkenhayn: der Schwer-
punkt des Krieges müsse von dem westlichen nach dem östlichen Kriegs-
schauplatz verlegt werden. Es kommt zu einer ernsten Differenz zwischen
Falkenhayn und Ober-Ost. Eine Aberbrückung der grundsätzlichen Mei-
nungsverschiedenheiten scheint nicht mehr möglich. Da übernimmt es
Haeften, Seiner Majestät die Auffassung des Generalfeldmarschalls
persönlich vorzutragen und in seinem Namen die Ersetzung des Generals
v. Falkenhapn durch Moltke und Ludendorff vorzuschlagen, vor allem
aber soll er versuchen, ein Machtwort des Kaisers herbeizuführen, um
Ober-Ost die nötigen Truppen zu verschaffen. Hindenburg hätte sich
damals noch nicht bereit gefunden, die Leitung der gesamten Operationen
zu übernehmen.
In Gerlin geht Haeften auf Veranlassung des Fürsten Hohenlohe zur
Kaiserin, die mit stärkster Anteilnahme seinen Vortrag hört und seine
Mission beim Kaiser zu unterstützen verspricht. Im kaiserlichen Haupt-
quartier wird im ersten Augenblick der Hilferuf unserer Ostarmeen nicht
ungnädig aufgenommen. Aber die Stimmung schlägt jählings um. Haeften
wird „versetzt“, erst nach Köln, später nach Antwerpen, bis ihn im Som-
mer 1916 Falkenhayn nach Berlin holt, damit er im Auswärtigen Amt
die neugegründete Militärische Stelle übernimmt.1
einer der liebenswertesten und ehrenhaftesten Männer, die mir begegnet sind. Im
Handumdrehen hatte er das volle Vertrauen der Journalisten gewonnen. Es war
eine einzigartige Gabe, den Unterschied zwischen Nachrichten und Propaganda zu
begreifen. Er wußte, daß Korrespondenten in ihrer eigenen Art arbeiten müssen, daß
man sie keiner Beeinflussung und keinem Druck aussetzen sollte, daß sie selbst glauben
müssen, ehe sie ihre Leser überzeugen können.“ Dann folgt die Schilderung der oben
erwähnten Begebenheit.
1 Bgl. den Brief Moltkes an Generalfeldmarschall v. Hindenburg, Berlin,
23. Januar 1915: „Major v. ist gestern abend aus dem Großen Haupt-
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